Telemedizin in der Orthopädie und Unfallchirurgie

Aufgrund der COVID-19-Pandemie kam es notgedrungen zu einem gesteigerten Interesse an telemedizinischer Versorgung in Österreich. „Jetzt ist die Stunde der Telemedizin“ sagte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin,  Dietmar Bayer in einem Interview Mitte März 2020.
Sowohl bei der Anamnese, Diagnostik aber auch für die Kontrolle von Therapieplänen wurden während des Lockdowns verschiedene Tools eingesetzt. Ein großes Problem waren dabei vor allem fehlende Standards, fehlende Rechtssicherheit, Einheitlichkeit uvm….

Wir haben uns die Situation im Fachgebiet der Orthopäden und Unfallchirurgen angeschaut, da gerade hier Maßnahmen wie Inspektion und klinische Untersuchung der Gelenke absolut notwendig für die Diagnosefindung sind. Die Kollegen Backhaus et al. Haben sich dazu alle rezenten Publikationen geprüft und im Journal Nature publiziert. Hierzu haben Sie sich unter anderem 6 verschiedene Systeme für die Durchführung von Videosprechstunden angeschaut, sowie anhand des Kniegelenks, die virtuellen Untersuchungsmöglichkeiten herausgearbeitet. Angefangen bei der Eigenpalpation des Kniegelenkes durch den Patienten mittels Quadrantenmethode bis hin zum webbasiertem Goniometer, wurde aufgezeigt dass deren Zuverlässigkeit in mehreren Untersuchungen bereits überzeugen kann.

Rezente Studien konnten ebenfalls zeigen, dass die Bewegungserfassung des Kniegelenkes in der Sagittalebene mittels zweier lokal am Knie angebrachter Sensoren ähnlich präzise war, wie mit einer markergestützten Bewegungsanalyse. In verschiedenen wissenschaftlichen Studien 2014 wurden bereits  lokal angebrachte Sensoren zur Überwachung der Rehabilitation nach Kniegelenksprothetik angewandt.

In der Postoperativen Nachbehandlung existieren z.B. in der Knie- und Hüftendoprothetik bereits webbasierte Lösungen, welche erfolgreich eingesetzt wurden und werden. Hierbei werden Patienten via E‑Mail an ihren Untersuchungstermine erinnert und aufgefordert, einen Fragebogen zu beantworten und ggf.  erforderliche Röntgenbilder zu schicken. Bei Symptomfreiheit und fehlenden pathologischen Befunden auf den Röntgenbildern wird die weitere Untersuchung um ein Jahr verschoben. Bei Problemen wird der Patient aufgefordert, sich in der Klinik vorzustellen.

In der Nachbehandlung bei der Kreuzbandrekonstruktion ist wiederum das „Home-based-physiotherapy“-Programm namens GENU Move von Ottobock zu erwähnen. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine Anleitung zum eigenständigen Üben ohne telemedizinische Kontrollmöglichkeit.

Die Autoren empfehlen die Telemedizin im jetzigen Stadium primär bei der Versorgung von Patienten aus dem Ausland oder in dünn besiedelten Gebieten sowie der Betreuung von Hochleistungs- und Profisportlern.

Die jetzige Pandemie bringt nicht nur Chancen sondern bringt auch Herausforderungen in der Telemedizin mit sich, Es bedarf z.B. noch der Klärung vieler offener Fragen wie Verrechnung, Datenschutz, ausreichende Breitbandgeschwindigkeit, um sie auch in der Zukunft weiter zu nutzen. Gerade der Datenschutz spielt eine sehr zentrale Rolle. Bereits 2018 wurde auf dem österr. Ärztekammertag eine Resolution zum Thema Telemedizin erlassen. Diese verlangt ein Register für telemedizinische Anwendungen und ein europäisches Zertifikat, welches Kunden und Ärzten schnell zeigen soll, welche Anbieter mit guten Datenschutz-Standards arbeiten.

Quelle:
SARS-CoV-2-Pandemie und ihre Auswirkungen auf Orthopädie und Unfallchirurgie: „Booster“ für die Telemedizin, Luisa Backhaus, Sebastian Bierke, Katrin Karpinski, Martin Häner, and Wolf Petersen Knie J. 2020 May 14 : 1–10.

Autor: Dr. Arastoo Nia