Arbeitsplatz Generikaunternehmen

Generika werden in Österreich seit über 30 Jahren eingesetzt. 49% aller Verordnungen im generikafähigen Markt sind mittlerweile Generika. Der Generikaanteil am Pharma-Gesamtmarkt (niedergelassener Markt exkl. Krankenhaus) betrug 2017 in Bezug auf Packungen 37% und in Bezug auf Umsatz 19% (siehe Abb. 1). Jedes weitere Prozent mehr Generikaverordnung würde dem Gesundheitssystem 4 Mio. Euro für andere Leistungen zur Verfügung stellen (IQVIA-Studie, DPMÖ 2017).
Dr. Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbandes, betont, dass der Generikamarktanteil sich seit einigen Jahren im Wachstum befindet: „Unsere Mitgliedsfirmen verzeichnen ein zwar langsames, aber kontinuierliches Wachstum nach Volumen und – trotz sinkender Preise – auch nach Umsatz“, so Andiel.

 

 

Generikaunternehmen schaffen Arbeitsplätze

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Generika ist sehr groß – gerade in Österreich. „3,1 Mrd. Euro trägt die heimische Generikaproduktion zum BIP bei. Zudem senken Generika die Behandlungskosten mit patentfreien Arzneimitteln um 65% und sichern damit einen breiten Zugang zu innovativen Therapien“, erklärt Andiel.
Auch bei den Arbeitsplätzen sind die Generikaunternehmen ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor: „Rund 15.000 Arbeitsplätze werden durch Generikafirmen geschaffen, etwa 5.000 davon sind direkte Beschäftigte“, so Andiel weiter. Dass Österreich sich als ein besonders starker Produktionsstandort für Generika auszeichnet, hat laut Andiel historische Gründe: „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von den Alliierten zur Versorgung der österreichischen Bevölkerung eine Penicillinproduktion gestartet. Das kontinuierlich ausgebaute Werk ist heute ein wichtiges Antibiotika-Kompetenzzentrum eines heimischen Generikaunternehmens“, berichtet Andiel. Einige weitere große Generikaproduktionsstätten wurden in den folgenden Jahrzehnten ebenfalls in ­Österreich errichtet.
Heute werden jährlich rund 285 Generikapackungen in Österreich produziert, davon werden 90% exportiert. Andiel erläutert: „So werden z.B. 75% des Weltbedarfs an Penicillin in Österreich hergestellt und das erfordert, um wettbewerbsfähig zu bleiben, enormes Know-how. Auch wenn die Arbeitsplätze im Bereich Massenproduktion abnehmen – diese werden aus Kostengründen zunehmend nach China oder Indien ausgelagert –, steigen sie im Bereich spezialisierte Produkte an. Diese positiven Entwicklungen sind natürlich auch auf die anhaltend stabilen Rahmenbedingungen in Österreich zurückzuführen.“

Starker Preis- und Konkurrenzdruck

2,2 Mrd. Euro investierten pharmazeutische Unternehmen in den letzten fünf Jahren in den Standort Österreich,1 über die Hälfte stammt dabei von Generikafirmen. „Man investiert dort, wo die Rahmenbedingungen gut sind. Zwar ist in Österreich die steuerliche Belastung relativ hoch, aber dafür gibt es hier qualifizierte Fachkräfte, und das ist viel wichtiger“, sagt Andiel. Damit dieser Trend so positiv weitergehe, sei es wichtig, den heimischen Wirtschaftsstandort zu stärken. Daher versucht der Österreichische Generikaverband, durch seine Arbeit politische Themen wie Generikaförderungen vo­ranzutreiben.
Auch Mag. Elgar Schnegg, Vizepräsident des Österreichischen Generikaverbandes und Geschäftsführer von teva ratiopharm in Österreich, hält eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich für sehr wichtig und betont weiters: „Man muss bei Generikaunternehmen zwischen produktionsorientierten und Vertriebsfirmen unterscheiden – viele Unternehmen haben keine Produktion mehr in Österreich. Auf Produktionsseite ist immer ein Aufbau möglich; ansonsten sind wir derzeit wohl maximal stabil.“
Marion Altinger, Head Human Resources bei Sandoz Commercial Operations Austria, Vertriebsniederlassung in Wien für die Marken Hexal, Sandoz und 1A Pharma, sieht die Generikabranche in Österreich unter einem starken Preis- und Konkurrenzdruck. „Dies ergibt sich aus einem starken Mitbewerb einerseits und der Erstattungssystematik des Gesundheitssystems andererseits. Hier gilt es für uns als Vertriebsorganisation, laufend mit den richtigen Strategien am Markt zu agieren, um unsere Marktführerschaft zu halten und auszubauen“, so Altinger. Ähnlich beurteilt Schnegg die Situation: „Wir haben in Österreich ein stabiles System, aber die Preisregulierung für Generika ist aggressiv. Die Folge ist, dass es zunehmend schwieriger wird, viele Mitarbeiter anzustellen.“
Eines der Probleme sei beispielsweise der Wettbewerbsnachteil gegenüber außereuropäischen Ländern mit früherem Patentablauf. Andiel: „Da wir in Europa erst ab dem Tag nach Patentablauf mit der Produktion für Europa starten dürfen, müssen wir dafür in außereuropäische Länder ausweichen, um konkurrenzfähig zu bleiben.“

Flexibilität im Denken

Hoch qualifiziertes Personal ist in allen Generikafirmen gefragt. „Die Anforderungen an die Mitarbeiter im Bereich Generika ­hängen von der Informationsfülle, die sich durch die Produktvielfalt ergibt, ab“, erläutert Bernd Leiter, ebenfalls Vizepräsident des Österreichischen Generikaverbandes und Geschäftsführer von STADA Arzneimittel. Nahezu jeder Generikaanbieter zeichne sich durch ein großes Produktportfolio und weniger durch die Spezialisierung auf einzelne Indikationsbereiche aus. „Hinzu kommt die Geschwindigkeit, die bei Generikaunternehmen herrscht: Jedes Quartal werden etliche Produkte neu auf den Markt gebracht. Hier braucht es schon eine gewisse Flexibilität im Denken“, weiß der STADA-Geschäftsführer aus der Praxis.

„Bei uns steht Wachsen im Fokus – natürlich als Unternehmen, aber auch bei unseren Mitarbeitenden auf persönlicher Ebene“, ergänzt Altinger. Dies brauche die Bereitschaft, zu lernen, im Team zu arbeiten, den Mut, Neues zu probieren und offen für Veränderungen zu sein; so könne auch die dem Unternehmen wichtige Vielfalt erzielt werden.

Ausbildung, Vorerfahrung und ­Pharmawissen auf höchstem Niveau

In Bezug auf die erforderlichen Ausbildungen für Tätigkeiten im Generikabereich komme es ganz darauf an, in welchem Bereich man im Unternehmen arbeite, erklärt Leiter. Für die Qualified Person (QP; sachkundige Person, verantwortlich für die Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften über Herstellung, Prüfung und Freigabe fürs Inverkehrbringen) oder für die Mitarbeiter der Pharmakovigilanz (Arzneimittelsicherheit) ist laut Leiter eine fundierte, spezifische, fachbezogene Ausbildung mit einem pharmakologischen Hintergrund unerlässlich. Dies sieht auch Schnegg so: „In vielen Bereichen ist ein Universitäts- oder Fachhochschulabschluss Voraussetzung, auch eine Spezialausbildung Life Sciences und/oder in naturwissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Fächern ist oftmals erforderlich. In den Bereichen Marketing und Sales sind uns Vorerfahrungen wichtig – ein Pharmareferent beispielsweise muss keine akademische Ausbildung haben.“
Auch Altinger bestätigt, dass sich die erforderlichen Ausbildungen vielfach nach Funktion und Aufgabenbereich unterscheiden, ein Studienabschluss sei jedoch meist Voraussetzung. „Studienrichtungen wie Medizin, Pharmazie oder Veterinärmedizin und Wirtschaftswissenschaften sind sicher eine breite Basis für viele Aufgaben. Vor allem im Außendienst ist – neben kommerziellen Rollen – für die Beratung zu Produkten die Pharmareferentenprüfung Voraussetzung. Zudem schätzen wir es, wenn Bewerbende Erfahrungen und Perspektiven aus anderen Branchen und verschiedenen Unternehmensgrößen mitbringen“, sagt Altinger über die Anforderungen an die Mitarbeiter.
Und Leiter ergänzt: „In Bereichen wie der Medical Information (Beantwortung von medizinischen Anfragen), der Zulassung und dem Qualitätsmanagement sind einschlägige Ausbildungen vorzuweisen bzw. ist ,Pharmawissen‘ von großem Vorteil. Dieses ,Pharmawissen‘ ist aber auch für viele andere Bereiche notwendig,
von der Beschaffung und Logistik bis hin zum Verkauf und Marketing.“
Viele Generikaunternehmen bilden ihre Mitarbeiter auch selbst aus. „Es gibt zum Beispiel zahlreiche Lehrberufe in der pharmazeutischen Produktion von Generika – diese Mitarbeiter bleiben dann häufig auch nach ihrer Ausbildung im Unternehmen“, berichtet Andiel.

In die Weiterentwicklung der ­Mitarbeiter investieren

Die Pharmabranche sei für Bewerbende generell attraktiv, Positionen könnten daher meist rasch besetzt werden. Im Produktmanagement sei der Markt überschaubarer im Vergleich zu anderen Branchen oder dem Originator-Markt, so Altinger. „Für die Auszeichnung als ,Top Employer 2018‘ haben wir unser Angebot für Mitarbeitende evaluieren lassen, um die besten Köpfe zu gewinnen und zu behalten. Unser Augenmerk liegt auf Talenten, die sich mit unserem Unternehmenszweck identifizieren und sich einer Herausforderung in dieser Branche stellen wollen. Wir suchen und rekrutieren nach Potenzial und investieren in die Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden“, gibt sie Einblick in die Firmenphilosophie von Sandoz.

Engpass an Qualified Persons

Im Bereich der Qualified Person sei es nicht leicht, entsprechend qualifizierte Personen zu finden, dies gelte aber auch für den Bereich der Herstellung (Herstellleiter und Kontrolllaborleiter), so Leiter. Hier würden von der Behörde gewisse Bedingungen vorgeschrieben, wodurch sich der Kreis automatisch verkleinere, erläutert er weiter: „So ist es für die Qualified Person Voraussetzung, einen akademischen Abschluss im Bereich Pharmazie, Human-, Zahn- oder Veterinärmedizin, Chemie oder Biologie oder einen als gleichwertig anerkannten Ausbildungsgang zu besitzen sowie mindestens eine zweijährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Analytik und Qualitätskontrolle von Arzneimitteln vorweisen zu können. Wer die Ausübung der Funktion der Qualified Person anstrebt, aber nicht Pharmazie, sondern ein anderes in den Zulassungsvo­raussetzungen genanntes Studium absolviert hat, muss eine ergänzende Ausbildung absolvieren – den auf der Universität Wien angebotenen Universitätslehrgang für pharmazeutisches Qualitätsmanagement.“
Leiters Vorschläge, um die Situation zu verbessern: „Um den Engpass an Qualified Persons EU-weit zu verringern, könnte man noch mehr ähnliche naturwissenschaftliche Studien als zulässig für Qualified Persons anerkennen, z.B. Ernährungswissenschaften. Spezialausbildungen im Pharmawesen werden derzeit vor allem von privaten Universitäten angeboten (z.B. der Donau-Universität Krems). Man könnte bereits an den öffentlichen Universitäten während der einschlägigen Studien (z.B. Pharmazie) Speziallehrgänge für Gesundheitsmanagement anbieten oder einen berufsbegleitenden Universitätslehrgang nach dem Studium, wie z.B. jenen für pharmazeutisches Qualitätsmanagement der Universität Wien. Der Bedarf ist groß. Viele Deutsche weichen für die Erlangung der Zusatzqualifikation als Qualified Person nach Wien aus, denn auch in unseren Nachbarländern mangelt es an Möglichkeiten der Zusatzausbildung.“

Generikaanteil wird weiter wachsen

Im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung ist Andiel sicher, dass sowohl in Bezug auf Verordnungen als auch in Bezug auf den Umsatz die Generika weiter wachsen werden. Und auch Leiter ist überzeugt, dass in Österreich in den nächsten Jahren noch weitere neue generische Anbieter kommen werden – allein im Bereich der Biosimilars sei ein Aufstocken der Ressourcen in fast allen Unternehmen sichtbar: „Daher werden Generikaunternehmen auch in Zukunft weitere Arbeitsplätze schaffen, allerdings weit spezialisierter als in der bisherigen Form. Bisher waren generische Anbieter bestrebt, vollsortiert zu sein, also ein möglichst breites Spektrum an Arzneimitteln in nahezu allen Indikationen anzubieten. Dieser Trend wird sich ändern und es werden in Zukunft bestimmte Schwerpunkte in den einzelnen Firmen gesetzt werden.“
„Für die Finanzierung des Gesundheitswesens sind Generika äußerst wichtig“, unterstreicht Andiel. Die Bevölkerung wird immer älter, das verursacht zunehmende Kosten. „Auch neue Therapieformen, z.B. in den Bereichen Onkologie, Diabetes, HIV und ZNS-Erkrankungen, sind sehr teuer, auch wenn die Umwegrentabilität, beispielsweise durch kürzere Krankenhausaufenthalte, sehr groß ist. Allerdings werden in Österreich die Medikamentenkosten immer noch separat betrachtet – die Finanzierung des Gesundheitssystems aus einem Topf wäre wünschenswert. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Der grüne Bereich im Erstattungskodex geht kostenmäßig zurück. Dies ist ein Effekt der Generika, der die Therapien günstiger macht“, fasst Andiel zusammen. Das weitere mögliche Einsparungspotenzial durch Generika sei aber vermutlich nicht mehr so groß, wie es das Gesundheitssystem brauchen würde, auch wenn ab 2019 der Marktwert der frei werdenden Patente und damit das Entlastungspotenzial für das österreichische Gesundheitssystem wieder deutlich zunehme, so Andiel (siehe Abb. 2).

 

 

Verstärkt über Generika informieren

Andiel hält es für sinnvoll, den Generikamarkt zu unterstützen, dies würde Zahlern und Anbietern nutzen und den Arzneimittelfortschritt auch in Zukunft fördern. „Damit wir weiter wachsen können, brauchen wir ein planbares und faires Umfeld. Ärzte sollten motiviert werden, Generika zu verschreiben. In manchen österreichischen Bundesländern – dort, wo Krankenkassen und Ärztekammer gemeinsam Aktionen zur Generikaunterstützung setzen – liegt der Generikaanteil bei über 60%, in anderen hingegen deutlich darunter. Auch im Krankenhaus müsste man ansetzen, um die Verordnung von Generika zu fördern“, ist Andiel überzeugt. Auf Patientenseite sieht der Präsident des Generikaverbandes ebenfalls Informationsbedarf – und die sollte unbedingt von einer unabhängigen Stelle kommen.

1 Quelle: Pharmig, firmeneigene Veröffentlichungen 2012–2017; https://www.pharmastandort.at/
Bern Leiter

Um den Engpass an Qualified Persons (QP) EU-weit zu verringern, könnte man mehr ähnliche naturwissenschaftliche Studien als zulässig für QP anerkennen.

Marion Altinger

Die Bewerbenden sollten sich von vornherein bewusst sein, dass die ­Pharmabranche starken Regularien und ­damit einer hohen Compliance unterliegt.

Mag. Elgar Schnegg

Das Fachpersonal ist schon da, aber der Kampf der Generikaunternehmen um diese Arbeitnehmer ist groß.

Dr. Wolfgang Andiel

Das weitere mögliche Einsparungspotenzial durch Generika ist vermutlich nicht mehr so groß, wie wir es eigentlich brauchen würden.