Arzneimittel-Innovationsbilanz

Am 9. Mai präsentierten die Medizinmarktaufsicht der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und das Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI) die Arzneimittel-Innovationsbilanz 2022 für Österreich. „Mit 54 neuen Medikamenten wurde der langjährige Durchschnitt 2022 deutlich überboten. Gegenüber 41 Innovationen 2021 erhöhte sich der Output immerhin um fast ein Drittel“, berichtet DI Dr. Günter Waxenecker, Leiter des Geschäftsfelds Medizinmarktaufsicht in der AGES. 30% der neuen Wirkstoffe entfallen auf die Onkologie, 9% auf Arzneimittel für seltene Erkrankungen bei Kindern, 4% auf COVID-19-Impfstoffe, 5% auf COVID-19-Therapeutika und der Rest verteilt sich auf viele verschiedene Therapiegebiete.

Klinische Forschung unverzichtbar

In Österreich liegt die Zahl der klinischen Studien seit einigen Jahren auf stabilem Niveau. 2022 wurden 284 klinische Prüfungen gestartet. Doch: „Wir drohen im internationalen Wettbewerb um klinische Studien den Anschluss zu verlieren“, warnt Michael Kreppel-Friedbichler, Vizepräsident des FOPI. „Alle Verantwortlichen im Gesundheitssystem, von der Politik über die Behörden und Universitäten bis hin zu den Unternehmen, sollten deshalb alles daransetzen, die Rahmenbe­dingungen für klinische Forschung zu verbessern. Klinische Studien haben einen hohen Wert für das Gesundheitssystem in Österreich. Sie halten und ziehen Top-Ärzt:innen an. Sie ermöglichen Patient:innen den Zugang zu ­neuesten Entwicklungen. Sie bringen dem System Einsparungen, da die ­Medikamente von den forschenden Unternehmen getragen werden. Und sie erzielen nachweislich eine hohe Wertschöpfung.“

Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger, Leiter der Abteilung für Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien, unterstreicht zudem aus ärztlicher Sicht: „Auch in der klinischen Forschung ist Innovation zentral – nicht nur als Ziel der Forschung, sondern auch in der Art und Weise, wie klinische Studien durch­geführt werden. In den letzten Jahren haben innovative Studiendesigns und Pathways Einzug gehalten. Über verschiedene Indikationen hinweg ist ein Trend von der symptomgetriebenen Zulassung zur ursachenbasierten Indikation zu erkennen. Sogenannte adaptive Studiendesigns können dabei helfen, die Arzneistoffentwicklung zu straffen oder im Falle von sehr seltenen Erkrankungen überhaupt zu ermöglichen. Und schlussendlich helfen uns computer­basierte Simulationen, hypothetische Patient:innen zu generieren, etwa um die optimale Dosierung von Arzneistoffen zu ermöglichen oder die Erfolgsrate eines Medikaments für eine heterogene Population abzuschätzen.“

Hohe Bedeutung Österreichs im ­europäischen Zulassungsprozess

Die Arbeit der AGES wird auch in den europäischen Institutionen geschätzt: So war die AGES im Jahr 2022 im zen­tralen Zulassungsverfahren neunmal als Rapporteur, achtmal als Co-Rapporteur und viermal in multinationalen Gutachterteams beteiligt. „Österreich rangiert damit weiterhin im europäischen Spitzenfeld – und das nicht nur bei den Zulassungsverfahren, sondern auch bei der wissenschaftlichen Beratung“, betont Waxenecker. Denn auch im sogenannten Scientific-Advice-Verfahren der EMA wird die Expertise der heimischen Behörde geschätzt. Immerhin 137 dieser wissenschaftlichen Beratungsverfahren wurden im Jahr 2022 von Österreich koordiniert.