Faire Lösungen bei der Preisgestaltung

Eine Ideallösung für faire Preisgestaltung von Therapien gebe es derzeit noch nicht, berichtet Dr.in Ingrid Zechmeister-Koss, MA, Geschäftsführerin des AIHTA, aber: „Es gibt die Übereinkunft aller Beteiligten über ein gemeinsames Ziel: die Gesundheitssysteme der Länder nachhaltig finanzierbar zu halten – und zwar nicht nur im Sinne der Einzelinteressen, sondern auch bezüglich zukünftiger Generationen, denen wir einen guten Zugang zu innovativen Therapien erhalten wollen und müssen.“ Sie wünscht sich auch in diesem Zusammenhang mehr Transparenz: „Pharmaunternehmen betonen beispielsweise oft, dass die hohen Preise u.a. aufgrund der hohen Entwicklungskosten entstehen, übermitteln aber keine genauen Daten bezüglich der Entwicklungskosten, in die ja auch öffentliche Förderungen ein­fließen. Um einen fairen Preis festzulegen, wären vollständige Informationen darüber aber erforderlich.“ Auch beim Zusatznutzen beklagt sie große Datenlücken, die zu Unsicherheit führen – „ohne fundierte Daten können wir beispielsweise nur schwer beurteilen, ob eine Therapie wirklich die Erwartungen erfüllt“, so Zechmeister-Koss.

Risk-Sharing-Modelle wären für sie eine Möglichkeit, wie man einer fairen Lösung für eine Preisgestaltung, bei der das Risiko der Unsicherheit auf breitere Schultern gestellt wird, näherkommen könnte. Hierin sieht Zechmeister-Koss auch einen möglichen Ansatzpunkt, um das Gesundheitssystem nachhaltig finanzierbar zu halten – „etwas, das im Interesse aller liegt“, wie sie betont.

Preis soll Patientennutzen widerspiegeln

Dr. Wolfgang Tüchler, Geschäftsführer von Axxess Healthcare Consulting, sieht die Leistbarkeit ebenfalls als wichtigen Aspekt und unterstreicht zudem, dass jeder Stakeholder eine andere Antwort und Wahrnehmung dazu habe, was faire Preisgestaltung bedeutet. Er plädiert für einen Preis, der den echten Patientennutzen widerspiegelt und nicht den Profitanspruch der Unternehmen oder die Sparbestrebung des Zahlers. „Faktoren, die daher in die Preisgestaltung einfließen sollten, sind in meinen Augen die Leistbarkeit, der belegte medizinische Nutzen, das Risiko bei Erforschung und Entwicklung, Folgebehandlungen sowie die gesellschaft­liche Akzeptanz – hierzu gehört für mich auch, dass die Preisbildung transparent der Öffentlichkeit kommuniziert wird“, ist Tüchler überzeugt.

Transparenz ist auch für Priv.-Doz. Dr. Robert Sauermann, Abteilungsleiter Vertragspartner Medikamente beim Dachverband der Sozialversicherungsträger, ein wichtiger Aspekt. Er wünscht sich mehr Informationen durch die Pharmaunternehmen darüber, wie diese zu der Preissetzung kommen. „Bei einer fairen Preisgestaltung geht es meiner Ansicht nach unter anderem darum, dass Preis und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Neu bedeutet nicht immer auch besser. Wenn ein neues Produkt ähnlich wie ein bestehendes wirkt, ist das vorliegende Preisniveau der entsprechende Anhaltspunkt“, meint Sauermann.

Bei Medikamenten, die Lücken in der Versorgung schließen, gilt es seiner Meinung nach den Zusatznutzen mit dem Preis in ein ange­messenes Verhältnis zu setzen: „Dies ist teilweise schwer darstellbar, auch deswegen, weil bei neuen Therapien der klinische Nutzen und die langfristigen Effekte oft noch unbekannt sind.“ Sauermann plädiert daher in solchen Situationen dafür, einen vorübergehenden Preis für innovative Therapien festzulegen und diesen nach einigen Jahren zu evaluieren und eventuell anzupassen: „Das heißt, wenn wir mehr über die tatsächlichen Effekte, über Langzeitauswirkungen, über die Dosierungen, über Patientenzahlen wissen, wird nochmals über die Preisgestaltung einer Therapie gesprochen. Das fände ich ein faires Vorgehen.“ Auch er sieht Risk-Sharing-Modelle als möglichen Ansatz für die Zukunft und wünscht sich diesbezüglich mehr Mut von den Unternehmen, sich auf solche Modelle auch tatsächlich einzulassen.

Innovationen sollten honoriert werden

Dr. Ronald Pichler, Head of Public Affairs & Market Access bei der PHARMIG, sieht ­hinsichtlich der Preisgestaltung große He­rausforderungen aus der Praxis der österreichischen Sozialversicherung: „Die Erstattungsrealität in Österreich zeigt, dass man beispielsweise bei Zusatzindikationen einer Therapie einen günstigeren Preis anbieten muss – in meinen Augen eine negativ wirkende Sanktion für Innovation, dabei sollten Innovationen eigentlich honoriert werden!“ Gerade in Zeiten wie heute, in denen sich hoch spezialisierte Therapien mehreren ­enger gefassten Indikationen widmen, ­entspricht ein solches Regulativ in Pichlers Augen nicht mehr der Realität der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung. ­Darüber hinaus plädiert er dafür, dass der ­Patienten- und Anwendernutzen bei der Preisgestaltung gewürdigt wird. „Patientenfreundlichere Anwendungen, verbesserte Lebensqualität, weniger Folgeschäden, weniger Nebenwirkungen – solche Aspekte sind relevant für die Bewertung von Therapien und auch für die Preisgestaltung, finden aber bei der Sozialversicherung keine adäquate Berücksichtigung“, bedauert Pichler.

Seiner Ansicht nach wird derzeit in Österreich keine gesamthafte ökonomische Nutzenbewertung durchgeführt und somit auch nicht bei der Preisgestaltung berücksichtigt. Als Beispiel nennt er Einmaltherapien, die die bisherige dauerhafte Behandlung ablösen können: „Wenn eine Erkrankung durch Tabletten therapiert werden kann, wodurch andere Kosten wie Spitalsaufenthalte, Operationen etc. nicht mehr anfallen und es zudem zu einer Verlängerung der Lebensdauer und der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit kommt, sollten auch diese Faktoren bei der Bewertung von Therapien berücksichtigt werden und in die Preisfindung einfließen.“