Plädoyer für integrierte Standortpolitik

Förderungen und Investitionspakete für Unternehmen auf der einen Seite, restriktive Regularien in der Erstattung und damit beim Marktzugang für Arzneimittel auf der anderen Seite prägen die ambivalenten Rahmenbedingungen des Pharmastandortes Österreich. „Silos aufbrechen – das ist nicht nur das Motto des Europäischen Forum ­Alpbach, sondern sehen wir als schlichte Notwendigkeit, wenn wir auf eine integrierte Standortpolitik setzen wollen. Denn nur, wenn es ein abgestimmtes Vorgehen, eine Kooperation auf politischer Ebene gibt, können wir den Wirtschafts-, Industrie- und Forschungsstandort Österreich stärken. Und zwar vor dem Hintergrund der derzeitigen Herausforderungen und nicht nur bezogen auf die pharmazeutische Industrie, sondern auf alle Branchen“, erklärte PHARMIG-Vizepräsident Robin Rumler, der gemeinsam mit PHARMIG-Generalsekretär Alexander Herzog die Veranstaltung „Breaking up silos? – Wie wir zu einer integrierten Standortpolitik kommen“ am 23. August 2022 eröffnete. „Es geht uns darum, am Beispiel unserer Branche aufzuzeigen, welchen Mehrwert ein innerhalb der Politik sowie ein mit der Industrie abgestimmtes Handeln stiftet und wie eine derartige integrierte Standortpolitik ermöglicht werden kann“, ergänzte Herzog.

Bedeutung Österreichs und Europas ausbauen

Die beiden Keynote Speaker, Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher und Novartis Country President Michael Kocher, zeigten zunächst aktuelle Handlungsnotwendigkeiten auf. So betonte Minister Kocher, dass Einzelgänge und ein nationales Ausscheren innerhalb der EU nicht förderlich seien, sondern dass es nur gemeinsam gelingen könne, Österreich und Europa weiter zu stärken. Dabei dürfe das gemeinsame Ziel der Versorgungssicherheit nicht aus den Augen verloren werden. Andernfalls könnten, so Minister Kocher, die Verfügbarkeit und Diversität medikamentöser Therapien und der Erstzugang zu therapeutischen Fortschritten darunter leiden. Wo Unternehmen investieren, hänge laut dem Arbeits- und Wirtschaftsminister von Faktoren wie Sicherheit, Steuern, finanziellen Anreizen für Forschung und Entwicklung sowie von der Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte ab. Österreich und Europa könnten ihre Bedeutung speziell bei hochqualitativen Produkten ausbauen, wobei jedenfalls auch klar sein müsse, dass die Produktion in Europa und in Österreich mit höheren Kosten als anderswo verbunden sei und sich dies natürlich auch auf die Preise der hier erzeugten Produkte auswirke.

Herausforderungen aus Unternehmersicht

Der Chef der österreichischen Niederlassung von Novartis, Michael Kocher, erklärte, dass Gesetze, die einer zeitgemäßen Arbeitskultur hinterherhinken, oder auch ein für grenzüberschreitendes Arbeiten hinderliches Sozialversicherungs- und Steuerrecht den Standort Österreich massiv unter Druck setzen würden. Ebenso der Mangel an Fachkräften, der jedoch viele Branchen und Länder betreffe. Dazu Michael Kocher: „Forschung und Produktion aus Österreich und aus Europa stehen auf dem Prüfstand. Unsere Versorgung steht auf dem Spiel, wenn wir unsere Hausaufgaben nicht machen. Aus Europa kommt nur mehr jede fünfte Behandlung, während jede zweite aus den USA stammt. Lediglich ein geringer Prozentsatz der Wirkstoffe wird noch in Europa produziert, der große Rest in Asien und Indien. Das wird sich nur schwer ändern lassen. Aber was die Stärkung der Forschung oder die bereits in Österreich ansässige Produktion betrifft, so könnten wir mit dem Rekrutieren der besten Talente, dem Schaffen solider Markt- und Produktionsbedingungen sowie mit einem neuen Innovations- und Kooperationsmindset jedenfalls positive Signale setzen.“

Strahlkraft von Forschung

In den drei Arbeitsgruppen, die Teil der Veranstaltung waren, beleuchteten die Teilnehmenden die drei zusammenhängenden Bereiche Forschung, Produktion und Marktzugang. Dabei ging es weniger um eine Abgrenzung, sondern vielmehr um Zusammenhänge und Einflussfaktoren. Was sich bei allen drei Gruppen als Gemeinsamkeit herauskristallisierte, war das Thema Image. So wäre es nötig, schon sehr früh damit zu beginnen, für Forschung zu begeistern und ihre Strahlkraft sichtbar zu machen. Auch die Pharmaproduktion sieht sich in der Notwendigkeit, die Leistungen am Standort noch stärker sichtbar zu machen und über die Herausforderungen in der Arzneimittelentwicklung und -produktion aufzuklären. Das habe auch Auswirkungen auf den Marktzugang im Arzneimittelbereich. „Es geht nur gemeinsam und Aufklärung ist essenziell. Genauso dürfen wir aber auch das große Ganze nicht aus den Augen verlieren. Dann kann das Powerhouse Österreich mit einem starken Pharmastandort nur gewinnen“, so Moderatorin und PHARMIG-Vorstandsmitglied Susanne Erkens-Reck, General Manager von Roche Austria. „Wir setzen auf eine integrierte Standortpolitik, weil wir davon überzeugt sind, dass wir alle – ob in der pharmazeutischen Industrie oder in anderen Branchen, ob in der Wirtschaft, in der Politik, in der Forschung oder auch wir als Individuen – davon profitieren können. Denn ein starker Standort Österreich ist in unser aller Sinne“, fasste Herzog am Ende der Veranstaltung zusammen.

v.l.n.r.: Prof. Dr. Robin Rumler (PHARMIG-Vizepräsident und Geschäftsführer Pfizer Corporation Austria), Mag. Dr. Martin Kocher (Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft), Dipl.-Math. Susanne Erkens-Reck (General Manager Roche Austria), Mag. Alexander Herzog (PHARMIG-Generalsekretär), Dipl.-Chem. Michael Kocher (Country President Novartis Austria) © Foto Gattinger