Alpbach: So begründet der Biontech-Gründer die Impfskepsis

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Der österreichische Immunologe und Mitbegründer des Biotechnologieunternehmens Biontech Christoph Huber und andere Experten diskutierten beim Europäischen Forum Alpbach über die Erhöhung der Impfquote.

Es sei völlig unverständlich, „dass man vergessen hat, dass Impfschutz zu den größten medizinischen Errungenschaften der Menschheit gehört“, sagte Biontech-Mitbegründer Huber im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach. Heute sterbe nicht mehr jedes vierte Kind an einer vermeidbaren Infektionskrankheit, doch das sei „vergessen worden, und das ist nicht gut“, sagte er. Michaela Fritz, Vizerektorin der Medizinischen Universität Wien, ortete ein „Präventions-Paradoxon“: Österreich sei recht rasch und effizient bei den ersten Infektionswelle gewesen und habe glücklicherweise nicht diese Tausenden Toten gehabt, wodurch „diese tiefe Betroffenheit“ fehle. Dadurch würden sich auch lange unfundierte Nutzen-Risiko-Abwägungen halten. Zudem sei der wissenschaftliche Diskurs sehr in die Öffentlichkeit gerückt, und das habe nicht das Vertrauen in die Wissenschaft gestärkt. „Diesen Prozess muss man wieder zurückholen aus der Öffentlichkeit“, sagte Fritz.

Befragt, wie er sich die vielen Menschen erkläre, die sich nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen, meinte Huber bei einer Diskussion zum Thema „Science for life“, dass die Dinge ein bisschen schnell gelaufen seien und wenig Spielraum für eine strukturierte Aufklärung zugelassen haben. Der Industrielle Hannes Androsch, ehemaliger Vorsitzende des Forschungsrats (RFTE), macht „zum Teil verheerende Krisenkommunikation, festgemacht an den verheerenden Auftritten von Impfgegner wie Trump“, für die vielen Impfskeptiker verantwortlich. Dazu seien Streitereien zwischen den Virologen aus Profilierungsneigungen gekommen, „dass da Unsicherheit unter den Menschen entsteht, braucht nicht zu wundern“.

Angesichts der Tatsache, dass in der Pandemie binnen kurzer Zeit Corona-Impfstoffe zur Verfügung standen, die auf jahrzehntelanger Grundlagenforschung basierten, ging es in der Diskussion auch darum, was notwendig sei, damit biomedizinische Forschungsergebnisse leichter und schneller in anwendbare Produkte übergeführt werden können. Einig waren sich die Teilnehmer, dass es dazu Risikokapital brauche, das es in Europa zu wenig gibt. Für Fritz sind aber auch „Mut und die richtigen regulatorischen Rahmenbedingen“ notwendig. Sie habe das Gefühl, „dass wir uns das Leben schwerer als nötig machen“, weshalb viele innovative klinische Studien in China oder den USA ablaufen würden. Notwendig sei ein Innovationsumfeld mit rechtlichen Rahmenbedingungen, die erlauben, „schnell und risikonehmend Studien machen zu können“. Neben finanziellen Rahmenbedingungen sieht Huber auch die Zeit als genauso wichtigen Faktor: „Wenn es eine Chance gibt, Innovation umzusetzen, sind weltweit viele unterwegs. Und es ist völlig sinnlos als 20. über eine Hürde zu springen. Die ersten machen das Rennen.“

Das habe Biontech bei der Entwicklung des Corona-Impfstoffs bewiesen, wie Huber schilderte: Wenige Wochen nachdem am 12. Jänner die Virussequenz offengelegt wurde, habe man im Aufsichtsrat die „Entscheidung gefällt, dieses kühne Unterfangen als kleine Firma in Angriff zu nehmen“ – was sehr risikoreich gewesen sei. Dabei sei das „kein finanzielles, sondern ein medizinisch-humanitäres“ Unterfangen gewesen betonte Huber, „geprägt vom großen Forscher und Firmenleiter Ugur Sahin und seiner Frau Özlem Türeci“. Deshalb plädierte er dafür, der Wissenschaft zu vertrauen: Oft werde das „verzerrt in Richtung reines Gewinnstreben dargestellt, aber das ist es nicht. Ich kenne die Führungsfiguren, das sind Sendungsträger. Dass man Geld damit macht, fein, damit kann man das Vehikel weiterdrehen“. Befragt, wie schnell man einen neuen Impfstoff machen könnte, sollten die aktuellen Vakzine aufgrund eines veränderten Virus nicht mehr wirken, sagte Huber: „Diese Art von Technologie ermöglicht es, innerhalb von wenigen Wochen einen zulassungsfähigen Impfstoff gegen eine Mutante herzustellen.“ Die Zulassungsbehörden hätten lange Erfahrung bei der Zulassung modifizierter Impfstoffe, sie würden das etwa von der Grippeimpfung jedes Jahr kennen. Die Frage sei, ab wann man den Knopf für eine neue Impfstoff-Produktion drücke. Das sei aber „keine Firmenentscheidung, sondern prototypisch ein hoheitliche. Die Zulassungsbehörden haben das schon sehr gut gemacht. Sie werden diesen Zeitpunkt, so er denn kommen möge, auch rechtzeitig erkennen.“ (red/APA)