Apotheker-Präsidentin: „Träumer von mehr Markt müssen erwachen“

(c) Apothekerkammer/Christian Husar

Die Präsidentin der Apothekerkammer, Ulrike Mursch-Edlmayr, fordert als Folge der Corona-Krise ein Umdenken im Gesundheitswesen. Die Abhängigkeit vom Ausland bei Arzneimitteln und Medizinprodukten müsse reduziert werden, sagt sie im RELATUS-Interview: „Ein bedingungsloses ‚Ja’ zur Globalisierung ist falsch.“

Wie sieht Ihre Analyse der Corona-Krise aus? Wo zeigten sich die Stärken und Schwächen des Gesundheitssystems? Seit Ausbruch der Corona-Krise hat sich das Krisenmanagement als sehr gut erwiesen. Die Bilanz fällt überaus positiv aus. Die langsame Lockerung der restriktiven Maßnahmen ist ebenso zu begrüßen wie die Optimierung der Begleitmaßnahmen wie Testmanagement und Zielgruppentestung. Die Apotheker waren und sind sich ihrer Rolle als zentrale Säule des Gesundheitssystems bewusst und agier(t)en dementsprechend. Wir haben sofort reagiert und die notwendigen Maßnahmen gesetzt. Der hohe Arbeitsaufwand mündete nicht selten in 16-Stunden-Arbeitstage der Apothekerinnen und Apotheker. Die Sicherheitsmaßnahmen haben dadurch gewirkt. Die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Beratung konnte aufrechterhalten werden. Dafür ein großes Dankeschön an alle Kolleginnen und Kollegen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Apotheken in der „heißen Phase“ der Corona-Krise essentiell waren. Das geregelte System der bedarfsorientierten Apothekenverteilung ist die richtige Basis. Insgesamt hat sich gezeigt, dass wir ein sehr gutes Gesundheitssystem haben.

Was wird man daraus lernen? Die Gesellschaft muss möglichst krisensicher aufgestellt werden. Gesundheit ist und bleibt öffentliche Aufgabe und muss im Mittelpunkt öffentlicher Handlungen stehen. Für gute Gesundheitssysteme muss entsprechend Geld in die Hand genommen werden. Die Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten muss verbessert werden durch eine Reduktion der Abhängigkeit vom Ausland. Es muss mehr Ware innerhalb der EU produziert und auch gelagert werden. Ein bedingungsloses ‚Ja’ zur Globalisierung ist also falsch. Diese ist zwar prinzipiell wünschenswert, muss aber politisch gelenkt werden. Im Gesundheitsbereich ist ‚Lokalisierung’ notwendig, wie auch in anderen Bereichen der kritischen Infrastruktur. Alle „Träumer von mehr Markt“ – müssen jetzt erwachen. Wir haben durch Corona enorm an Wissen dazugewonnen – die Analysen sind jetzt essenziell.

Was fordern die Apotheker für die Zukunft? Das Gesundheitssystem muss geschützt werden – das ist öffentliche Aufgabe. Die optimale Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten und gesundheitlichen Dienstleistungen stellt einen wesentlichen Teil eines funktionierenden Gesundheitssystems dar. Damit die Apotheken hochwertige Gesundheitsdienstleistungen erbringen können, bedarf es fairer rechtlicher und endlich auch wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Die Rolle der heimischen Apotheken als zentrale Versorgungsstufe ist daher von der Bundesregierung in der Architektur des österreichischen Gesundheitssystems fix zu verankern. Die Forderung nach höchster Qualität, ständiger Verfügbarkeit und bester Beratung bei gleichzeitigem Preisdumping bei Arzneimitteln bringen Apotheken an die Grenzen des Machbaren.

(Das Interview führte Martin Rümmele)