© Sandoz Bei einer Diskussionsveranstaltung forderten Expert:innen entschlossenes politisches Handeln, gezielte Investitionen und bessere Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Life-Sciences-Standort.
Globale Krisen, geopolitische Unsicherheiten und strategische Abhängigkeiten setzen den Life-Sciences-Standort Österreich massiv unter Druck. In den vergangenen 20 Jahren ist der europäische Anteil an globalen F&E-Investitionen um 25 Prozent gesunken, und der Anteil an klinischen Studien zur Arzneimittelentwicklung ist von 22 auf 14 Prozent zurückgegangen. Auch Österreich ist davon betroffen und droht weiter zurückzufallen. Vor diesem Hintergrund diskutierten dieser Tage im Kelsen-Saal des Parlaments führende Vertreter:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie über die Zukunft der Life Sciences in Österreich.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die neue EU-Life-Sciences-Strategie und die geplante österreichische Pharmastrategie. Politikberater Thomas Hofer betonte in seinem Impuls-Statement, dass die politische Kommunikation derzeit stark von Emotionen geprägt sei. Das erschwere notwendige Reformen wie im Bereich der Life Sciences: „Wir leben in einer Zeit der Emokratie. Das bedeutet, dass Emotionen die politische Kommunikation dominieren und sie von Zahlen, Daten und Fakten entkoppeln. Für einen innovationsgetriebenen Sektor, wie die Life Sciences, ist das besonders problematisch, da Fortschritt und Investitionen auf Vertrauen in Wissenschaft und auf langfristige Strategien angewiesen sind.“ Das öffne Falschmeldungen sowie dem Schüren von Ängsten Tür und Tor. „Die Herausforderung für die Politik liegt nun unter anderem darin, den Mut zu haben, positive Visionen zu kommunizieren und den Fortschritt aktiv zu gestalten“, so Hofer.
Monika Rosen, Börsenexpertin und Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft, sieht dringenden Handlungsbedarf und nennt das fehlende Risikokapital als eine der größten Hürden: „Der Gesundheitssektor ist ein zentraler Hebel für den Wirtschaftsstandort Österreich, gerade in Zeiten globaler Unsicherheit. Wir stehen unter massivem Innovationsdruck, während wir Gefahr laufen, zwischen den Supermächten USA und China marginalisiert zu werden.“ Start-ups würden abwandern, sobald sie eine gewisse Größe erreichen, weil ihnen hier die Finanzierungsmöglichkeiten fehlen.
Josef Penninger, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), unterstrich ebenfalls die Bedeutung langfristiger Strategien: „Österreich hat exzellente Köpfe und Ideen, aber wir trauen uns zu wenig. Es fehlt schlicht der Mut, groß zu denken. In den USA wird eine gute Idee sofort finanziert, in Europa muss man sich durch endlose Formalitäten kämpfen. Das bremst Innovation.“ In den USA investieren Pensionsfonds und große Versicherungen Milliarden in Forschung und Biotechnologie, weil sie langfristig denken. In Europa seien laut Penninger die Summen verschwindend gering.
Pavol Dobrocky, Präsident des Pharmaverbandes Pharmig und Geschäftsführer von Boehringer Ingelheim RCV, betonte wie wichtig die richtigen Rahmenbedingungen sind, damit pharmazeutische Unternehmen bei der globalen Suche nach neuen Standorten auch Österreich in Betracht ziehen: „China hat die Life Sciences als Schlüsselpriorität festgelegt und stellt enorme Mengen an Venture Capital bereit.“ Anreize dieser Art seien entscheidend. „Österreich verfügt über großes Potenzial in Forschung und Produktion, mit einer starken Wissenschaftslandschaft und attraktiven Standortbedingungen. Es muss sich aber im internationalen Wettbewerb behaupten. Dafür brauchen wir eine Life-Sciences-Strategie, die gezielt Forschung, Produktion und Marktzugang fördert. Nur mit mutigen Reformen, effizienteren Strukturen und attraktiven Rahmenbedingungen können wir wettbewerbsfähig bleiben, innovative Therapien in die Versorgung bringen und unseren Anteil am Weltmarkt sichern“, so Dobrocky. Eine nationale Life-Sciences-Strategie dürfe keinesfalls isoliert gedacht werden, betonte Matthias Heck, Senior Advisor beim europäischen Verband der pharmazeutischen Industrie für innovative und spezialisierte Therapien (EUCOPE), und plädierte für einen ganzheitlichen Ansatz: „Europa hat mit der neuen Life-Sciences-Strategie einen bedeutenden Schritt nach vorne gemacht.“ Ziel einer solchen Strategie sei es laut Heck nicht, der Industrie Gefälligkeiten zu erweisen, „sondern Innovationskraft zu stärken und die Zukunft unserer Sozialsysteme zu sichern.“ (rüm)