Frauengesundheit: Tabus mit ernsten Folgen   

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Mittwoch ist Aktionstag für Frauengesundheit. Expert:innen fordern Gerechtigkeit, bessere Diagnostik und mehr Aufklärung. Noch immer herrschen Tabus sowie zu viel Unwissenheit und Scham. 

Zum Internationalen Aktionstag für Frauengesundheit am 28. Mai heben Expertinnen aus Medizin und der Gewerkschaft die Benachteiligung von Frauen im Gesundheitssystem hervor. Frauen sind in ihren Lebensphasen mit unterschiedlichen gesundheitsrelevanten Einflüssen konfrontiert, die sich maßgeblich auf ihre Gesundheit auswirken können. Unterschiedliche biologische Dispositionen wie der Hormonhaushalt und der Stoffwechsel tragen dazu bei, dass Erkrankungen oft mit anderen Symptomen auftreten als bei Männern. Im Unterschied zu Männern haben Frauen häufig andere Erkrankungsrisiken und Krankheitsverläufe, ein anderes Gesundheitsverhalten und werden aufgrund von geschlechterstereotypen Zuschreibungen oft unzutreffend diagnostiziert, erklärt Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ). Eine aktuelle Umfrage, die von Marketagent im Auftrag von Ketchum für GYNIAL durchgeführt wurde, zeigt, dass sich 81 Prozent der Frauen im Gesundheitssystem weniger ernst genommen fühlen als Männer.

Die Förderung von Frauengesundheit sei unverzichtbar und finde daher auch einen Schwerpunkt im Regierungsprogramm, betont Schumann. So ist vorgesehen, den Aktionsplan Frauengesundheit zu überarbeiten, insbesondere mit neuen Schwerpunkten zu Wechseljahren, Menstruationsgesundheit und Endometriose. Um Frauen wissenschaftlich fundiert auf die Wechseljahre vorzubereiten bzw. bei der Bewertung von Angeboten zu unterstützen, werden derzeit von Gesundheitsministerium, GÖG und AGES alle verfügbaren, evidenzbasierten Informationen zusammengetragen.

Christa Hörmann, ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende, fordert im Vorfeld des Aktionstages mehr Investitionen in gendersensible Gesundheitsversorgung. Gendermedizin müsse verpflichtend in Forschung und Praxis integriert werden, da Frauen andere Symptome zeigen und anders auf Medikamente reagieren. Nur mit flächendeckenden Modellregionen wie in Kärnten sei Chancengleichheit erreichbar. Zusätzlich verlangt der ÖGB unter anderem kostenfreie Monatshygieneprodukte sowie mehr Kassenstellen für Gynäkologie.

Auch der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP) mahnt mehr Sensibilität für frauenspezifische Bedürfnisse ein – etwa bei AD(H)S-Diagnosen. Frauen zeigen andere Symptome als Männer und werden häufig fehldiagnostiziert. Die Zahl der ADHS-Medikamentenverschreibungen hat sich zwar stark erhöht, doch fehlt es an ausreichender klinisch-psychologischer Diagnostik. Um dem Bedarf gerecht zu werden, fordert der BÖP einen Ausbau der Kapazitäten sowie mehr Zuweisungskompetenz für Klinische Psycholog:innen. Selbstdiagnosen über soziale Medien seien keine Lösung, mahnte Präsidentin Beate Wimmer-Puchinger.

Die GYNIAL-Studie zeigt zudem, wie tabuisiert Intimgesundheit in Österreich noch ist. Nur jede zweite Frau empfindet gynäkologische Vorsorge als selbstverständlich, viele meiden Besuche bei Ärzt:innen aus Scham oder Unsicherheit.  Besonders junge Frauen haben Schwierigkeiten, offen über Sexualität und Beschwerden zu sprechen. Fast die Hälfte empfindet es als unangenehm, Intimprodukte zu kaufen oder mit Freund:innen über Beschwerden zu reden. Der Aufklärungsbedarf ist enorm: 72 Prozent der Frauen wünschen sich mehr Informationen zu Intimbeschwerden, 92 Prozent fordern, dass Männer besser über Frauengesundheit informiert werden. Gleichzeitig wissen nur 12 Prozent genug über HPV – trotz kostenloser Impfung für junge Menschen. (kagr/rüm)