Europas Bevölkerung lebt länger, doch immer mehr Menschen sind krank. Ein neuer EU-Bericht zeigt: Soziale Ungleichheiten in Gesundheit sind ein drängendes Problem – auch in Österreich.
Im europäischen Durchschnitt gibt rund ein Drittel der Bevölkerung an, in weniger als guter Gesundheit zu leben. In Österreich ist die Situation auf den ersten Blick günstiger. Viele Menschen bewerten ihre Gesundheit positiv, doch beim genaueren Hinsehen offenbart sich ein alarmierendes Muster: Von Verbesserungen profitieren fast ausschließlich die höher Gebildeten, heißt es in einem neuen Bericht von EuroHealthNet und Centre for Health Equity Analytics (CHAIN). Zwischen 2014 und 2024 ist der Anteil der Menschen mit guter Selbstwahrnehmung der Gesundheit in Österreich insgesamt gestiegen. Doch während die oberen Bildungsgruppen deutliche Zugewinne verzeichnen, bleiben Menschen mit niedriger Bildung zurück. Der Bericht beschreibt Österreich deshalb als Land, in dem Gesundheitsgewinne die Ungleichheiten verschärfen. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Deutschland.
Andere Länder beweisen, dass es auch anders geht: Slowenien und Polen konnten sowohl die allgemeine Gesundheit verbessern als auch die Lücke zwischen den Bildungsgruppen verkleinern. Dagegen verzeichnen Belgien, Norwegen und Litauen die schlechteste Entwicklung – dort sinkt die Gesundheit insgesamt, während die Ungleichheiten wachsen.
Besonders brisant für Österreich ist auch die psychische Gesundheit. Der Bericht zeigt: Zwar haben sich die Werte im europäischen Schnitt wenig verändert, doch die Kluft zwischen Berufsgruppen nimmt zu. Österreich reiht sich hier in die Gruppe der Länder ein, in denen sich die psychische Gesundheit zwar insgesamt verbessert, die Zugewinne aber stärker bei den oberen Berufsgruppen liegen. Länder wie Ungarn und Slowenien hingegen schaffen es, mentale Gesundheit in allen Gruppen zu stabilisieren oder zu verbessern und gleichzeitig die Unterschiede zu verringern.
Für Österreich bedeutet das: Das Gesundheitssystem allein kann die Gräben nicht schließen. Entscheidend sind Einkommen, Arbeitsbedingungen, Wohnen und Bildung – also die sozialen Determinanten. Expert:innen fordern, dass Prävention und Gesundheitsförderung gezielter auf benachteiligte Gruppen zugeschnitten werden. Gesundheit sei ein Gradmesser sozialer Gerechtigkeit. Österreich gehört zwar nicht zu den Schlusslichtern Europas, doch ohne konsequente Strategien gegen wachsende Ungleichheiten droht ein Auseinanderdriften von privilegierten und benachteiligten Gruppen – mit Folgen für Gesellschaft, Wirtschaft und Versorgungssystem. (rüm)
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