© SALK/Neumayr In den Bundesländern mehren sich Stimmen, die Gesundheitsagenden an den Bund abzugeben. Das könnte die komplexe duale Finanzierung des Systems aufbrechen. Es gibt aber viele offen Fragen.
Die Salzburger Landeshauptfrau Karoline Edtstadler (ÖVP) hat sich am Wochenende dafür ausgesprochen, dass die gesamten Gesundheitsagenden – inklusive der Spitäler – in die Kompetenz des Bundes übergehen. Dort könnten sie zentral besser gesteuert und geplant werden, sagte Edtstadler am Samstag im „Ö1-Mittagsjournal“. Im Gegenzug könnten die Länder die Kompetenz für den Bildungsbereich gänzlich übernehmen, so die Salzburger Landeshauptfrau. Anzeichen für einen derartigen Meinungsumschwung gab es zuletzt mehrfach – auch der Gemeindebund gab vergangene Woche bekannt, dass man sich aus dem Gesundheitsbereich zurückziehen möchte. Hintergrund ist, dass die Krankenversicherungen den niedergelassenen Bereich finanzieren und planen und für die Spitäler nur einen gedeckelten Beitrag ihrer Einnahmen zahlen – unabhängig von den dortigen Leistungen und den tatsächlichen Kosten. Mehr als die Hälfte des Spitalsbereiches und alle Verluste aus diesem Bereich zahlen Länder und Gemeinden.
Offen für einen derartigen Kompetenz-Abtausch zeigt sich auch der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). „Ich bin da durchaus offen. Wir können uns auch größere Reformverschiebungen vorstellen. Aber dann muss auch klar sein, dass wir Möglichkeiten brauchen, die Aufgaben zu erfüllen“, meinte Stelzer gegenüber der „Presse“. In den Reform-Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sieht er allerdings „noch kein Licht am Ende des Tunnels“ und drängt auf mehr Tempo. Die Verantwortung sieht er beim Bund. Bund, Länder und Gemeinden wollen sich im Rahmen der im Juni angestoßenen Reformpartnerschaft 18 Monate Zeit nehmen, um eine größere Verwaltungsreform zustande zu bringen.
Eine Absage kam dagegen von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Er sprach sich beim Themenrat der SPÖ am Samstag dagegen aus, große Würfe in den Raum zu stellen, die „sehr unrealistisch umzusetzen sind.“ Wien habe ein sehr gutes Gesundheitswesen, in den nächsten Jahren sollen 3,3 Milliarden Euro in den Ausbau und die Verbesserung der Spitalsinfrastruktur investiert werden. „Ich frage mich, welche Gebietskörperschaft das in Zukunft übernehmen würde, wenn nicht Wien als Bundesland.“ Zudem plädierte er erneut für seinen Vorschlag von Gesundheitsregionen, in denen über Bundesländergrenzen hinweg zusammengearbeitet werden könne.
Reserviert reagierten auch Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) und Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner (ÖVP). Man müsse sich zunächst einmal die Möglichkeiten, die in Reformen in den Bereichen Bildung und Gesundheit liegen, „genau anschauen“, sagte Mattle am Rande einer Parteiveranstaltung in Alpbach. Er verschließe sich nicht „großen Reformen“, aber: „Man muss sich schon die jeweilige Situation anschauen. Wir in Tirol müssen auch darauf achten, dass wir die kleinteiligen Strukturen am Land halten können. Ob in der schulischen oder medizinischen Versorgung.“ Bei der „Zentralisierung der Gesundheitskasse“ habe er etwa „nicht den großen Vorteil für Tirol festgestellt.“ Auch Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) bremste. „Mir ist es wichtig, dass wir aus den Erfahrungen der überhastet durchgezogenen Reform der Sozialversicherung und ihren negativen Auswirkungen lernen“, so Schumann. Reformen seien notwendig, aber müssten gemeinsam erarbeitet und gemeinsam getragen werden. Oberstes Ziel sei stets die beste gesundheitliche Versorgung für alle Menschen.
Aus der Bundes-ÖVP kommt hingegen Zustimmung zum Edtstadler-Vorstoß, was darauf hindeutet, dass er kein Alleingang der Landeshauptfrau war. „Als Volkspartei ist es uns wichtig, dass immer die politische Ebene für eine Aufgabe zuständig ist, die diese am besten und effizientesten im Sinne der Bürgerinnen und Bürger erfüllen kann. Daher muss jede Reform und jede Kompetenzverschiebung im Gesundheitsbereich einzig und alleine dem Wohle der Patienten dienen. Wenn die Länder im Zuge der laufenden Gespräche zur Reformpartnerschaft gemeinschaftlich zum Schluss kommen, dass die Gesundheit auf Bundesebene effizienter organisiert werden kann, sind wir als ÖVP auch auf Bundesebene offen, über eine Kompetenzübernahme im Gesundheitsbereich oder eine Entflechtung der Kompetenzen im Bildungsbereich im Sinne der Schülerinnen und Schüler zu reden“, betont der Generalsekretär der Volkspartei, Nico Marchetti. Die Zeiten seien schwierig, daher dürfe es auch keine Denkverbote geben. (rüm/APA)