Hypertonie: Empfehlung für neue Strategie

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Die Europäische Gesellschaft für Hypertonie veröffentlichte neue Empfehlungen für eine erfolgreiche Bluthochdruck-Therapie.

„Die Hypertonie ist das weltweit am meisten verbreitete Herz-Kreislauf-Problem. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind davon 1,28 Milliarden Menschen im Alter zwischen 30 und 79 Jahren betroffen“, heißt es von den Fachleuten der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie (ESH). Bluthochdruck ist ein Hauptrisikofaktor für Herzleiden wie Infarkte, aber auch für Nierenschäden und Schlaganfälle. Damit die europäischen Gesundheitssysteme bestmögliche Therapien finden, hat die ESH nun ihre Leitlinien angepasst. Auslöser war unter anderem eine Diskussion rund um die Zielwerte. In den USA wurden diese nämlich von 140/90 mmHg auf 130/80 mmHg heruntergesetzt. In den neuen europäischen Leitlinien liegt der Zielwert nach wie vor bei 140/90 mmHg, allerdings gibt es einen neuen Zusatz: Auch wenn der Zielwert erreicht ist, soll der Blutdruck wenn möglich auf unter 130/80 mmHg gesenkt werden.

„Es hat Vorschläge gegeben, die Definition bzw. die Zielwerte erneut zu ändern. Vor allem deshalb, weil auch eine Senkung des Blutdrucks auf sehr niedrige Werte positiv sei. Aber nach Durchsicht der wissenschaftlichen Beweislage konnten wir uns dem nicht anschließen. Wir stehen zu einer Definition der Hypertonie, ab der eine Intervention auf jeden Fall einen Nutzen bringt, statt nichts zu tun oder gar Schaden zu verursachen“, sagte Reinhold Kreutz von der Charité Berlin gegenüber dem Ärzte-Informationsportal Medscape. „Das Problem liegt darin, dass bei einem Blutdruckziel von unter 130 mmHg die Beweislage dünner wird. Der Nutzen wird geringer. Wir riskieren dafür, Patient:innen wegen der Nebenwirkungen (…) zu verlieren. Bei jüngeren und fitten Patient:innen empfehlen wir einen möglichst niedrigen Blutdruck, aber nicht unter 120 mmHg.“

Neu ist auch die Empfehlung, regelmäßig zuhause Blutdruck zu messen und blutdruckregulierende Tabletten schon in der Früh zu sich zu nehmen, da es am Abend anscheinend oft vergessen wird. Bei der Auswahl der Medikamente stehen Präparate aus fünf Substanz- und Wirkprinzipklassen zur Verfügung (ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorblocker, Entwässerungsmittel/Diuretika, Beta-Blocker und Kalziumantagonisten). Gleich von Beginn an sollte eine Kombination von zwei dieser Wirkstoffklassen verwendet werden: ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker plus ein Thiazid-Entwässerungsmittel oder einen Kalziumantagonisten. Reicht das nicht aus, sollte eine Dreifach-Kombination (z.B. plus Beta-Blocker) angewandt werden. „Wir können bei 60 Prozent der Patient:innen mit Bluthochdruck die Hypertonie mit einer Zweifach-Kombination unter Kontrolle bringen, bei 90 Prozent mit einer Dreifach-Kombination. Nur ein kleiner Teil der Betroffenen benötigt vier Wirkstoffe“, erklärt Kreutz.

Grundsätzlich bleiben die empfohlenen Blutdruckwerte in der neuen Empfehlung gleich: Optimal wäre ein Blutdruck von weniger als 120 mmHg systolisch und weniger als 80 mmHg diastolisch. Als normal werden 120 bis 129 mmHg und 80 bis 84 mmHg bezeichnet. 130 bis 139 und/oder 85 bis 89 mmHg gelten als „hochnormal“. Eine Hypertonie ersten Grades liegt bei 140 bis 159 mmHg und/oder 85 bis 89 mmHg vor – ab diesem Wert sollte bei Personen unter 80 Jahren eine medikamentöse Behandlung gestartet werden. Bei Frauen – die häufiger von Hypertonie betroffen sind – sollte man schon bei 130/80 mmHg aufmerksam werden, empfehlen die Expert:innen. 160 bis 179 mmHg und/oder 100 bis 109 mmHg bedeuten eine Hypertonie zweiten Grades – hier sollte die Behandlung für Personen über 80 Jahre beginnen – sowie mehr als 180 mmHg und/oder mehr als 110 mm (diastolisch) dann einen Bluthochdruck dritten Grades. (kagr/APA)