Medikamenten-Engpässe werden zum Dauerbrenner

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Im vergangenen Winter verzeichnete Österreich neuerlich einen spürbaren Mangel an Medikamenten, moniert die Ärztekammer. Sie fordert auf nationaler und europäischer Ebene politische Maßnahmen.

Das Problem des gehäuft und längerfristig auftretenden Medikamentenmangels ist nach Ansicht von Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), mittlerweile zum Dauerbrenner geworden – wie auch Lieferengpässe bei Arzneien. Diese Missstände würden Österreich inzwischen in einem Ausmaß beschäftigen, „das es in einem der reichsten Länder der Welt nicht geben dürfte“, konstatierte der ÖÄK-Präsident am Mittwoch bei einem Pressetermin. Besonders irritierend sei dabei, dass es sich vielfach um Medikamente handle, deren steigender Bedarf in der winterlichen Erkältungsperiode absehbar sei, was die Versorgung eigentlich gut planbar machen sollte.

Für den Ärztevertreter ist es denn auch höchste Zeit, „dass sich die Politik dieses Problems annimmt und es auf der Liste gesundheitspolitischer Themen deutlich priorisiert“. Kritik kommt in diesem Zusammenhang auch ganz konkret an Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Steinhart: „Obwohl jeder wusste, dass es im Winter wieder zu einer Corona- und Grippewelle kommen würde, hat es der Minister längere Zeit nicht geschafft oder nicht für nötig befunden, für ausreichend verfügbare Corona- und Grippeimpfstoffe sowie für das Corona-Medikament Paxlovid zu sorgen”.

Die To Do-Liste für die politisch Verantwortlichen ist jedenfalls lang. Strukturell hauptsächlich für die Probleme der adäquaten Medikamtentenversorgung verantwortlich sei die Auslagerung von Produktionsstätten aus Europa in kostengünstige Länder wie China oder Indien. Eine weitere Ursache für die Misere seien Parallelexporte, unterstreicht Steinhart: „Medikamente haben in Europa nicht überall den gleichen Preis. Parallelhändler machen sich Preisunterschiede zu Nutze, indem sie in einem Land Arzneimittel günstig einkaufen und diese in einem anderen EU-Land teurer verkaufen. Österreich, das im EU-Schnitt als Niedrigpreisland gilt, hat dabei das Nachsehen.” Bei länger auftretenden Versorgungsengpässen stehe die Politik in der Pflicht. „Sie muss im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger ausreichend medikamentös versorgt werden können.“

Dieses Ziel gelte es auf nationaler und europäischer Ebene zu verfolgen. „Dazu gehört die Bereitschaft zu Investitionen in die europäische Produktion von versorgungsrelevanten Arzneimitteln. Europa muss bei der Medikamentenversorgung endlich unabhängig von anderen Märkten, insbesondere Asien, werden“, ergänzt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. „Fast 70 Prozent jener Produktionsstätten, die den europäischen Markt mit Medikamenten versorgen, liegen in Asien. Das bedroht unsere Versorgungssicherheit. Europa muss seinen Bedarf selbst decken.” Noch im Jahr 2000 seien 59 Prozent der Wirkstoffe aus Europa gekommen, erinnert Mayer. Dass es sehr wohl auch anders geht, zeige die jüngste Eröffnung der neuen Produktionsanlage zur Herstellung von Penicillinen im Tiroler Ort Kundl. „Das ist ein wichtiger Schritt für die Medikamentenversorgung in Österreich und stärkt den Wirtschaftsstandort”.

Unterstützung für die umfangreichen Anliegen der Ärzteschaft kommt vom Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig). Europäische Medikamentenproduktion werde Geld kosten, beim Auf- und Ausbau von Werken als auch bei den Produkten selbst. „Gleichzeitig schafft die Arzneimittelproduktion Arbeitsplätze, Vor-Ort-Investitionen und generiert damit wieder Wertschöpfung. Es wäre in vielerlei Hinsicht sinnvoll, hier die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen”, erklärte Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig in einer Aussendung. (ehs)