Neue Debatte über Selbstbehalte

Symbolbild © PID/Wigev

Laut einer Umfrage sind Menschen in Österreich mehrheitlich für eine Ambulanzgebühr. Lediglich SPÖ-Wähler:innen sind gegen einen entgeltlichen Spitalsbesuch. Die Studienlage ist unklar.

Angesichts überfüllter Spitäler und Ambulanzen sind 57 Prozent der Österreicher:innen für die Einführung einer Ambulanzgebühr, wenn Notfälle ausgespart bleiben. 37 Prozent sind dagegen. Das geht aus einer OGM-Umfrage für den „Kurier“ hervor. Nach Parteipräferenzen aufgeschlüsselt, hätte die Maßnahme unter ÖVP-Wähler:innen mit 82 Prozent die höchste Zustimmung. Laut der Umfrage (1.027 online befragte wahlberechtigte Österreicher:innen über 16, Schwankungsbreite +/- 3,1 Prozent) sind auch Wähler:innen der NEOS (65 Prozent) sowie der FPÖ und der Grünen (je 60 Prozent) dafür. Ablehnung gibt es lediglich bei deklarierten SPÖ-Wähler:innen (54 Prozent).

„Es ist bemerkenswert, dass sich die Mehrheit der Menschen für eine Einführung ausspricht“, meinte OGM-Chef Wolfgang Bachmayer angesichts der Umfragedaten. Noch Anfang des Jahres hätten sich 41 Prozent gegen eine Ambulanzgebühr ausgesprochen, nun seien es 37 Prozent. In den Jahren 2001 bis 2003 gab es in Österreich bereits eine Ambulanzgebühr in Höhe von bis zu 250 Schilling (18,17 Euro), nach zwei Urteilen des Verfassungsgerichtshofs wurde sie wieder abgeschafft. Eines der Probleme war die hohe Zahl an Ausnahmen: Laut Sozialversicherung waren fast 93 Prozent der Fälle in den Ambulanzen von der Gebührenpflicht ausgenommen – die Kosten der Verwaltung überstiegen somit die Einnahmen um ein Vielfaches.

Unter Expert:innen sind Selbstbehalte umstritten. Die Frage ist dabei, was das Ziel von Selbstbehalten ist. Geht es um eine zusätzliche Finanzierung oder um die Lenkung des Verhaltens? Ist das Ziel, Einnahmen für das System zu erzielen, die nicht von Arbeitergeber:innen und Arbeitnehmer:innen getragen werden, sind Selbstbehalte eine Möglichkeit. Bei Medikamenten, die weniger als die Rezeptgebührengrenze von 7,55 Euro pro Packung kosten, beträgt der Selbstbehalt schon jetzt 100 Prozent. Internationale Studien warnen aber, dass Selbstbehalte zur Verschärfung von gesundheitlichen Ungleichheiten führen.

Gesundheitsausgaben, die aus eigener Tasche zu zahlen sind, bringen eine wachsende Anzahl von Menschen in finanzielle Nöte, zeigte im Frühjahr 2024 eine Studie des Instituts für höhere Studien. Hohe Selbstbehalte fallen schwer ins Gewicht – vor allem bei ohnehin kranken Menschen. Insgesamt hat sich in Österreich der Anteil der Haushalte, die durch Gesundheitsausgaben verarmen, zwischen 2004 und 2019 auf 2,8 Prozent verdoppelt. Positive Lenkungseffekte durch Selbstbehalte sind international durch keine Studien belegt – wer krank ist, geht dennoch zum Arzt. Wer es sich nicht leisten kann, geht nicht oder später zum Arzt. Die Folge: Die Kosten steigen, weil eine Krankheit später behandelt wird. (rüm/APA)