ORF-Gehälter und die Fragen im Gesundheitswesen

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Der erste Transparenzbericht des ORF sorgt für Aufregung bei der privaten Medienkonkurrenz und Neiddebatten. Dabei zeigen die Beispiele auch Lücken im Gesundheitswesen auf.

Per Gesetz wurde der ORF verpflichtet, bis spätestens Ende des ersten Quartals dieses Jahres zu veröffentlichen, wer beim Öffentlich-Rechtlichen mehr als 170.000 Euro brutto im Jahr verdient. Am Dienstag ist der ORF dem nachgekommen. Bereits davor hat die private Medienkonkurrenz die Daten über Gagen (brutto, inkl. Zulagen und Überstunden) von bis zu 440.000 Euro pro Jahr geleakt und damit eine Neiddebatte über den von ihnen ungeliebten ORF entfacht. Dabei muss man Zahlen über Einkommen in Österreich ganz generell zum Anlass nehmen, um über die Situation im Gesundheitswesen zu diskutieren.

Erstens: Spitzenkräfte im Krankenhaus kommen in Österreich etwa auf 200.000 Euro pro Jahr (brutto, inkl. Zulagen und Überstunden), hat das IHS zuletzt auf Basis von Daten aus dem Jahr 2020 errechnet. Die Spitzenverdiener:innen unter Kassenärzt:innen kommen laut dieser Analyse auf maximal 400.000, müssen davon aber auch noch Personal und Ordination bezahlen.

Zweitens: So hoch auch die Gagen der ORF-Leute – oder auch anderer Spitzenverdiener:innen – sind, durchgerechnet machen 440.000 Euro brutto ein Monatsgehalt von rund 16.000 Euro netto aus. Was auffällt: Dienstnehmer:in und Dienstgeber:in zahlen dabei zusammengerechnet nicht einmal 2.400 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen pro Monat. Das liegt daran, dass von den rund 31.400 Euro brutto pro Monat aufgrund der Höchstbeitragsgrundlage nur für aktuell 6.060 Euro Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden müssen. Alles was darüber verdient wird, ist sozialversicherungsfrei. In den meisten Fällen betrifft das aufgrund des Gender-Gap übrigens Männer.

Drittens: Eine weitere Schieflage im Sozialversicherungssystem hat zuletzt die Volksanwaltschaft kritisiert: Wenn man Medikamente verschrieben bekommt, muss man in der Apotheke 7,10 Euro pro Schachtel Rezeptgebühr bezahlen. Klingt nicht nach viel, aber da kann bei chronisch Kranken und alten Menschen ganz schön viel zusammenkommen. Deshalb gibt es für Menschen mit sehr wenig Geld eine komplette Rezeptgebührenbefreiung, und für andere Menschen eine jährliche Obergrenze: Sobald sie 2 Prozent ihres Netto-Einkommens für Rezeptgebühren ausgegeben haben, sind sie für den Rest des Jahres befreit. Verschriebene Medikamente – meist Generika – zählen nicht, wenn ihr Preis niedriger als die Rezeptgebühr ist. Und, um es noch komplizierter zu machen: Sie zählen auch dann nicht, wenn der sogenannte Kassenpreis, also der Rabatt-Preis, den die Krankenversicherung der Apotheke zahlt, niedriger als die Rezeptgebühr ist. In diesen Fällen haben Patient:innen den Privatverkaufspreis zu zahlen.

Zusammengenommen zeigt das: Chronisch Kranke, alte Menschen, Frauen und die meisten Gesundheitsbeschäftigten sind deutlich schlechter gestellt als gutverdienende Männer in anderen Bereichen. DAS sollte ernsthaft und vor allem rasch diskutiert werden. (rüm)