© RH/Achim Bielek Der Rechnungshof drängt auf die Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung der Gesundheitskasse. Weder die selbstgesteckten Ziele, noch ausgeglichene Finanzen seien seit der Fusion erreicht worden.
Der Rechnungshof (RH) hat am Freitag jenen Bericht vorgelegt, der wegen der Empfehlung zur Entmachtung der Landesärztekammern schon in der Rohversion im Sommer für Aufsehen gesorgt hatte. Auch im jetzigen Endbericht ist dies enthalten, um den Abschluss eines österreichweiten Gesamtvertrags zwischen Kasse und Ärzten zu erleichtern. Der RH kritisiert, dass ein moderner, bundeseinheitlicher Gesamtvertrag zwischen ÖGK und der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) seit 2019 nicht erreicht wurde. Dieser wäre jedoch im Sinne der Leistungsgerechtigkeit, Systemakzeptanz und Steuerung wichtig, schreiben die Prüfer:innen in einer Pressemitteilung.
Die Kritik geht aber tiefer. „Die finanziellen Rahmenbedingungen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) stehen im Spannungsfeld zum Ziel, die Leistung im ambulanten Bereich auszubauen.“ Gleichzeitig sei von 2019 bis 2023 die Zahl der besetzten Planstellen bezogen auf die Bevölkerung in der Allgemeinmedizin um 5,1 Prozent zurückgegangen. Bereits im Zeitraum 2009 bis 2019 war hier ein Rückgang von 10,2 Prozent zu verzeichnen. „Der Aufbau von Primärversorgungseinheiten gewann zwischen 2019 und 2023 an Dynamik, ihre Versorgungswirkung war 2023 jedoch mit 5,2 Prozent der Bevölkerung noch gering.“
Gefordert wird deshalb eine nachhaltige Finanzierung der ÖGK. „Bisher konnten weder die Versorgungsziele des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) für die Versicherten eingehalten noch ausgeglichene Finanzen erreicht werden“, so das ernüchterte Fazit des RH zu der Prüfung, die die Jahre 2018 bis 2023 umfasst. Die finanzielle Lage der ÖGK habe sich in diesem Zeitraum deutlich verschlechtert, mit einer von der Kasse selbst bis 2029 erwarteten „weiteren drastischen Verschlechterung“.
Eine nachhaltige Finanzierung müsse sichergestellt werden. Angesichts der Herausforderungen in Versorgung und Finanzierung sei deshalb die zeitnahe Neuregelung der Zahlungsströme für den spitalsambulanten und niedergelassenen Bereich nach dem Prinzip „Geld folgt Leistung“ unabdingbar. „Damit sollen die verfügbaren Finanzressourcen optimiert und unzweckmäßige Leistungsverschiebungen vermieden werden“, pochte der RH auf die Verflechtung der Gebarung der ÖGK mit jener des Bundes, der Länder und der übrigen Sozialversicherungsträger.
Im ärztlichen Bereich würden die gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Verhandlungslösung erschweren, weil die Zustimmung nicht nur der Österreichischen Ärztekammer, sondern jeder Landesärztekammer notwendig sei. Der Rechnungshof empfiehlt daher dem Gesundheitsministerium, eine Regierungsvorlage zur Änderung der Rahmenbedingungen für den gesetzlich vorgesehenen einheitlichen Gesamtvertrag vorzubereiten, etwa mit einem Entfall der Zustimmung der einzelnen Landesärztekammern.
Den Prüfer:innen geht es zudem um die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten durch kassenfinanzierte Sachleistungen. Der Rechnungshof empfiehlt, insbesondere in den Bereichen Dermatologie, Frauenheilkunde und Psychiatrie auf eine ausreichende Sachleistungsversorgung zu achten, denn hier war der Anteil der wahlärztlichen Versorgung vergleichsweise besonders hoch. Insgesamt bestehe „umfassender Handlungsbedarf“, so der RH, denn die ÖGK-Versicherten wendeten bereits erhebliche private Mittel für Wahlärzt:innenauf. Im Jahr 2020 seien bei der ÖGK Wahlarzt-Rechnungen in der Höhe von 369,04 Millionen Euro eingereicht worden, bis 2023 war der Betrag auf 551,45 Millionen Euro gestiegen. Erstattet wurden im Jahr 2023 208,85 Millionen Euro, 16 Prozent der Aufwendungen für den niedergelassenen Bereich. Aus Sicht des Rechnungshofes besteht ohne Gegenmaßnahmen das Risiko, dass der Wahlarztbereich weiter steigt und Lücken in der Sachleistungsversorgung entstehen könnten.
Er hält es nicht für zweckmäßig, Selbstbehalte mit Verweis auf soziale Überlegungen zu vermeiden, aber gleichzeitig das Entstehen von Lücken in der Sachleistungsversorgung in Kauf zu nehmen. Stattdessen wären private Zahlungen von Patient:innen in das Versorgungssystem nach finanziellen, administrativen, versorgungspolitischen und sozialen Kriterien optimal zu gestalten. Der Rechnungshof hatte bereits im Jahr 2021 einen Bericht zur Ärztlichen Versorgung im niedergelassenen Bereich veröffentlicht. Darin hatte er unter anderem ein systematisches und flächendeckendes Wartezeiten-Monitoring empfohlen, umgesetzt wurde es jedoch nicht, so die Prüfer:innen.
Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) sah in einer Aussendung den strukturellen Reformbedarf bestätigt. Das empfohlene Zurückdrängen der Ärztekammern lehnte sie ab: „Einem Partner im Gesundheitswesen medial auszurichten, diesen per Gesetz zu entmachten, ist respektlos und nicht mein Stil.“ Auch Selbstbehalten erteilte sie eine Absage. Man wolle „nicht die medizinische Versorgung für alle verteuern, sondern den privaten Sektor zurückdrängen“. (rüm/APA)
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