Sterbehilfe ab 2022 möglich – mit zentraler Rolle für Apotheken

Alma ZadicJustizministerin Alma Zadić Foto: BKA

Die Regierung hat nun eine Regelung für den assistierten Suizid vorgelegt. Nötig wurde das nach einem VfGH-Urteil. Die Rückmeldungen aus dem Gesundheits- und Pflegebereich sind positiv. RELATUS zeigt die Details.

Die Regierung hat sich auf eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe in Österreich geeinigt. Wer Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen will, kann ab 2022 eine Sterbeverfügung errichten – ähnlich der Patientenverfügung. Der Zugang ist auf dauerhaft schwerkranke oder unheilbar kranke Personen beschränkt. Explizit ausgeschlossen sind Minderjährige. Notwendig ist die Aufklärung durch zwei Ärzte. In Apotheken wird ein letales Präparat erhältlich sein. In der Verfügung kann auch eine Person bestimmt werden, die dieses Mittel für den Betroffenen abholt, etwa wenn dieser nicht mobil ist. Darüber hinaus ist eine Zustellung durch die Apotheke möglich. Begleitend kommt ein Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung.

Das neue „Sterbeverfügungsgesetz“ ist notwendig geworden, da der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Verbot des assistierten Suizids in Österreich mit Ende 2021 aufgehoben hat – nicht allerdings das Verbot der aktiven Sterbehilfe. Wäre bis zum Jahresende nichts geschehen, so wäre die Beihilfe zum Selbstmord ab dem kommenden Jahr schlicht erlaubt gewesen. Mit dem neuen Gesetz, dessen geplante Eckpunkte Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Samstag in einem Hintergrundgespräch vorstellten, wird nun der Rahmen für die Beihilfe zum Selbstmord streng limitiert geregelt. Eine „Sterbeverfügung“, mit der man sich zur Möglichkeit des assistierten Suizids entscheidet, kann nur „höchstpersönlich“ vom Betroffenen selbst errichtet werden.

Die Oppositionsparteien SPÖ und NEOS begrüßten das Vorhaben grundsätzlich. Für die katholische Kirche erklärte Bischof Hermann Glettler, auch in Zukunft müsse „die Vermeidung von Selbsttötungen für eine humane Gesellschaft oberste Priorität haben“. „Höchst positiv“ bewertete er das „deutliche Bekenntnis zur substanziellen Aufstockung“ der Hospiz- und Palliativversorgung. Caritas-Generalsekretärin Anna Parr begrüßte ebenfalls das Bekenntnis zu einem weiteren Ausbau von Hospiz- und Palliativdiensten. Der evangelische Bischof Michael Chalupka vermisste einen Rechtsanspruch auf palliative Begleitung. (red/APA)

Das sind die Details der Regelung:

Anspruchsberechtigte: Der assistierte Suizid ist nur für eine eng definierte Personengruppe möglich. Dazu muss beim Notar oder Patientenanwalt eine „Sterbeverfügung“ errichtet werden, in der der Entschluss festgehalten wird, das Leben zu beenden. Eine solche Verfügung kann nur eine Person errichten, die „an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit“ oder „an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen“. Die sterbewillige Person muss volljährig und „entscheidungsfähig“ sein.

Sterbeverfügung: Vor der Erstellung muss eine Aufklärung durch zwei Ärzte erfolgen, wobei einer der beiden eine palliativmedizinische Qualifikation aufzuweisen hat. Sie müssen bestätigen, dass der Betroffene entscheidungsfähig ist und einen selbstbestimmten Entschluss gefällt hat. Auch muss dabei auf die Möglichkeit psychotherapeutischer Gespräche und suizidpräventiver Beratung hingewiesen werden. Zweifelt ein Arzt an der Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person, muss zusätzlich ein Psychiater oder Psychologe beigezogen werden. Eine Sterbeverfügung darf frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung errichtet werden. Ziel dieser Frist ist die Überwindung von allfälligen akuten Krisenphasen des Betroffenen. Leidet jemand an einer zum Tod führenden Krankheit und hat nur noch wenige Wochen zu leben, so kann eine Verfügung auch bereits zwei Wochen nach dem Aufklärungsgespräch unterzeichnet werden. Die Sterbeverfügung verliert durch Widerruf des Betroffenen ihre Wirksamkeit – oder nach Ablauf eines Jahres.

Präparat: Jede öffentliche Apotheke darf nach Vorlage der Sterbeverfügung an die sterbewillige Person (oder an eine der in der Verfügung bestimmten Hilfspersonen) ein tödliches Präparat abgeben. Im Gesetz wird Natrium-Pentobarbital als zulässig definiert. Der Gesundheitsminister kann per Verordnung auch andere Mittel als zulässig bestimmen, sofern das genannte Präparat nicht verfügbar ist oder andere Mittel belastende Begleiterscheinungen minimieren. Auch eine Zustellung des Präparats durch die Apotheke ist soll laut Regierungsangaben möglich sein. Das tödliche Mittel muss selbstständig zugeführt werden. Ist der Sterbewillige dazu nicht in der Lage (etwa bei Schluckproblemen), ist auch eine andere Gabe, etwa über eine Sonde, möglich. Allerdings muss der Betroffene diese Sonde selbst auslösen – hier geht es um die klare Abgrenzung zur aktiven Sterbehilfe, die weiterhin verboten bleibt.

Mitwirkung: Es ist niemand dazu verpflichtet, eine Hilfeleistung zu erbringen. Die Freiwilligkeit gilt ebenso für Ärzte hinsichtlich der Aufklärung wie für Apotheker. Letztere müssen das Präparat nicht zwingend zur Verfügung stellen, wenn sie das nicht wollen.

Werbeverbot: Explizit festgeschrieben ist ein Werbeverbot für die Hilfsleistung. Verboten ist auch, einer sterbewilligen Person eine Hilfeleistung anzubieten oder diese durchzuführen, wenn man sich dafür wirtschaftliche Vorteile versprechen lässt oder annimmt.

Grenzen: Klargestellt wird im Strafgesetzbuch, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Hilfe zur Selbsttötung strafbar bleibt. Unter §78 („Mitwirkung zur Selbsttötung“) wird festgeschrieben, dass zu bestrafen ist, wer einer minderjährigen Person „physische Hilfe leistet, sich selbst zu töten“. Ebenso unter Strafe steht, wenn man diese Hilfe aus „einem verwerflichen Beweggrund“ (z.B. Habgier) leistet – oder gegenüber einer nicht schwer kranken oder einer ärztlich nicht aufgeklärten Person. Der Strafrahmen beträgt dann zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe. Straffrei ist die Sterbehilfe künftig definitiv nur über den Weg des in den Apotheken künftig erhältlichen Medikaments und über den beschriebenen Ablauf.

Kurzumfrage: Wie beurteilen Sie den Gesetzesentwurf zum assistierten Suizid?