Warnung vor kommender Influenza-Welle

Nach dem Höhepunkt der Corona-Welle warnen Expert:innen nun vor der nächsten Infektionswelle und raten zu Vorsicht und der Grippeimpfung.

In den kommenden Tagen stehen nicht nur die Weihnachtsfeiertage an, sondern möglicherweise auch der Start der heurigen Grippewelle, wie Expert:innen vermuten. „Wir sehen gerade den typischen Verlauf einer Influenza-Saison“, diagnostiziert Christoph Wenisch, Vorstand der 4. Medizinischen Abteilung mit Infektions- und Tropenmedizin der Klink Favoriten. Bereits jetzt liegen viele Menschen mit Erkältungssymptomatik und Fieber, ausgelöst durch verschiedenste Keime, darnieder. Bald könnten es noch mehr sein, wenn sich auch noch die Influenza, die in Österreich nun immer häufiger nachgewiesen wird, zu den schon vorhandenen Krankheitserregern dazugesellt. Noch handelt es sich um lokale Ausbrüche – nur Vorarlberg und Kärnten wurden bis jetzt verschont. Aber in ganz Europa nimmt die Influenza-Aktivität zu. In Spanien, Norwegen und Dänemark ist bereits die Rede von einer weit verbreiteten Influenzavirusaktivität; in Schweden, Estland und Griechenland von regionalen Influenza-Ausbrüchen. „Wenn die Ausbrüche im Norden und im Westen Europas starten, dauert es nicht mehr lange, bis sie auch uns erreichen“, prognostiziert Wenisch.

Und das dürfe man nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn: Die aktuelle Corona-Welle hat zwar möglicherweise ihren Höhepunkt bereits überschritten, die Zahl der Covid-19-Krankenstände steigt aber immer noch an. „Das erhöht das Risiko für Doppelinfektionen, die einen besonders schweren Verlauf nach sich ziehen können“, warnt der Experte. „Insbesondere bei älteren Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen.“ Das zeigt sich auch in der Zahl der Influenza-Hospitalisierungen: In den vergangenen zwei vollständig eingemeldeten Kalenderwochen haben sich die Aufnahmen von 17 auf 38 mehr als verdoppelt, zeigte das SARI-Dashboard. Und nicht zu vergessen: Zeitgleich mit den Influenza-Infektionen steigt auch die Zahl der RSV-Infektionen (Respiratorisches Synzytial-Virus).

Wenisch betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit einer Influenza-Schutzimpfung. „Die Durchimpfungsraten bei Influenza in Österreich sind im internationalen Vergleich sehr gering“, berichtet Wenisch. „Möglicherweise wird die Gefährlichkeit der Erkrankung immer noch unterschätzt, obwohl sie nicht nur kurzfristig eine hohe Belastung mit sich bringt, sondern auch langfristige Folgen haben kann.“ Allein in der letzten Saison sind Schätzungen zufolge über 4.000 Menschen an Influenza verstorben. In der besonders schweren Influenza-Saison 2016/17 waren es sogar knapp 5.000. Die Analysen der zirkulierenden Stämme in Europa zeigen aber, dass die Impfstoffzusammensetzung bisher gut mit den vorherrschenden Stämmen zusammenpasst. „Umso mehr Grund, sich jetzt noch eine Impfung zu holen“, folgert der Infektiologe.

Sowohl Wenisch als auch Molekularbiologe Ulrich Elling mahnen angesichts der kommenden Feiertage zu Vorsicht. „Noch zirkuliert extrem viel Virus und noch kann man sich sehr leicht anstecken“, betont Elling in Bezug auf Corona. Der Experte riet gerade vor den Weihnachtsfeierlichkeiten, die Kontakte im Vorfeld zu reduzieren und vor den Treffen einen Antigentest durchzuführen. An die Politik richtete Elling den Wunsch, sich auf die nächsten Wellen besser vorzubereiten als auf die aktuelle: „Wenn wir uns jetzt sicher sind, dass die Welle gebrochen ist, dann beginnt mit dem heutigen Tag die Vorbereitung auf die nächste Welle.“ Es gelte etwa, eine Strategie zu entwickeln, wie man die Durchimpfungsrate für Covid – und auch Influenza – erhöhe, forderte Elling. Heuer habe es überhaupt keine Impfkommunikation gegeben. Auch in Sachen Medikamentenmangel – Stichwort Paxlovid – müsse man besser vorbereitet sein. „Das hätte nicht passieren dürfen, dass das ausgeht.“ Das Medikament müsse auch künftig ausreichend vorhanden sein. Überraschung sei diese Welle jedenfalls keine gewesen. „Jeder, der ein bisschen denken kann, der konnte das sehen“, kritisiert Elling.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) appellierte an die Bevölkerung, Vorsicht walten zu lassen. Gerade vor Treffen mit vulnerablen und älteren Personen an den Feiertagen sollte man die Hygienemaßnahmen einhalten, sagte er gegenüber der APA. Es sei „eine Frage des Hausverstandes“, so der Minister. Auch das Testen sei – bei Symptomen – eine Option, wie er sagte. Die Ärztekammer für Wien unterstützt den Appell des Gesundheitsministers, vor allem auch während der Weihnachtsfeiertage und um den Jahreswechsel sich und andere durch Hygienemaßnahmen, Tests, Masken und Eigenverantwortung bestmöglich zu schützen. Um gut durch die Krankheitswelle zu kommen, fordert Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin und Obfrau der Kurie der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für Wien, ein breites Schutzpaket  für die Bevölkerung und für die Ordinationen: „Für die Bevölkerung braucht es rasch kostenlose FFP2-Masken und die Wiedereinführung einer limitierten Anzahl von kostenlosen Antigents für zu Hause, um verantwortungsvoll durch die Feiertage zu kommen. Für die Ordinationen fordern wir eine Sicherstellung der Testungen auf Covid-19, RSV und Influenza von symptomatischen Patientinnen und Patienten in den Praxen als Kassenleitung.  Das Gesundheitsministerium muss außerdem ausreichend Influenzaimpfstoff zu Verfügungen stellen und die Verfügbarkeit von wichtigen Medikamenten garantieren.“ (kagr/rüm/APA)