Zelluläre Immuntherapien

Das Multiple Myelom (MM) ist eine sehr komplexe Erkrankung, bei der eine gewisse Dysfunktion des Immunsystems in der Pathogenese und auch beim Fortschreiten der Erkrankung eine wichtige Rolle spielt. Die Bemühungen in der Entwicklung von neuen Behandlungsstrategien – sowohl rezent als auch in der Vergangenheit – konzentrieren sich daher sehr intensiv auf Immuntherapien. Im Fokus für Zukünftiges stehen dabei antikörperbasierte Behandlungsansätze und CAR (chimeric antigen receptor)-T-Zell-Therapien, in der Vergangenheit hat sich die allogene Stammzelltransplantation bewährt. Die wichtigsten Substanzen – die auch klinisch schon zum Einsatz kommen – sind im folgenden Artikel zusammengefasst.

Allogene Stammzell-Transplantation

Die erste allogene Stammzelltransplantation (SCT) wurde 1957 durchgeführt und wurde aufgrund ihres kurativen Potentials seitdem als Salvagetherapie für rezidivierte und/oder refraktäre (RRMM) Myelompatienten angesehen. Großes Problem dabei waren immer die relativ hohe transplant-assoziierte Mortalität (TRM) und das Risiko einer schweren Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) trotz der Fortschritte bei der Intensität der Konditionierungschemotherapie und der Verbesserung der diversen Begleittherapien (inkl. Immunsuppression). Trotz der daher sehr kontrovers diskutierten Rolle und der zahlreichen neuen Substanzen werden aber weiterhin jährlich einige Transplantationen im EBMT-Register erfasst. Durch die genauere Einschätzung der „Transplant-Tauglichkeit“ der Patienten (insbesondere durch die diversen Komorbiditäts-Indizes) und die jahrzehntelangen Erfahrungen konnte in vielen Zentren die TRM deutlich gesenkt werden. Besonders für jüngere high-risk Patienten mit einem frühen Rezidiv nach einer autologen Stammzelltransplantation bleibt die allogene SCT weiterhin eine wichtige Therapieoption.

Anti-CD38-Antikörper

CD38 ist ein transmembranöses Rezeptorprotein, das auf malignen Plasmazellen und auf normalen B-Zellen exprimiert wird. Zu den derzeit verfügbaren CD38-monoklonalen Antikörpern (MAbs) gehören Daratumumab und Isatuximab. Daratumumab steht für die Behandlung des Rückfalls als Einzelsubstanz oder in Kombination mit Bortezomib/Dexamethason und Lenalidomid/Dexamethason in der Erstlinientherapie zur Verfügung (basierend auf den Daten der beiden Phase-III-Studien CASTOR und POLLUX). IMiDs wie Lenalidomid und Pomalidomid induzieren die NK-Zell-Aktivierung und wirken in vitro mit Daratumumab zusammen. Selbst bei Lenalidomid-refraktären Patienten löst die Zugabe von Daratumumab zu Lenalidomid ein klinisches Ansprechen aus. Die Zugabe von Proteasom-Inhibitoren verstärkt die Wirkung von Daratumumab durch die Sensibilisierung von Tumorzellen gegenüber antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC). Häufige Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Daratumumab als Einzelwirkstoff sind Müdigkeit, Blutbildveränderungen (Anämie, Thrombozytopenie) und Übelkeit. Infusionsereignisse werden hauptsächlich während der ersten Infusion beobachtet. Eine Prämedikation mit Kortikosteroiden und eine längere Infusionszeit reduzieren diese Reaktionen bzw. wird die subkutane Anwendung immer mehr und mehr Routine. Isatuximab ist in der Drittlinie zugelassen in Kombination mit Pomalidomid/Dexamethason und in der Zweitlinie in Kombination mit Carfilzomib/Dexamethason.

Anti-SLAMF7-Antikörper

SLAMF7 (auch bekannt als CS1 oder CD319) steht für Familienmitglied 7 (F7) der Familie der signalgebenden Lymphozytenaktivierungsmoleküle (SLAM) und wird auf diversen hämatopoetischen Zellen, einschließlich Myelomzellen, exprimiert. Dies führte zur Entwicklung von Elotuzumab, einem humanisierten MAb. Elotuzumab erhielt die Zulassung für die Behandlung des RRMM in Kombination mit Lenalidomid/Dexamethason nach mindestens drei vorherigen Therapien. Elotuzumab wirkt indirekt zytotoxisch über die Aktivierung von NK-Zellen und ADCC.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugat

Ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) ist ein rekombinanter MAb, der an ein Zytotoxin konjugiert ist. BCMA, auch als CD269 bekannt, ist ein Mitglied der TNF-Rezeptor-Superfamilie, das hauptsächlich auf normalen und malignen Plasmazellen exprimiert wird. Es wird nicht auf hämatopoetischen Stammzellen oder nicht-hämatologischen Zellen exprimiert, was BCMA zu einer guten Zielstruktur für Immuntherapien macht. Belantamab-Mafodotin (GSK2857916), das an BCMA bindet, hat eine Zulassung erhalten bei Patienten, die zuvor mindestens vier Therapien erhalten haben, darunter einen Anti-CD38-Antikörper, einen Proteasom-Inhibitor und einen Immunmodulator. Dies basiert auf den Ergebnissen der Phase-II-Studie DREAMM-2, in der mit Belantamab-Mafodotin als Monotherapie eine Gesamtansprechrate von 32 % erreicht werden konnte. Die Dauer des Ansprechens betrug in dieser Population elf Monate und das mediane Gesamtüberleben 13,7 Monate. Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen von Grad 3 oder höher (bei mehr als 10 % der Patienten) waren Keratopathien und Blutbildveränderungen.

Bi-spezifische T-Zellen-Engager

Bi-spezifische T-Zellen-Engager (BiTE)-Antikörper binden sowohl an ihre Zieltumorzelle als auch an T-Zellen und bringen die beiden in physikalische Nähe. Dies führt zur Bildung einer Synapse, die es den T-Zellen ermöglicht, zytotoxische Moleküle freizusetzen. Die Identifizierung von Zelloberflächenantigenen, die spezifisch auf der Tumorzelle und nicht auf normalem Gewebe exprimiert werden, ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung der BITE-Therapie. Auch hier gilt BCMA als eines der vielversprechenden Targets. AMG 420 ist ein Anti-BCMA-BiTE, das BCMA an MM-Zellen und CD3 auf T-Zellen bindet. In einer deutschen Phase-I-Studie mit 42 Patienten, die AMG 420 erhielten, wurde gezeigt, dass die Ansprechrate bei Patienten mit RRMM, einschließlich 50 % MRD-negativer kompletter Remission, 70 % betrug. Aktuell arbeitet man daran, die BiTE-Antikörper so abzuändern, dass statt einer Dauerinfusion eine einmalige Infusion pro Woche ausreicht.

Chimäre-Antigenrezeptor-T-Zell-Therapien (CAR-T)

Die Therapie mit chimären Antigenrezeptoren (CAR) ist eine Form der adoptiven T-Zelltherapie, bei der T-Zellen, die einem Patienten entnommen wurden, genetisch modifiziert werden. Bei den lymphoproliferativen Erkrankungen ist die Entwicklung dieser Immuntherapie schon sehr weit, aber auch beim Multiplen Myelom gibt es einige Konstrukte in Entwicklung und auch schon in klinischer Erprobung.

Idecabtagen Vicleucel

Im Rahmen des ASH 2020 wurden aktualisierte Ergebnisse von 62 RRMM-Patienten der CRB-401-Studie vorgestellt. In dieser Studie werden CAR-T-Zellen, welche BCMA als Zielmolekül haben, untersucht. Die Overall Response Rate (ORR) lag bei 76 %, der Großteil der Patienten mit Ansprechen erreichte eine MRD-Negativität. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 10,3 Monate, das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) 8,8 Monate und das mediane Gesamtüberleben (OS) 34,2 Monate.

Ciltacabtagen autoleucel
Die Phase-Ib/II-Studie CARTITUDE-1 untersuchte Sicherheit und Wirksamkeit der CAR-T-Zelltherapie mit Ciltacabtagen autoleucel, welche ebenfalls gegen BCMA gerichtet ist. Die ORR war mit 96,9 % sehr hoch. Nach einem medianen Follow-up von 12,4 Monaten wurde das mediane PFS noch nicht erreicht, das 1-Jahres-PFS lag bei 76,6 %, das 1-Jahres-OS bei 88,5 %. Nahezu alle Patienten entwickelten ein Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS), wobei nur bei 4 % ein Schweregrad von ≥ 3 auftrat. Die im Rahmen der Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) 2021 vorgestellten ersten Ergebnisse der Phase-II-Studie CARTITUDE-2 bestätigen die Ergebnisse der Phase-I-Studie.

Resümee

Mit diesen zahlreichen neuen Therapieoptionen werden sich das Überleben und die Prognose von Patienten mit Multiplem Myelom weiterhin verbessern mit dem Ziel, die Erkrankung eines Tages vollständig und dauerhaft heilen zu können.


Literatur bei der Verfasserin