Akut oder chronisch?

Für das diagnostische Vorgehen ist zunächst ist die Unterscheidung zwischen akuter und chronischer Diarrhö essenziell.

Akute Diarrhö

Die akute Diarrhö ist überwiegend infektiöser Genese und meist selbstlimitierend. Viren (z. B. Norovirus, Rotavirus), Bakterien (z.B.Salmonellen, Campylobacter, Escherichia coli) sowie Protozoen (z. B. Giardia lamblia) zählen zu den häufigsten Erregern. Besonders bei Reiserückkehrer:innen ist enterotoxinbildendes E. coli (ETEC) relevant. Neben Infektionen können auch bakterielle Toxine (z.B. Staphylococcus aureus, Clostridium perfringens) im Rahmen von Lebensmittelvergiftungen, Medikamente (z. B. Antibiotika, Laxanzien) oder ischämische Kolitiden eine akute Diarrhö hervorrufen (Tab.).

Tab.: Differenzialdiagnosen der Diarrhö

In den meisten Fällen ist keine weiterführende Diagnostik erforderlich. Eine Anamnese mit Fokus auf Nahrungsmittelaufnahme, Reisen, Medikamenteneinnahme sowie Kontakte zu erkrankten Personen ist entscheidend. Klinisch wegweisend sind Symptome wie Erbrechen, das auf virale oder toxinbedingte Ursachen hinweist, sowie Fieber, Tenesmen und blutige Stühle, die für eine invasive bakterielle Infektion sprechen.

Warnhinweise für schwere Verläufe sind eine Durchfalldauer von über 3 Tagen, Fieber >38,5°C, Blut im Stuhl, Gewichtsverlust, starke abdominelle Schmerzen oder Zeichen der Dehydratation. Weitere Risikofaktoren sind Alter ≥ 70 Jahre, kardiovaskuläre Erkrankungen, Immunsuppression, chronisch entzündliche Darmerkrankungen sowie eine bestehende Schwangerschaft. In diesen Fällen sowie bei Auftreten von Warnzeichen ist eine weiterführende Diagnostik mit Blutbild, CRP, Elektrolyten, Nierenretentionsparametern und mikrobiologischer Stuhluntersuchung notwendig. Im Fall einer Antibiotikatherapie innerhalb der letzten 4 bis 8 Wochen oder bei Patient:innen aus dem Pflegeheim sollte diese den Nachweis von Clostridioides difficile einschließen. Eine antibiotische Therapie ist nur bei schweren Verläufen oder spezifischen Erregern indiziert (z. B. C. difficile, Shigellen, Typhus, Amöben, Cholera).

Chronische Diarrhö

Chronische Diarrhö ist häufig diagnostisch herausfordernd und betrifft etwa 3–5 % der westlichen erwachsenen Bevölkerung. Die Ursachen (Tab.) sind vielfältig, und die Abklärung sollte schrittweise erfolgen. Die Abklärung beginnt mit einer detaillierten Anamnese: Beginn, Dauer, Schwere und Häufigkeit der Diarrhö (z. B. nächtliches Auftreten) sollten notiert werden, mit besonderem Augenmerk auf die Beschaffenheit des Stuhls (z. B. wässrig, blutig, schleimig, fettig, eitrig). Weiters sollten andere Symptome wie abdominelle Schmerzen oder systemische Krankheitszeichen wie Fieber, Gewichtsverlust, Gelenkbeschwerden, Hautausschläge oder Augenentzündungen erfragt werden.

Wichtige anamnestische Aspekte umfassen zudem eine Reisevorgeschichte, Medikamenteneinnahme (z. B. Antibiotika, Metformin, NSAR), Familienanamnese (z. B. CED, Zöliakie, Neoplasien), Operationen (z. B. Cholezystektomie, Ileumresektion), Vorerkrankungen (z.B. Sklerodermie, Pankreaserkrankungen, Diabetes mellitus) sowie Ernährungsgewohnheiten (Alkoholkonsum, Milchprodukte, künstliche Süßstoffe). Einige Patient:innen klagen über Diarrhö, obwohl eigentlich eine Inkontinenz bei geformtem Stuhl vorliegt. Deshalb sollte die Anamnese immer die Frage nach allfälliger Inkontinenz beinhalten.Die initiale Labordiagnostik sollte folgende Parameter beinhalten: vollständiges Blutbild, Nieren- und Leberwerte, Elektrolyte, Ferritin, Vitamin B12, Folsäure, Kalzium, Albumin, CRP, BSG, TSH, tTG-IgA und Gesamt-IgA. Die Stuhldiagnostik sollte zunächst das fäkale Calprotectin, Tests auf pathogene Keime (einschließlich auf Protozoen, wie Giardia lamblia und Entamoeba histolytica) und ggf. einen Test auf okkultes Blut umfassen. Bei Reiseanamnese in Endemiegebiete oder vorliegender Immunsuppression sollte diese entsprechend erweitert werden (z. B. Yersinien, Mykobakterien, Kryptosporidien, Mikrosporidien, Isospora belli).

Weiterführend sollten bei chronischer Diarrhö unklarer Genese endoskopische Untersuchungen folgen. Eine Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien ist essenziell, um insbesondere eine mikroskopische Kolitis zu detektieren. Eine Gastroskopie mit Duodenalbiopsien kann zur Abklärung einer Zöliakie oder infektiöser Ursachen (z. B. Giardia lamblia, Tropheryma whipplei, Strongyloides stercoralis) beitragen. Weitere diagnostische Schritte umfassen je nach Verdacht funktionelle Tests oder bildgebende Verfahren.

Die Therapie richtet sich nach der spezifischen Ätiologie: Diät (z. B. bei Zöliakie), Antibiotika, Enzymsubstitution bei Pankreasinsuffizienz, Bindung von Gallensäuren (bei chologener Diarrhö nach Cholezystektomie oder Ileumresektion) oder symptomatisch in erster Linie durch Opiate/Opiatderivate (z.B. Tinctura opii, Loperamid).

Wissenswert

  1. Erbrechen, Fieber, Tenesmen und blutige Stühle weisen auf eine infektiöse Genese hin.
  2. Antibiotika sind nur bei schwerer akuter Diarrhö oder spezifischen Erregern indiziert.
  3. Die Abklärung chronischer Diarrhö umfasst Beginn, Dauer, Schwere und Häufigkeit.