Die künstliche Intelligenz (KI) ist in der Arbeitswelt der Österreicher:innen angekommen. Laut einer jüngst vorgelegten Studie des international tätigen Personaldienstleisters Randstad nutzt bereits die Hälfte der österreichischen Arbeitnehmer:innen KI-Tools – ein Plus von 10% im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Einstellung gegenüber den Möglichkeiten der KI hat sich rapide geändert. Noch 2023 befürchteten laut einer Studie des Beratungsunternehmens PwC 37 % der Befragten, dass KI zum Jobkiller werden könnte. In der Randstad-Studie 2025 erwarteten lediglich 4%, dass sie auf Grund des KI-Einsatzes ihren Job verlieren könnten. In puncto Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit gaben 47% eine neutrale Beurteilung ab. Immerhin 34% erklärten aber, dass sich KI positiv auf die eigene Arbeitszufriedenheit auswirkt, und lediglich 13% berichteten von negativen Auswirkungen auf die eigene Arbeitszufriedenheit (siehe auch Grafik).
In Unternehmen wird KI unter anderem eingesetzt, um zuweilen stupide, sich wiederholende Tätigkeiten durchzuführen. So kann KI etwa in der Buchhaltung eingesetzt werden, um immer wiederkehrende Rechnungen – z.B. für Software – automatisiert bestimmten Buchhaltungskonten zuzuordnen. Ist eine solche Zuordnung nicht sofort möglich, so schlägt die KI eine Zuordnung zu einem bestimmten Konto vor. Befindet der/die menschliche Buchhalter:in diese Zuordnung für richtig, so merkt sich das die KI und wird diese Zuordnung im Wiederholungsfall vornehmen – sie lernt also mit. Der Vorteil liegt vor allem darin, dass der Mensch von Routineaufgaben entlastet wird und sich stärker der Analyse von Unternehmenskennzahlen widmen kann.
Ein weiteres Anwendungsbeispiel aus dem betrieblichen Alltag ist etwa das KI-gestützte Dokumentenmanagement, wie es in der Bremer Krankenkasse eingesetzt wird. Dort automatisiert das Tool den Posteingang – die KI erkennt eigenständig Scans von Briefen und Geschäftsverkehr, sortiert und klassifiziert Dokumente und ordnet sie direkt dem/der passenden Sachbearbeiter:in zu. Das spart Arbeitszeit und senkt die Fehleranfälligkeit.
In der medizinischen Diagnostik wiederum unterstützen KI-Tools Ärzt:innen bei ihrer Arbeit. Die aus Bremen stammende MeVis Medical Solutions integriert KI in diagnostische Computertomografen (CT), um die Bildanalyse zu optimieren. Der Einsatz des Tools unterstützt Radiolog:innen insbesondere bei der Erkennung von verschiedenen Krebsarten – etwa bei Brust-, Lungen-, Leber-, Prostata- und Darmkrebs. Dadurch wird die Genauigkeit der Diagnose verbessert, und potenzielle Behandlungswege können schneller eingeleitet werden.
Das österreichische Unternehmen SCARLETRED wiederum hat eine Softwareplattform entwickelt, die eine objektive Dokumentation und Fernanalyse von mehr als 3.000 Hauterkrankungen ermöglicht. Das System wird dabei im Kern von einer eigens entwickelten künstlichen Intelligenz unterstützt. Seit 2020 wird ein derartiges Produkt auch im österreichischen Pflegebereich, insbesondere in der Dokumentation, Analyse und Therapie chronischer Wunden, angewendet.
Aber auch in der pharmazeutischen Forschung bzw. der Pharmaindustrie setzt man große Hoffnungen in die Nutzung von künstlicher Intelligenz. Sie wird bereits in verschiedenen Bereichen eingesetzt, um etwa Prozesse zu optimieren und neue Medikamente schneller zu entwickeln. Einige Pharmaunternehmen nutzen KI, um den Markt besser zu analysieren, z. B. zur Überwachung von Lieferketten und zur frühzeitigen Identifikation von Engpässen – ein Problem, das am österreichischen Arzneimittelmarkt immer wieder auftaucht und mit Hilfe von Algorithmen wohl deutlich entschärft werden könnte. KI kann in Apotheken und Pharmaunternehmen eingesetzt werden, um Dokumentationen, Qualitätsmanagement und andere administrative Aufgaben effizienter zu gestalten. Um die Patientensicherheit zu erhöhen, kann KI bei der Analyse von Medikationsplänen, Wechselwirkungen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen helfen.
Last, but not least wird KI im Bereich der pharmazeutischen Forschung großes Potenzial zugetraut. KI-gestützte Algorithmen können große Datenmengen analysieren, um vielversprechende Wirkstoffkandidaten zu identifizieren. So setzen Pharmaunternehmen KI gezielt ein, um den langwierigen Prozess der Wirkstoffforschung zu beschleunigen. Dabei kommen Algorithmen zum Einsatz, die große chemische Datenbanken analysieren und vielversprechende Molekülstrukturen identifizieren, um daraus Kandidatensubstanzen für neue Medikamente abzuleiten. Mithilfe von Machine-Learning-Verfahren können außerdem potenzielle Nebenwirkungen und die optimale Dosierung schon in frühen Entwicklungsphasen besser prognostiziert werden. Expert:innen gehen davon aus, dass dies zu einer Verkürzung der mitunter sehr kostenintensiven Entwicklungszyklen führen wird.
Bereits heute widmen sich einige Unternehmen genau diesem Thema. So etwa das britische Unternehmen Exscientia, das im Vorjahr vom größeren US-Unternehmen Recursion übernommen wurde. Das ist ein weltweit führendes Unternehmen, das KI-basierte Plattformen zur Wirkstoffentdeckung nutzt. Sein System komponiert und optimiert Wirkstoffstrukturen, um vielversprechende Kandidaten effizienter zu identifizieren. In Kooperation mit großen Pharmafirmen konnte Exscientia bereits mehrere Projekte erfolgreich vorantreiben. Das US-Unternehmen Atomwise wiederum verwendet Deep-Learning-Algorithmen, um die Bindungsaffinitäten von Molekülen zu simulieren und dadurch den Prozess der Arzneimittelentwicklung zu beschleunigen. Die KI-Modelle von Atomwise analysieren Millionen von molekularen Interaktionen, um potenzielle Wirkstoffkandidaten zu entdecken.
Das gleichfalls aus den USA stammende Unternehmen Insilico Medicine setzt KI und Deep Learning ein, um neue therapeutische Targets zu identifizieren sowie potenzielle Arzneimittelkandidaten zu entwickeln. Bekannt wurde die Firma u. a. durch ihre Ansätze in den Bereichen Altersforschung und Onkologie. Ihr Ansatz basiert auf der Analyse umfangreicher biologischer und medizinischer Daten, um präzisere Vorhersagen bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten treffen zu können. Insilico liefert auch ein Beispiel dafür, wie immens hoch mögliche Kosteneinsparungen in der Entwicklung sein können. Das deutsche Handelsblatt berichtet davon, dass das Biotech-Unternehmen die Entwicklung eines Wirkstoffkandidaten gegen Lungenfibrose bis zur präklinischen Phase durch KI-Unterstützung für 2,6 Millionen Dollar durchführen konnte. Bei einer klassischen Entwicklung liegen die durchschnittlichen Kosten bei hunderten Millionen US-Dollar.
In Deutschland wiederum integriert das Biotech-Unternehmen Evotec KI-basierte Screening-Methoden in seine Forschung, um schneller die vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten zu finden. Durch die Kombination von maschinellem Lernen und traditioneller Screening-Technologie lassen sich Entwicklungszyklen signifikant verkürzen. Diese Beispiele zeigen, dass künstliche Intelligenz längst auch im Gesundheitswesen und in der Pharmazie angekommen ist. Die Möglichkeiten reichen von der Frühphase in der Medikamentenentwicklung über die administrative Optimierung in Apotheken bis hin zur Überwachung von Therapiesicherheit und Lieferketten. Eines aber ist klar: Auch KI kann Fehler machen, sie lernt allerdings dazu. Trotzdem wird am Ende die letzte Entscheidung immer der Mensch treffen müssen.