Her mit den Texten! Was kann die künstliche Intelligenz?

An künstlicher Intelligenz bzw. deren Einsatz scheiden sich die Geister: Ist sie wirklich „ein Superspreader von Falschinformationen“, wie der Kurier Ende Jänner unter Berufung auf ein Experiment der Fakten-Checker von NewsGuard mit ChatGPT meinte?
Oder wird KI die wie eine „eierlegende Wohlmilchsau“ die Texter:innen, Grafiker:innen, Kreative etc. obsolet machen, wie es von so manchem „Marketing-Genie“ angepriesen wird? Müssen wir uns alle fürchten, oder gibt es doch die eine oder andere sinnvolle Einsatzmöglichkeit? Ist am Ende alles nur ein Hype? Die Antwort auf diese Fragen wird die Zukunft liefern.

Wir wollen uns lieber mit praktischen Beispielen beschäftigen und haben versucht, anhand eines simplen Tests herauszufinden, wie sich zwei verschiedene KI-Tools dazu eignen könnten, möglichst rasch Texte und Informationen zu generieren: Texte, die man im Marketing für eine Apotheke einsetzen könnte. Als KI-Test-Tools haben wir einerseits das allseits bekannte ChatGPT verwendet und andererseits den Bing Chat von Microsoft, der neuerdings den Namen Copilot trägt. Beide Tools haben wir mit folgender Information bzw. Frage gefüttert: „Was ist die Mariendistel, und wofür ist sie gut? Bitte schreibe mir einen Text mit ca. 500 Zeichen dazu.“ Die Mariendistel haben wird deshalb verwendet, weil schon im Mittelalter Hildegard von Bingen über die wohltuende Wirkung der Mariendistel Bescheid gewusst hat und sie in einigen Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt wird.

Beide KI-Tools antworteten binnen weniger Sekunden. Stellvertretend hier die Antwort vom Microsofts Copilot: „Die Mariendistel (Silybum marianum) ist eine Heilpflanze, die vor allem für ihre positive Wirkung auf die Leber bekannt ist. Sie enthält den Wirkstoff Silymarin, der antioxidativ wirkt und die Leberzellen vor Giftstoffen schützt. Darüber hinaus kann Silymarin die Regeneration der Leberzellen fördern. Die Mariendistel kann auch bei der Behandlung von Hautproblemen und psychischen Beschwerden hilfreich sein und beim Abnehmen unterstützen. Sie wird oft in Form von Kapseln oder Tee eingenommen.“

Ähnlich fiel auch die Antwort von ChatGPT aus, wobei dieses KI-Tool noch erwähnt hat, dass die Mariendistel entzündungshemmende Eigenschaften aufweist und bei Lebererkrankungen wie Leberzirrhose, Hepatitis und Fettleber helfen kann. Im Unterschied zu Copilot wies ChatGPT auch daraufhin, dass sie zur Verbesserung der Verdauung und Entgiftung des Körpers eingesetzt wird.

Brauchbare Texte

Durchaus brauchbare Texte für eine kurze, einfache Beschreibung, die auf einer Apotheken-Website verwendet werden könnten. Der Begriff „antioxidativ“ könnte allerdings bei manch menschlichem/menschlicher Leser:in zu Verunsicherung führen. Ein:e menschliche:r Texter:in mit Erfahrung hätte vielleicht versucht, diesen im Alltagsleben doch eher selten verwendeten Begriff kurz zu erklären oder zu umschreiben.

Egal, wir wollten von den beiden KI-Tools auch noch wissen, ob es möglicherweise Nebenwirkungen gibt. Deshalb unsere Frage: „Wenn man Mariendistel-Präparate einnimmt, kann es dabei Nebenwirkungen geben? Wenn ja, welche?“

Diesfalls fiel die Antwort von Copilot von Microsoft etwas genauer aus: „Ja, die Einnahme von Mariendistel-Präparaten kann Nebenwirkungen haben, obwohl sie im ­Allgemeinen als gut verträglich gelten. Hier sind einige mögliche Nebenwirkungen:

  • Magen-Darm-Probleme: Zubereitungen aus Mariendistelfrüchten können in Einzelfällen leicht abführend wirken. Bei hoher Dosierung können manchmal Blähungen und Bauchschmerzen auftreten.
  • Überempfindlichkeitsreaktionen: Sehr selten wurden Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautausschläge beobachtet. Insbesondere Menschen mit einer Allergie gegen Korbblütler sollten auf einen Konsum verzichten, da die Mariendistel dieser Pflanzenfamilie angehört.
  • Übelkeit und Kopfschmerzen“

Überzeugt hat vor allem der letzte Warnhinweis: „Bitte beachten Sie, dass dies keine vollständige Liste aller möglichen Nebenwirkungen ist. Es ist immer ratsam, vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder Heilkräutern einen Arzt oder Apotheker zu konsultieren.“

In diesem Fall konnte ChatGPT nicht glänzen. Es schwadronierte zwar auch über mögliche Nebenwirkungen, am Ende erklärte es dann: „Personen mit bekannten Allergien gegen Korbblütler sollten Mariendistel vermeiden. Es ist wichtig, vor der Einnahme von Mariendistelpräparaten einen Arzt zu konsultieren, insbesondere wenn Sie unter chronischen Erkrankungen leiden oder andere Medikamente einnehmen.“ Scheint fast so, als ob ChatGPT in puncto Heilkräuter und Nahrungsergänzungsmittel Ärzt:innen die alleinige Kompetenz zuschreibt.

Auch Marktbeobachtung möglich

Zum Marketing gehören nicht nur gute ­Texte, sondern auch die Marktbeobachtung, z. B. zur Preisfindung. Wir haben deshalb im Test von beiden Tools auch noch verlangt, uns zumindest fünf in Österreich erhältliche Mariendistel-Präparate zu nennen. In diesem Fall musste ChatGPT passen. Die Antwort „Als KI habe ich keinen Echtzeit-Zugriff auf Apothekeninventare oder lokale Verfügbarkeiten von Produkten. Mariendistelprä­parate können jedoch in Österreich unter verschiedenen Markennamen und Formulierungen erhältlich sein.“ Darauf folgte eine Aufzählung von verschiedenen Markennamen. Ein besseres Ergebnis in puncto Marktbeobachtung lieferte Microsofts Copilot. Ohne mit der Wimper zu zucken, konnte der Copilot in Sekundenschnelle fünf Präparate aufzählen. Als Ergänzung zur vorherigen Frage wollten wir nunmehr auch noch wissen, zu welchen Preisen (von – bis) die aufgezählten Präparate angeboten werden. Auch in diesem Fall konnte das KI-Tool von Microsoft punkten und lieferte tatsächlich eine gute Übersicht der Preise für die verschiedenen Produkte. Bei der Qualität der Auskunft hat es allerdings ein wenig „gehapert“, wie man es mithilfe österreichischen Idioms ausdrücken würde. Eine nachfolgende Recherche ergab, dass das Tool bei einigen – nicht bei allen – Produkten unterschiedliche Packungsgrößen miteinander verglichen hat. Ein nochmaliges Nachfragen, bei dem wir die Packungsgrößen genau definiert haben, brachte ein besseres Ergebnis.

Last, but not least wollten wir – frei nach dem Motto „kenne deinen Mitbewerb“ – auch noch wissen, welche Apotheken im Umkreis von Wien Präparate mit Mariendisteln anbieten. Auch diesfalls reagierte der Copilot sehr rasch, lieferte allerdings nur Ergebnisse von Apotheken in Wien. Als wir die KI darauf hinwiesen, dass wir eigentlich nach Apotheken außerhalb von Wien gesucht hatten, meinte sie höflich: „Entschuldigung für das Missverständnis. Leider konnte ich keine spezifischen Informationen zu Apotheken außerhalb von Wien im Umkreis von 35 Kilometern finden, die eigene Produkte mit Mariendistel anbieten. Es wäre ratsam, die Websites oder Kontaktdaten der Apotheken in den umliegenden Städten wie Mödling, Baden, Klosterneuburg und anderen zu überprüfen.“

Fazit

KI-Tools können durchaus ansprechende Ergebnisse liefern und bei kreativen Nachdenkprozessen unterstützen. Ohne menschliche Kontrolle und Gegenchecks geht – derzeit jedenfalls – aber auch gar nichts.