Rund ein Viertel aller Sportverletzungen sind Sprunggelenkverstauchungen.1, 2 Meist werden sie durch eine Innendrehung des Fußes (Inversion) ausgelöst, und in der Regel sind sie selbstlimitierend. Die Diagnose wird anhand einer klinischen Untersuchung gestellt, wobei gegebenenfalls Röntgenaufnahmen notwendig sind, um mögliche Frakturen auszuschließen. Wiederholte Verstauchungen können das Risiko einer langfristigen Gelenkdegeneration erhöhen, weshalb die Prävention ebenso wichtig wie die Behandlung im Akutfall ist.2
In ihrem 2022 veröffentlichten Review analysierten Ruiz-Sánchez et al. aktuelle internationale Leitlinien zur klinischen Praxis und identifizierten 17 Empfehlungen. Nach Bewertung von Qualität, Evidenz- und Empfehlungsgrad blieben 7 evidenzbasierte Maßnahmen zur Behandlung der Sprunggelenkdistorsion übrig. Dazu zählen die Ottawa-Regeln, manuelle Therapie, Kryotherapie, funktionelle Unterstützung, frühzeitige Mobilisation, kurzfristige Gabe nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) sowie Rehabilitation.1 Die Ottawa-Regeln sind ein validiertes klinisches Hilfsmittel, um die Notwendigkeit von Röntgenaufnahmen bei akuten Sprunggelenk- oder Mittelfußverletzungen zu bestimmen. Sie wurden entwickelt, um nichtnotwendige Röntgenaufnahmen zu reduzieren und haben eine Sensitivität von fast 100%.4 Die Apothekenberatung kann insbesondere bei der Auswahl und Anwendung von NSAR unterstützen.
Bei der Schmerztherapie in der akuten und subakuten Phase können NSAR eingesetzt werden. Sie lindern Schmerzen sowie Schwellungen, und ihre Wirksamkeit ist gut belegt. Darüber hinaus verbessern sie die kurzfristige Funktion des betroffenen Gelenkes. Dennoch sollten orale Antiphlogistika nicht leichtfertig angewendet werden, da sie unter anderem gastrointestinale Nebenwirkungen verursachen können.3 Aufgrund ihres deutlich besseren Sicherheitsprofils haben sich halbfeste, topische NSAR-Präparate bei der Behandlung von Verstauchungen etabliert. Sie wirken lokal, wobei nur geringe Wirkstoffmengen in den systemischen Kreislauf gelangen. Zusätzlich bieten NSAR-haltige Gele einen kühlenden Effekt, der von Patient:innen oft als besonders angenehm empfunden wird. Eine weitere Alternative für die lokal wirksame Schmerztherapie sind wirkstoffhaltige Pflaster oder Cremen mit Pflanzenextrakten.4
Eine explizit zur Behandlung von Verstauchungen empfohlene Pflanze ist die Beinwellwurzel (Symphyti radix), deren ethanolischer Extrakt unter anderem in fertigen Phytopharmakapräparaten zu finden ist. Die therapeutische Wirksamkeit der Beinwellwurzel wurde vom HMPC bewertet und aufgrund langjähriger traditioneller Anwendung als „traditional use“ eingestuft. Sie kann bei leichten Verstauchungen und unkomplizierten Verletzungen empfohlen werden. Bei der Beratung ist darauf zu achten, dass beinwellhaltige Präparate nur von Erwachsenen und nicht länger als 10 Tage anzuwenden sind. Im Gegensatz zur oralen Einnahme sind bei der topischen Anwendung keine lebertoxischen Wirkungen aufgrund der enthaltenen Pyrrolizidinalkaloide zu erwarten.5
Auch Zubereitungen aus Arnikablüten (Arnicae flos) werden häufig verwendet. Ihre äußerliche Anwendung wurde vom HMPC im Rahmen der „traditional use“ anerkannt. Bei der Beratung sollte auf mögliche allergische Reaktionen wie Juckreiz, Rötung und Irritation der Haut hingewiesen werden.6
Die frühe Mobilisation mit externer Unterstützung, wie Tape, ist der reinen Ruhigstellung in ihrer Wirksamkeit überlegen. Das Positionspapier der National Athletic Trainers’ Association zur konservativen Behandlung und Prävention von Sprunggelenkdistorsionen empfiehlt daher, bei Verstauchungen des Grades 1 und 2 von Beginn an auf eine Immobilisation zu verzichten. Dadurch werden nachweislich die Funktion und die Stabilität des Sprunggelenkes verbessert. Darüber hinaus werden Schwellungen reduziert, die Zufriedenheit der Patient:innen erhöht und die Rückkehr zu Arbeit und Sport beschleunigt.2, 4 Bei Distorsionen des Grades 3 hingegen sollte das Gelenk zunächst für mindestens 10 Tage mithilfe einer Schiene oder eines Gipsverbandes ruhiggestellt werden. Die Verwendung von Kinesiotape ist nicht empfohlen, da es bei instabilen Sprunggelenken keinen ausreichenden Halt bietet.1 Bei der mechanischen Stabilisierung zeigen halbstarre Sprunggelenkschienen eine höhere Effektivität als elastische Bandagen. In Studien zeigten sie eine Verbesserung der subjektiven Gelenkstabilität sowie eine Reduzierung der Zeiten bis zur Rückkehr zu Arbeit und Sport.2 Anschließend beginnt die Phase der funktionellen Behandlung mittels therapeutischer Übungen, die den Goldstandard in der Behandlung von Sprunggelenkdistorsionen darstellen.4
Um wiederkehrende Verletzungen und das damit verbundene Risiko einer langfristigen Gelenkdegeneration bei Sportler:innen zu vermeiden, sind gezielte Maßnahmen erforderlich. Besonders bewährt haben sich umfassende, übungsbasierte Präventionsprogramme sowie Gleichgewichtstraining im Rahmen der Rehabilitation. Ziel ist es, durch eine verbesserte neuromuskuläre Kontrolle künftigen Verstauchungen vorzubeugen. Ebenfalls kann die Stärkung der Bein- und Hüftmuskulatur präventiv wirken. Zusätzlich werden im Sportbereich oft Tapes oder Sprunggelenkbandagen zur Stabilisierung und Prävention verwendet. Personen, die bereits Sprunggelenkverletzungen hatten, können so gezielt das Risiko erneuter Verletzungen reduzieren.4
Einige kursierende Empfehlungen sind nicht wissenschaftlich belegt und sollten daher mit Vorsicht behandelt werden. Hierzu zählen beispielsweise physikalische Anwendungen wie Ultraschall, Diathermie, Elektrotherapie und Lasertherapie. Eine Studie zeigt beispielsweise keinen Unterschied in Hinblick auf Schmerzen oder Funktionalität zwischen der Verwendung von Ultraschall oder Placebo.1, 2 Die Behandlung mittels Akupunktur wurde zwar in einer Leitlinie mit Empfehlungsgrad B eingestuft, die Evidenz ist aufgrund der Heterogenität der Studien jedoch nicht schlüssig.1