Reflux hat viele Gesichter

Sodbrennen ist eine der häufigsten Beschwerden in der allgemeinmedizinischen Praxis. Rund 20 % der westlichen Bevölkerung sind regelmäßig davon betroffen, Tendenz steigend.

Pathophysiologie und Formen

Beim klassischen GERD kommt es zu einem Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre, meist durch eine Insuffizienz des komplexen Verschlussmechanismus am gastroösophagealen Übergang, das in seiner Gesamtheit als „unterer Ösophagussphinkter“ bezeichnet wird. Entsprechend der Montreal-Klassifikation trifft man eine Einteilung in erosive Formen (ERD), nichterosive Verlaufsformen (NERD) und GERD mit Komplikationen.

Extraösophageale Manifestationen der Refluxkrankheit können sich durch Symptome außerhalb des Verdauungstraktes zeigen – etwa durch chronischen Husten, Heiserkeit oder asthmaähnliche Beschwerden. Die Refluxkrankheit ist oft also kein rein gastrointestinales Problem, sondern eine potenziell systemische Herausforderung. Zu erwähnen sind auch noch die Patient:innen mit Refluxbeschwerden und unauffälliger pH-Metrie-Impedanz-Messung, wovon ca. 1/3 an einem hypersensitiven Ösophagus und 2/3 an funktionellem Sodbrennen leiden.

Symptome und Differenzialdiagnosen

Typische Refluxsymptome sind retrosternales Brennen, saure Regurgitation und Druckgefühl im Oberbauch. Doch viele Patient:innen klagen über unspezifischere Beschwerden wie Halsschmerzen, Räusperzwang, Hustenreiz, Heiserkeit oder Asthma. Hier ist Differenzialdiagnostik gefragt: Auch HNO-Ursachen, pulmologische Erkrankungen oder funktionelle Störungen können sich ähnlich äußern. Unspezifische Beschwerden sollten also stets Anlass sein, sowohl an extraösophageale Refluxmanifestationen zu denken als auch andere Differenzialdiagnosen sorgfältig zu prüfen.

Diagnostik

Die Anamnese bleibt das zentrale Element in der Reflux-Diagnostik: Häufigkeit, Essgewohnheiten, tageszeitliche Muster und Trigger (z. B. Kaffee, Alkohol, Stress) geben wertvolle Hinweise. Symptomfragebögen wie der „GERD-HRQL“, „GERD-Q“ oder der „Reflux-Symptom-Index“ (RSI) können die erste Einschätzung unterstützen. Bei Alarmzeichen (Dysphagie/Odynophagie, ungewollter Gewichtsverlust, Anämie, rezidivierendes Erbrechen oder positive Familienanamnese für gastrointestinale Tumoren) oder Risikokonstellationen (Männer > 50 Jahre, europäische Herkunft, langjährige Refluxanamnese, Adipositas) ist eine zeitnahe Gastroskopie indiziert.

Besteht nach einem 8-wöchigen adäquaten PPI-Versuch und Einhalten von Allgemeinmaßnahmen keine Besserung, sollte ebenfalls eine weiterführende Diagnostik mittels Gastroskopie nach 2–4-wöchiger PPI-Pause folgen. Zeigt sich hierbei ein makroskopisch unauffälliger Befund und ist die Diagnose immer noch unklar, kann zur weiteren Abklärung eine Zuweisung in die Spezialambulanz zur Funktionsdiagnostik mittels HR-Manometrie und pH-Metrie-Impedanz-Messung des Ösophagus erfolgen.

Therapieoptionen

Die therapeutische Herangehensweise an die Refluxkrankheit sollte stets individuell erfolgen und sich an der klinischen Ausprägung sowie den Bedürfnissen der Patient:innen orientieren. Der sogenannte „PPI-Trial“ – also der therapeutische Einsatz eines Protonenpumpeninhibitors über einen begrenzten Zeitraum von etwa 4 bis 8 Wochen – gilt als gängiger Erstansatz bei typischen Refluxsymptomen. Der langfristige Einsatz von PPI sollte jedoch regelmäßig reevaluiert werden.

Bei extraösophagealen Manifestationen – wie chronischem Husten oder Heiserkeit – ist die Evidenzlage zur PPI-Therapie uneinheitlich. In vielen Fällen ist der Einsatz von Alginaten, die eine physikalische Barriere gegen den Reflux bilden, zielführender. Für Patient:innen mit funktioneller Refluxsymptomatik ist oft ein multimodales Therapiekonzept notwendig. Verhaltenstherapie und/oder Neuromodulatoren sollten hier in Betracht gezogen werden.

Für ausgewählte Patient:innen mit therapierefraktärer Refluxkrankheit oder anatomischen Ursachen wie einer großen Hiatushernie kann eine chirurgische Intervention sinnvoll sein. Die häufigste Methode ist die laparoskopische Fundoplicatio nach Nissen oder Toupet, bei welcher der obere Magenanteil um den unteren Ösophagussphinkter geschlungen und fixiert wird. Ziel ist eine mechanische Verstärkung der Antireflux-Barriere. Die Indikation zur OP sollte ausnahmslos nach sorgfältiger Diagnostik (inkl. Endoskopie, HR-Manometrie, pH-Metrie und Impedanzmessung) und interdisziplinärer Abwägung gestellt werden. Bei sorgfältiger Patientenauswahl können durch die Operation langanhaltende Symptomfreiheit und eine Reduktion der PPI-Abhängigkeit erzielt werden.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

Nichtmedikamentöse Maßnahmen stellen eine tragende Säule der Refluxtherapie dar. Eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Patient:innen gehört zu den effektivsten Maßnahmen. Weitere bewährte Strategien sind der Verzicht auf spätes Abendessen, große Portionen, das Meiden von Auslösern wie Alkohol, Nikotin, Kaffee und fettigen Speisen sowie das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper. Auch eine Atemphysiotherapie zum Training der Bauchatmung kann zur Symptomlinderung beitragen.

Fazit

Reflux ist mehr als nur Sodbrennen. Für die hausärztliche Praxis bedeutet das: achtsames Hinhören, gezielte Diagnostik und ein differenziertes Therapiekonzept. Nicht jeder „Reflux“ braucht PPI – aber alle Patient:innen mit Refluxsymptomen verdienen eine individuelle Betrachtung. Wer trotz Therapie Symptome zeigt, braucht ggf. eine Anpassung der Diagnose oder ein interdisziplinäres Vorgehen (z. B. HNO, Gastroenterologie, Psychosomatik).