Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) hat den Jahresabschluss 2024 fixiert und legt damit endgültige Zahlen vor. Und die sehen düsterer aus als bisher gedacht. RELATUS hat die Daten analysiert.
Würde erneut eine nationale Gesundheitskrise auftreten oder die Wirtschaft noch stärker abflauen, wäre die ÖGK nicht mehr in der Lage ihre Leistungen aufrecht zu erhalten. Das zeigt der Jahresabschluss der Kasse im Detail. Konkret: die Kasse ist gesetzlich verpflichtet, ein Zwölftel der Ausgaben als so genannte Leistungssicherungsrücklage auf der hohen Kante zu haben. Damit soll man im Notfall einen Monat über die Runden kommen, wenn alle Stricke reißen. In Zahlen: die ÖGK müsste für 2024 eine Leistungssicherungsrücklage in der Höhe von 1,7 Milliarden Euro ausweisen. Tatsächlich weist die Bilanz der Kassen hier eine Null aus. Schon 2023 lag die Leistungssicherungsrücklage nur bei 526,6 Millionen Euro und hätte damit nur für rund 10 Tage gereicht, 2022 waren es 926 Millionen und damit etwas mehr als zwei Wochen. Ein Minus im laufenden Betrieb von 551,5 Millionen Euro – und damit mehr als erwartet – hat nun auch die letzten Reserven aufgebraucht. Im November des Vorjahres war die ÖGK noch von einem Verlust in Höhe von 481 Millionen Euro ausgegangen.
Verantwortlich dafür gemacht werden die intensive Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und die schwierigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die ÖGK betonte in einer Aussendung, dass nur zwei Prozent der Beiträge für Verwaltung und Organisation aufgewendet worden seien. Allerdings ist dieser Bereich im Vorjahr um 13,8 % gestiegen. Zum Vergleich: die Einnahmen stiegen um 8,4 %, die Ausgaben für Ärztliche Hilfe um 10,4 % und die Ausgaben für Arzneimittel um 7,4 %. Erklärung der Kasse im Jahresbericht: „Ein wesentlicher Faktor bei den Kostensteigerungen betrifft die kollektivvertragliche Lohn- und Gehaltserhöhung in Höhe von 9,15 %. Darüber hinaus wurde vor allem in den strategisch wichtigen Bereichen Prozessoptimierung und Digitalisierung kurzfristig investiert, um langfristig durch klare einheitliche Prozesse und digitale Lösungen zur Vereinfachung und Modernisierung der Verwaltung Effizienzpotentiale zu heben.“
Selbst unter schwierigen Rahmenbedingungen sei die ÖGK auch 2024 ihrer Verantwortung „für eine flächendeckende, solidarische Gesundheitsversorgung“ nachgekommen, versichert die Kasse: „Das zweite Rezessionsjahr in Folge, die anhaltend hohe Inflation, das Fehlen eines gesamtwirtschaftlichen Aufschwungs, die demografischen Belastungen und Nachwirkungen der Pandemie stellten die Sozialversicherung ebenso wie die Versicherten vor große Aufgaben.“ Dennoch sei es der ÖGK gelungen, mit einem Gesamtbudget von 20,8 Milliarden Euro, die Gesundheitsversorgung für 7,6 Millionen Menschen stabil zu sichern und weiterzuentwickeln.
Kritik kam am Donnerstag unter anderem von der Ärztekammer: Dietmar Bayer, Kurienobmann der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in der Steiermark, ortet in den Zahlen „ein klares Zeichen für strategisches Versagen des Managements.“ Statt zukunftsorientierter Reformen setze die ÖGK auf kurzfristige Einsparungsversuche – „mit gravierenden Folgen für die Versorgung der Versicherten.“ Bayer betont, dass die wiederholten Einsparungsversuche – etwa durch Leistungskürzungen – das Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitssystem weiter untergraben: „Wer nur noch an der Kostenschraube dreht, ohne strukturelle Reformen anzugehen, gefährdet die wohnortnahe Versorgung und verschärft den Ärztemangel. Die Leidtragenden sind letztlich die Versicherten, die auf eine funktionierende Gesundheitskasse angewiesen sind.“ Bayer fordert erneut einen grundlegenden Kurswechsel im Management und die „sofortige Beistellung eines Regierungskommissärs zur Sanierung der ÖGK“. (rüm)