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Selten stoßen Strukturänderungen in Gesundheitsbereich auf breite Gegenliebe. Meist gibt es Proteste von Beschäftigten und Patient:innen. Das sorgt derzeit in den Bundesländern für Verunsicherung.
Jetzt ist wieder passiert: Nachdem jahrlange Bürgerproteste gegen eine geplantes Schwerpunktkrankenhaus in der Obersteiermark letztlich die Landtagswahlen in der Steiermark entschieden haben, hat eine Expert:innenkommission nun einen Plan B ausgearbeitet. Statt dem Leitspital in Stainach-Pürgg (Bezirk Liezen) soll nun das „Spitalsnetz Bezirk Liezen“ kommen. Es sieht medizinische Schwerpunkte in Rottenmann, Bad Aussee und Schladming sowie verstärkte Kooperationen vor. An den drei Akutstandorten Bad Aussee, Rottenmann und Schladming hat es in den vergangenen Jahren teils niedrige Auslastungszahlen gegeben.
Geplant ist die Etablierung medizinischer Schwerpunkte in Rottenmann, Bad Aussee und Schladming sowie verstärkte Kooperationen. Mit der Akutversorgung durch drei bodengebundene Notarztstützpunkte und einem nachtflugtauglichen Notarzthubschrauber sowie der Versorgung im niedergelassenen Bereich mit zwei bestehenden Gesundheitszentren, 43 Hausarzt- und 55 Facharzt-Kassenstellen soll so eine engmaschige Versorgung der Bevölkerung gewährleistet werden. Das mag gut gedacht sein, bei der Bevölkerung und den Beschäftigten kommt es erneut nicht besonders gut an. Umgekehrt vernichten auch Befürworter der ursprünglichen Fusionslösung, wie er ehemalige Rektor der Meduni Graz Hellmut Samonigg, den neuen Plan D.
Die Steiermark ist damit nicht allein: auch der Reformplan in Niederösterreich, der Zusammenlegungen, Schließungen, neue PVE und neue Schwerpunkte vorsieht, stößt auf Kritik. Dabei war die Landesregierung bemüht, möglichst alle Stakeholder ins Boot zu holen und feierte den Schulterschluss entsprechend. Kaum unterschrieben, gab es allerdings in den betroffenen Gemeinden Kritik. Auch in Vorarlberg sorgt allein die Ankündigung, dass im Herbst eine Reform vorgelegt werden soll, für kräftigen Unmut.
Tatsächlich sucht die Politik seit Jahren nach Lösungen, wie man die Bevölkerung bei Spitalsreformen ins Boot holen kann. Gelungen ist das bisher noch nie. Eine direktere Einbindung von Bürger:innen in politische Entscheidungsfindungen, inklusive einer gemeinsamen Diskussion der jeweiligen Problemstellung sowie der Erläuterung von möglichen Lösungen, würde diesen Entwicklungen entgegenwirken. Doch genau davor scheut sich die Politik, ist doch das Thema, wie das Beispiel Steiermark gezeigt hat, nicht nur heikel, sondern auch wahlentscheidend. Der Grund liegt darin, dass Gesundheit vor allem ein emotionales Thema ist und Menschen etwas, das ihnen genommen wird, wesentlich dramatischer sehen als etwas Neues, das sie im Gegenzug bekommen.
Die Verhaltensökonomie bezeichnet das als Endowment Effect für dessen Beschreibung es auch den Nobelpreis gab: Individuen messen einem Gut einen höheren Wert bei, wenn sie dieses Gut besitzen, als wenn sie es nicht besitzen, obwohl es objektiv betrachtet in beiden Fällen den gleichen Wert hat. Ein Gut zu verkaufen, fühlt sich dabei wie ein Verlust des Gutes an. Im Rahmen der Prospect Theory gilt, dass solch ein Verlust stärker negativ empfunden wird als die positive Wirkung eines Gewinnes in gleicher Größe. Rationale Argumente etwa für mehr Qualität in der Gesundheitsversorgung reichen somit nicht aus. (rüm)