Kassenminus, Wartezeiten, Personal am Limit, Lieferengpässe bei Medikamenten: die Politik sucht Lösungen für die Misere. Gleichzeitig verhärten sich die Fronten vor allem in den Bundesländern.
Das Kassenminus sorgt in der Politik für Unruhe – auch wenn die zuständige Ministerin zu beruhigen versucht und trotz aufgebrauchter Leistungssicherungsrücklage in der ÖGK noch ausreichend Liquidität sieht. Die Rahmenbedingungen für die Kasse sind allerdings alles andere als günstig. Die Bundesländer als Spitalsträger verschieben immer mehr Leistungen in den niedergelassenen Bereich, der Bund trickst beim höheren Beitrag der Pensionist:innen mit Verschiebungen – was nichts am gesamtstaatlichen Defizit ändert. Und das muss unter Aufsicht der EU sinken, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Eine breite Erhöhung der Beitragssätze ist nicht möglich, ein Kappen der Ausgaben auch nicht. Guter Rat ist also teuer. Dazu kommt, dass Österreich mit dem Problem nicht allein dasteht.
Auch Deutschland bluten die Kassen. Im kommenden Jahr fehlen den Krankenkassen dort vier Milliarden Euro. Nur ein Jahr später, 2027, reißt das Finanzloch richtig auf: Laut Prognosen aus dem Bundesgesundheitsministerium fehlen den Kassen dann mehr als 12 Milliarden Euro. Zum Vergleich: ohne Maßnahmen würde das Minus der ÖGK heuer schon fast eine Milliarde Euro betragen. Auch in Deutschland will man versuchen zu sparen und die Beitragssätze erhöhen. Die betragen dort im Schnitt aber schon 17,5 % (in Österreich 7,65 %) und könnten 2027 auf bis zu 18,3 % steigen. Das zeigt, dass es unabhängig von den strukturellen Problemen in Österreich auch wenig steuerbare Rahmenbedingungen gibt, wie die demographische Entwicklung, die gesamtwirtschaftliche Lage und den medizinisch-technischen Fortschritt.
All das bereitet der Koalition Sorgen, auch wenn man nach Außen betont, dass mit den nun gesetzten Maßnahmen die Lage der ÖGK im Griff ist. Dass es das nicht ist, zeigt wachsende Kritik aus den Bundesländern. Innerhalb der Kasse bremsen die ehemaligen Funktionäre der Gebietskrankenkassen wo es geht, wie man hört. Jetzt ziehen sie zunehmend auch die Landespolitik auf ihre Seite. Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) bezeichnet die Gesundheitskassenreform, die unter der Regierung von Bundeskanzler Kurz (ÖVP) umgesetzt worden war, als „Fehler“. „Es braucht durchaus die Reform von der Reform“, sagte der am Sonntag in der ORF-Pressestunde. Als Problem macht Mattle die Zentralisierung aus. So würden in den Bundesländern Defizite gespürt, die ausgeglichen gehörten, sagte er. Auch aus Salzburg, Vorarlberg und Oberösterreich hört man Kritik, aus den roten Bundesländern Kärnten, Wien und dem Burgenland sowieso. „Ich kann wenig damit anfangen, wenn wichtige – damals mit den Bundesländern gemeinsam ausgearbeitete – Reformen in der Sozialversicherung immer wieder von verschiedenen Seiten aus politischen Motiven angezweifelt und kritisiert werden“, klingt Peter McDonald, schwarzer Vorsitzender im Dachverband der Österreichischen Sozialversicherungen und aktuell Vize-Obmann der ÖGK, fast resigniert.
Der wachsende Widerstand aus den Ländern könnte die Pläne der Bundesregierung für eine größeren Wurf im Gesundheitswesen kippen. Generell verdichteten sich zuletzt die Hinweise, dass die Länder bereit waren, im Zuge der Reformpartnerschaft den Spitalsbereich abzugeben und umgekehrt den Bildungsbereich komplett vom Bund zu übernehmen. Das Minus der ÖGK und stockende Verhandlungen mit der Ärzteschaft in den Bundesländern bewirken bei einigen Ländern aber einen Meinungsumschwung. Sie wollen nun die Zeit zurückdrehen. Und sie finden immer mehr Verbündete. (rüm)