Ist Österreich im Arzneimittelbereich ein Billig- oder ein Hochpreisland? Die Debatte wird seit Jahren geführt. Die Industrie verweist auf Rabatte, die man rückwirkend gewährt. Jetzt liegen Zahlen vor.
Für die Pharmaindustrie ist klar: Wachsender Arzneimittelbedarf und damit verbundene, höhere Ausgaben liegen nicht im Verantwortungsbereich der Branche selbst. Umgekehrt würden die Preisregularien die Medikamentenpreise seit Jahren immer tiefer drücken, erklärt der Pharmaverband Pharmig. Dabei steuere die Industrie ihrerseits einen gewichtigen Beitrag zur Finanzierung des Gesundheitswesens bei. „Das mag für manche überraschend klingen, läuft aber schon seit Jahren so. Denn durch Rückzahlungen im Rahmen sogenannter ‚Preismodellvereinbarungen‘ fließen jedes Jahr Millionenbeträge von pharmazeutischen Unternehmen zurück an die Sozialversicherung. Letztes Jahr waren es mehr als 450 Millionen Euro“, sagt Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog.
Da dies seitens der Österreichischen Gesundheitskasse nicht transparent ausgewiesen werde, sei das Wissen über diese signifikanten Beiträge aus der Industrie nur bei wenigen vorhanden, betont Herzog. Tatsächlich weist die ÖGK die Einnahmen aus den von Herzog als „Preismodellvereinbarungen“ bezeichneten Rabatten sehr wohl in ihrer Bilanz aus. Im Vorjahr machten die „Rückersätze“ – so die Bezeichnung der ÖGK – 455,72 Millionen Euro aus. Bei Gesamtausgaben für Arzneimittel von 4,03 Milliarden Euro sind das immerhin 11,3 Prozent. Im Jahr 2023 waren es übrigens 397,19 Millionen Euro und damit Rabatte in der Höhe von rund 10,6 Prozent.
Abseits der Rückzahlungen würden die Preise von erstattungsfähigen, patentfreien Medikamenten durch gesetzliche Mechanismen extrem niedrig gehalten und künstlich immer weiter nach unten gedrückt, kritisiert Herzog. „Unter diesen widrigen Umständen versuchen die Unternehmen dennoch, so gut wie möglich ihre Produkte auf dem hiesigen Markt zu halten. Mehr kann die Industrie zu einer sicheren Versorgung nicht tun.“
Um den Preisverfall im patentfreien, erstattungsfähigen Markt zu dokumentieren, rechnet Herzog vor, dass eine Medikamentenpackung, die im Jahr 1996 noch umgerechnet zehn Euro kostete, heute 6,18 Euro kostet. „Dagegen ist alles andere teurer geworden.“ Die Kombination aus hohen Betriebskosten, überdurchschnittlicher Inflation und starren Preisregelungen wirke wie eine schleichende Aushöhlung – sowohl der pharmazeutischen Unternehmen als auch der Versorgung, warnt er. Im Durchschnitt würden pro Monat an die zwanzig Medikamente den Erstattungskodex, verlassen weil es sich für die Unternehmen nicht mehr rechne, diese Produkte auf dem Markt zu halten.
Vor dem Hintergrund der internationalen Zoll-Debatte mahnt Herzog zudem eine grundlegende Änderung der Einstellung zu Medikamenten ein: „Die Zeit der billigen Medikamentenpreise ist vorbei. Es ist höchst an der Zeit, dass Arzneimittel als Investition in die Gesundheit, in die Wirtschaft und in die Zukunft Österreichs gesehen werden. Wenn wir eine sichere Versorgung, einen starken Standort und innovative Medikamente in Österreich haben wollen, dann geht all das nicht ohne eine starke pharmazeutische Industrie. Sie ist die Voraussetzung für all das. Das muss der Politik und dem Zahlersystem klar sein.“ (red)