Interview

Atypische Symptome bei eosinophiler Ösophagitis

Aktuelle Studiendaten zeigen: Neben Dysphagie als Leitsymptom der eosinophilen Ösophagitis (EoE) treten auch Odynophagie, retrosternale Schmerzen und das sogenannte FIRE-Phänomen deutlich häufiger auf als bislang angenommen. Im Interview erklärt Priv.-Doz. Dr. Philipp Schreiner (MedUni Wien), warum diese atypischen Symptome mehr Aufmerksamkeit verdienen.

Herr Dr. Schreiner, Dysphagie gilt als Leitsymptom der eosinophilen Ösophagitis (EoE). Neue Daten aus der Schweizer Kohortenstudie1, an der auch Sie beteiligt sind, zeigen jedoch, dass atypische Beschwerden deutlich häufiger vorkommen als bisher angenommen.
Schreiner: Die auf einer Typ-2-Entzündung beruhende EoE ist primär durch Dysphagie gekennzeichnet, dieses Leitsymptom tritt bei 70–80 % der Patient:innen auf. Daneben gibt es aber auch atypische Beschwerden wie die Odynophagie, d. h. Schmerzen beim Schlucken; den retrosternalen Schmerz, der unabhängig vom Schlucken auftritt; und das sogenannte FIRE. Die Abkürzung steht für „food-induced immediate response of the esophagus“ und beschreibt einen brennenden Schmerz hinter dem Brustbein, der nach Kontakt der Speiseröhre mit bestimmten Lebensmitteln sehr schnell auftritt. Diese atypischen Symptome sind keineswegs selten; so leidet etwa ein Viertel der EoE-Patient:innen unter Odynophagie, ein Achtel unter retrosternalen Schmerzen und etwas weniger als die Hälfte unter FIRE-Symptomen.

Welche Rolle spielen atypische Symptome in der Diagnose?
Wir wissen aktuell nicht, wie viele EoE-Patient:innen solche atypischen Beschwerden ohne das Leitsymptom der Dysphagie haben. Aber wir müssen davon ausgehen, dass es solche Fälle gibt. Daher sollten Behandler:innen bei Odynophagie, retrosternalen Schmerzen oder FIRE – auch ohne Dysphagie – an eine EoE als mögliche Ursache denken. Bei der Diagnose der EoE gibt es jedenfalls noch Luft nach oben: Bei einem Drittel der Patient:innen vergehen vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung mehr als 10 Jahre – eine eindeutig zu lange Zeit.

„Bei einem Drittel der Patient:innen vergehen vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung mehr als 10 Jahre – eine eindeutig zu lange Zeit.“

Welche Bedeutung haben diese Symptome für Betroffene im Alltag und im Umgang mit der Erkrankung?
Unsere Daten zeigen, dass Patient:innen mit Odynophagie generell eine höhere Symptomlast und damit einhergehend eine schlechtere Lebensqualität haben. Ähnlich verhält es sich beim retrosternalen Schmerz – ein unspezifisches Symptom, das auch bei Refluxerkrankungen auftritt. Um festzustellen, ob es sich im Einzelfall um ein EoE-assoziiertes Symptom handelt, eignet sich die Magenspiegelung mit Biopsieentnahme: EoE-Patient:innen mit retrosternalen Schmerzen zeigen typischerweise in der Spiegelung keine vermehrten Refluxzeichen.
In Hinblick auf die Behandlung ist davon auszugehen, dass eine effektive Therapie der EoE – sei es mittels Diät, topischer Kortikosteroide oder Biologika – auch die atypischen Symptome der Erkrankung lindern kann; das ist aber noch nicht durch Daten belegt, da diese Endpunkte in bisherigen Studien nicht erfasst wurden. Aber Erfahrungen aus dem klinischen Alltag zeigen, dass auch die atypischen Beschwerden weniger werden.

Bislang werden atypische Symptome weder in Leitlinien noch in Scores berücksichtigt. Halten Sie es für notwendig, dies zu ändern?
Ja, es ist wichtig, atypische Symptome wie Odynophagie und retrosternalen Schmerz zukünftig als diagnostische Zeichen und Verlaufsparameter der EoE zu etablieren.
Bleiben wir zunächst bei der Diagnose: Die Beschreibung von atypischen EoE-Symptomen in relevanten Leitlinien könnte die Awareness für diese Art der Beschwerden steigern und so zu einer früheren Diagnosestellung beitragen. Bei Erwachsenen ist die Dysphagie zwar das Leitsymptom, aber es gibt vermutlich eben auch Patient:innen, bei denen die atypischen Symptome im Vordergrund stehen oder sich vielleicht früher manifestieren. Kinder mit EoE präsentieren sich überhaupt häufig mit atypischen Symptomen, nicht unbedingt mit Odynophagie, aber mit refluxähnlichen Beschwerden. Das sollten wir als Ärzt:innen bedenken, und die Konsequenz ist immer eine Gastroskopie mit Biopsien.
In Hinblick auf die Therapie muss man vielleicht nicht bei jeder Verlaufskontrolle einen Score erheben, aber man sollte die Patient:innen doch auch gezielt nach atypischen Symptomen fragen – vor allem, weil wir wissen, dass Patient:innen mit diesen Symptomen eine höhere Krankheitslast und schlechtere Lebensqualität haben.

„Atypische Symptome wie Odynophagie oder retrosternaler Schmerz sollten künftig als diagnostische Zeichen und Verlaufsparameter der EoE etabliert werden.“