Senföle gegen virale Infektionen

Die virusepidemiologische Information des Zentrums für Virologie (MedUni Wien) im September 2025 bestätigt anhand der erhobenen Zahlen auch für dieses Jahr: Die saisonale Zunahme akuter Atemwegsinfektionen ist ein wiederkehrendes Phänomen, das durch vermehrte Aufenthalte in Innenräumen, sinkende Außentemperaturen und eine erhöhte Übertragungswahrscheinlichkeit in geschlossenen Räumen (z. B. zu Schulbeginn) begünstigt wird. Die stichprobenmäßige Erfassung von Infektionen mit respiratorischen Viren in Österreich (Sentinel-System) ergab in KW 40/2025, dass sich die Herbsterkrankungswelle aktuell fortsetzt. Die Auswertung von fast 230 Einsendungen ergab eine Gesamtpositivität von deutlich über 70 %, in 60 % der positiven Proben wurden Rhinoviren nachgewiesen.1
Im Durchschnitt erkranken Erwachsene 2–3-mal jährlich an einer respiratorischen Infektion, bei Kindern ist dies doppelt so oft oder öfter der Fall. Bei einer herkömmlichen Erkältung (auch als grippaler Infekt bezeichnet) sind die oberen Atemwege aufgrund einer Infektion – in der überwiegenden Zahl der Fälle mit Viren – entzündet. Zu den häufigsten Symptomen zählen Rhinitis, Pharyngitis, Husten, Heiserkeit und Abgeschlagenheit. Die Mehrheit der respiratorisch pathogenen Viren verursacht eher mild verlaufende Infektionen, abhängig vom individuellen Immunstatus sind aber auch schwere Verläufe möglich.2

Antibiotika nicht indiziert

Da Viren im Gegensatz zu Bakterien keine Zellwand und keinen eigenen Stoffwechsel aufweisen und zur Vermehrung eine Wirtszelle benötigen, bieten sie für Antibiotika praktisch keine therapeutischen Angriffspunkte. Eine virale Infektion stellt demnach (abgesehen von wenigen Ausnahmen wie z.B. bakterielle Superinfektionen) keine Indikation für eine Behandlung mit Antibiotika dar.3

Pflanzliche Wirkstoffe von zunehmender Bedeutung

Phytopharmaka spielen in der Behandlung von Erkältungen eine immer größere Rolle, was nicht zuletzt der auf sie abgestellten Forschung und den daraus resultierenden Daten geschuldet ist.4 So konnte etwa für Pflanzenextrakte aus Thymian, Echinacea, Holunder sowie für Senföle eine gute antivirale Wirksamkeit gezeigt werden.5–7

Senföle gut untersucht

Insbesondere die Forschung zur Wirkung der Senföle bei Atemwegsinfektionen blickt auf eine lange Tradition zurück.8 Aber auch neuere Untersuchungen zeigen ihre Wirksamkeit.So zeigt eine Dissertation der Universität Gießen, Deutschland, anhand von In-vitro-Untersuchungen die antivirale Wirksamkeit verschiedener Senföle bei der Behandlung von akuten entzündlichen Erkrankungen der Atemwege im Hinblick auf die Vermehrung von humanpathogenen respiratorischen Viren.9
Die praktische Relevanz verdeutlicht eine rezente randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Phase-IV-Studie mit 384 Patient:innen mit Bronchitis. Die Einnahme einer Kombination von Senfölen aus dem Kraut der Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) und der Wurzel des Meerrettichs (Armoracia rusticana) führte in Vergleich zu Placebo zu einer statistisch signifikant beschleunigten Heilung der Bronchitissymptome wie Husten, Schleimproduktion und Brustschmerzen bereits nach 3 Tagen. Die Messung erfolgte anhand der Bronchitis Severity Scale (BSS) als primärer Endpunkt. Der gezeigte positive Effekt hielt über die gesamte Behandlungsdauer von 10 Tagen an.10
Bereits zuvor wurden im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie an 251 Zentren in Deutschland Patient:innen mit akuter Sinusitis oder akuter Bronchitis entweder mit einer Kombination von Senfölen aus Kapuzinerkresse und Meerrettich oder mit Standardantibiotika behandelt. Die Behandlungsergebnisse der beiden Gruppen hinsichtlich Besserung der Symptome waren vergleichbar; die mit dem pflanzlichen Präparat behandelten Patient:innen benötigten weniger unterstützende Maßnahmen oder begleitende Behandlungen als jene der Antibiotikagruppe.11
Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Studie mit vergleichbarem Design, in die Kinder im Alter ab 4 Jahren eingeschlossen waren. Neben ihrer Wirksamkeit erwiesen sich die Pflanzenextrakte in allen Altersstufen als gut verträglich.12
Auch die prophylaktische Behandlung rezidivierender Atemwegserkrankungen erwies sich im Rahmen einer multizentrischen, randomisierten Phase-III-Studie an 12 Zentren als erfolgreich: Patient:innen, die im vorhergehenden Winterhalbjahr mindestens 2 Infektionen der oberen Atemwege hatten und über eine Dauer von bis zu 84 Tagen eine Kombination von Senfölen aus Kapuzinerkresse und Meerrettich erhielten, zeigten eine signifikant geringere Reinfektionsrate als jene, die im gleichen Zeitraum Placebo erhielten.13

Senföle – Isothiocyanate (ITCs)

Senföle zählen zu den am besten untersuchten arzneilich wirksamen Pflanzenextrakten. Senföle sind Isothiocyanate (ITCs), die durch das Enzym Myrosinase aus ihrer inaktiven Vorstufe (Glykoside oder Glucosinolate) entstehen. Bisher konnten über 120 verschiedene Glucosinolate aus Pflanzen isoliert werden.
Durch ihren stechenden Geruch und scharfen Geschmack dienen sie den Pflanzen als Schutz vor Fressfeinden, Insekten, Bakterien und Pilzen. ITCs kommen in der freien Natur u. a. in der Kapuzinerkresse (Tropaeoli majoris herba) und in der Meerrettichwurzel (Armoraciae rusticanae radix) vor. Die Verträglichkeit sowie antibakterielle und antivirale Wirksamkeit von Senfölen konnten sowohl in vitro als auch in vivo belegt werden; die Kombination verschiedener Senföle konnte eine noch bessere Wirksamkeit erzielen.9