© Tanzer In der ÖGK überbieten sich derzeit die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerseite mit Reformvorschlägen. Die einen haben Wahlärzt:innen im Visier, die anderen wollen die Versicherten in die Pflicht nehmen.
Der aktuelle Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss, plädiert für eine Obergrenze für Wahlarztrechnungen nach deutschem Vorbild. Er habe „immer mehr Beschwerden von Patientinnen und Patienten, die sagen, ‚ich bezahle Unsummen bei den Wahlärzten und bekomme von der Kasse nur einen Teil zurück‘“, sagte Huss im Ö1-Radio. „Wir sehen, dass Wahlärzte wirklich das 10-, das 15-fache des Kassentarifs verlangen, das ist wirklich unzumutbar.“ Die Ärztekammer wies den Vorschlag zurück. Schon davor hat sich die SPÖ bei den Ärzt:innen mit dem Vorschlag unbeliebt gemacht, sie sollten für eine gewisse Zeit nach dem Studium verpflichtend im öffentlichen Gesundheitswesen arbeiten. Hintergrund ist der Mangel an Kassenärzt:innen und die wachsende Belastung der bestehenden Vertragsärzt:innen.
Die Arbeitgeberseite wiederum ortet das Problem nicht in der Ärzteschaft. „Wahlärzte erhöhen die Flexibilität, erweitern das Angebot des Kassensystems und leisten damit einen wichtigen Beitrag für die medizinische Versorgung in Österreich. Honorarvorschriften für Wahlärzte werden die Kooperation und das Angebot nicht verbessern. Sinnvoll wäre eine Transparenz der Kosten für die einzelnen Leistungen. Das hätte einen entscheidenden Mehrwert für die Versicherten“, erklärt Peter Lehner, Obmann der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS). „Wir, die Sozialversicherungen und die Ärzteschaft, sind Systempartner im österreichischen Gesundheitssystem und müssen im Sinne unserer Versicherten bzw. der Patientinnen und Patienten gemeinsam an der bestmöglichen Versorgung arbeiten“, unterstreicht Lehner.
Sein ÖVP-Parteikollege, ÖGK-Vize-Obmann Peter McDonald, plädiert wiederum für mehr Eigenverantwortung der Versicherten. Im Interview mit der „Kleinen Zeitung“ kritisiert er „eine Kultur der Vollkaskomentalität“ und eine „Es-steht-mir-zu-Gesellschaft“. Man müsse, wie es ja bei Wahlärzt:innen und Medikamenten schon üblich sei, über anteilige Kostenübernahme diskutieren. Die SPÖ lehnt diesen Zugang ab. Hinter den Kulissen sei das Klima zwischen einzelnen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern in der ÖGK getrübt, hört man.
Die entscheidende Frage ist, wie viel an den Problemen strukturbedingt ist und wie viel in den Kassen selbstverschuldet ist. Sie selbst führen die angespannte gesamtwirtschaftliche Lage ins Treffen, die eine Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben aufmachen. Dazu kommen Auslagerungen aus Spitälern in den niedergelassenen Bereich und die demographische Entwicklung. Antworten darauf kommen aber weder von Arbeitgebern noch Arbeitnehmern. Für die Ärzteschaft liegt der Grund darin, dass die ÖGK bei neuen Kassenverträgen bremst und die Arbeitsbedingungen schlecht sind.
Zudem sind trotz Fusion der früheren Gebietskrankenkassen die Verwaltungsausgaben in der ÖGK stärker gestiegen als in anderen Kassen. Mit 441,1 Millionen Euro lag der Nettoverwaltungsaufwand der ÖGK zuletzt um 39 Prozent höher als noch im Jahr 2020 mit 317,3 Millionen Euro. Bei der BVAEB betrug der Anstieg 22,6 Prozent, bei der SVS 22,3 Prozent. Bereinige man aber die Erfolgsrechnung der ÖGK um die gesunkenen Ersätze, so der Dachverband, ergibt sich für 2020 bis 2024 eine Steigerungsrate von nur 24,6 Prozent. Die Inflation habe in diesem Zeitraum 23,8 Prozent betragen. Die Debatte ist in jedem Fall eröffnet. (rüm)