Fahrplan für neue Versorgung von Prostatakarzinom  

© Österreichisches Onkologie Forum/Oliver Miller-Aichholz

Das Österreichische Onkologie Forum betont, dass ein strukturiertes Prostata-Screening medizinisch besser und kostengünstiger wäre und Ressourcen dorthin lenken würde, wo sie wirken.

Das Österreichische Onkologie Forum beleuchtet Herausforderungen und erarbeitet Verbesserungsvorschläge für die onkologische Versorgungslage in Österreich. Das Format wird von der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO) als Thinktank in interdisziplinärer Form organisiert. Dieser Tage stand das Prostatakarzinom im Zentrum. Kathrin Strasser-Weippl, Medizinische Leiterin der OeGHO, zeigte eine Reihe positiver Entwicklungen in dieser Indikation auf: „Es gibt kaum Wartezeiten auf Therapien. Die Zusammenarbeit zwischen Spital und Niederlassung funktioniert ebenso gut wie die Nachsorge und die stationäre Rehabilitation. Auch der Ausbau der Palliativbetten ist auf einem erfreulichen Weg.“ Dennoch ist die Botschaft der Expert:innen: Österreich braucht den Sprung von der zufälligen Prostatakarzinom-Vorsorge hin zu einem strukturierten, gegebenenfalls einladungsbasierten Screening. „Ein klarer diagnostischer Pfad, die flächendeckende Qualitätssicherung und eine verlässliche Datengrundlage sind zentrale Voraussetzungen dafür“, sagt Strasser-Weippl.

Vertreter:innen medizinischer Fachgesellschaften, der Österreichischen Krebshilfe, der Sozialversicherungen und der Gesundheit Österreich (GÖG) skizzierten konkrete Schritte für versorgungsrelevante Verbesserungen. „Aktuell werden viele PSA-Tests durchgeführt, aber häufig bei der falschen Zielgruppe, wie bei Männern über 80 Jahren, während jene, die am meisten profitieren würden, wie Männer im Alter zwischen 45 und 70 Jahren, zu selten erreicht werden“, beschreibt Shahrokh Shariat, Leiter der Universitätsklinik für Urologie am AKH Wien und des Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien sowie Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie, die Herausforderungen. Diese Schieflage führt zu teuren Überdiagnosen und Fehlsteuerungen anstelle zielgerichteter Prävention. Shariat fordert daher ein organisiertes, idealerweise einladungsbasiertes Programm mit klaren Alters- und Intervallkriterien, das auch ökonomische Vorteile hätte.

Die Vertreter:innen der urologischen und onkologischen Fachgesellschaften plädierten für einen akkordierten Vorschlag an die Sozialversicherung, eingebettet in den EU-Rahmen: ein klar strukturiertes Früherkennungsverfahren nach dem Vorbild des Mammografie-Screenings. Ein von Fachgesellschaften ausgearbeiteter Früherkennungspfad soll im ersten Quartal 2026 präsentiert werden. Die Vertreter:innen der Sozialversicherungen signalisierten Kooperationsbereitschaft, betonen aber auch die Verantwortung im Umgang mit Beitragsgeldern: „Neue Leistungen brauchen eine klare Indikation, Priorisierung und Integration in bestehende Strukturen“, sagt Arno Melitopulos, Leiter der Abteilung Versorgungsmanagement in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).

Die Diagnostik inkludiert heute eine MRT-gestützte Abklärung. „Damit können Biopsien vermieden und relevante Tumoren besser gefunden werden“, schließen sich auch der Urologe Anton Ponholzer und die Urologin Nike Morakis an. Während früher ultraschallgeführte Biopsien von niedergelassenen Fachärzt:innen durchgeführt wurden, sind Fusionsbiopsien nun aufwendiger, und die Refundierung bildet das nicht ab. „Es kommt zu einer unnötigen Verlagerung ins Spital und damit zu langen Wartezeiten und Ressourcenengpässen an den urologischen Ambulanzen, sagt Strasser-Weippl. Extramural durchgeführte Fusionsbiopsien müssen daher kostendeckend vergütet werden, um den diagnostischen Pfad zu entlasten. Auch hier fordern die Expert:innen eine vorausschauende Kapazitätsplanung ein, denn Geräte, Räume und Personal werden angesichts der Bevölkerungsentwicklung immer knapper.

Die Nuklearmedizin ist ein wesentlicher Bestandteil der integrierten Versorgung von Patienten mit Prostatakrebs, es mangelt jedoch an Kapazitäten in diesem Bereich in Österreich. PSMA-PET-Scans sind unerlässlich, um bei Hochrisikopatienten Metastasen abzuklären. Behandler:innen beklagen jedoch zu lange Wartezeiten für diese Art der Bildgebung. Was nuklearmedizinische Therapien betrifft, ist die Radioligandentherapie, die laut neuesten Studien ein weltweiter Behandlungsstandard ist, in vielen Regionen Österreichs aufgrund mangelnder struktureller und personeller Ressourcen nur beschränkt zugänglich.

Rund 7.500 Männer in Österreich werden jährlich mit der Erkrankung diagnostiziert. Nicht jeder, der diese Diagnose erhält, braucht auch eine Therapie – relevant ist, die Richtigen rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu behandeln. Gezielte Früherkennung scheint aber auch ein Kommunikationsproblem zu sein: „Männer überhaupt zu einem Arztbesuch zu bringen, ist schon eine Herausforderung, dann auch noch eine bestimmte Zielgruppe ist noch einmal eine Hürde“, beschreibt Martina Löwe, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe, eine ganz praktische Herausforderung. Sie wünscht sich dazu eine abgestimmte Kommunikation: „Nur wenn wir alle die gleiche Sprache sprechen und ein Ziel verfolgen, sind wir erfolgreich.“ Die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) setzte für ihre Versicherten bereits Anreize zur Teilnahme an Programmen zur Krebsvorsorge. „Der Prostata-Check wird Männern ab 45 Jahren und für Risikogruppen ab 40 empfohlen und auch mit 100 Euro als Anreiz unterstützt“, sagt Peter Lehner, Obmann der SVS. Doch auch er ortet Schwierigkeiten, die passende Zielgruppe anzusprechen und zu motivieren: „Die Inanspruchnahme liegt mit rund fünf Prozent deutlich unter dem Darmkrebsvorsorgeangebot mit rund 20 Prozent.“

Österreich verfügt über ein nationales Screening-Komitee für Krebserkrankungen (NSK), ein wissenschaftliches Beratungsgremium des Gesundheitsministeriums für bevölkerungsbezogene Krebs-Früherkennung. Es entwickelt evidenzbasierte Empfehlungen und unterstützt die Implementierung, Qualitätssicherung und Evaluation organisierter Screening-Programme. Obwohl das Prostatakarzinom zu den häufigste Krebserkrankungen zählt, steht es noch nicht auf der Arbeitsliste des NSK. Für Ewald Wöll, Präsident der OeGHO, ist das aber kein Grund, untätig zu bleiben: „Fachgruppen können interdisziplinär dennoch einen Vorschlag ausarbeiten, der ausreichend Gewicht im Gesundheitssystem hat und zu den Hausärzt:innen gebracht werden kann.“ Ein blinder Fleck ist – wie häufig im Gesundheitswesen – auch beim Prostatakarzinom die Datenlage. Verbesserung bringt die verpflichtende ambulante Kodierung, die ab 2026 in die Regelversorgung kommen wird. Bis dahin sind die vorliegenden Zahlen mit großer Unsicherheit behaftet. Die Register- und Outcome-Transparenz ist jedoch Voraussetzung für die Steuerung, die Planung und die Qualitätssicherung im System. (red)

Service: Onkologieforum