Migräne tritt mit einer Punktprävalenz von 20% bei Frauen und 8% bei Männern auf. Die 4 bis 72 Stunden anhaltenden Kopfschmerzattacken sind oft begleitet von Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Licht-, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit und können durch verschiedenste Trigger ausgelöst werden. Im August 2025 wurde die S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ in überarbeiteter Version mit wichtigen Neuerungen der medikamentösen Behandlung veröffentlicht.
Die Serotonin-5-HT1B/1D-Rezeptoragonisten bleiben weiterhin die wirksamsten Substanzen zur Akutbehandlung der Kopfschmerzphase bei Migräneanfällen mit oder ohne Aura. Subkutan ermöglicht Sumatriptan die wirksamste und am schnellsten wirkende Therapie akuter Migräneattacken. Peroral sind hingegen Eletriptan und Rizatriptan laut Metaanalysen die am schnellsten wirksamen Triptane. Ebenfalls hervorgehoben wird die Fixkombination aus Sumatriptan und Naproxen, die für Schmerzfreiheit nach 2 Stunden und anhaltende Schmerzfreiheit bis zu 24 Stunden wirksamer ist als die jeweiligen Monotherapien. Für Patient:innen, die aufgrund vaskulärer Kontraindikationen keine Triptane einnehmen dürfen, eignet sich der Serotonin-5-HT1F-Rezeptoragonist Lasmiditan als Alternative. Der orale CGRP-Antagonist Rimegepant stellt eine weitere Option dar. Der Wirkstoff hat primär keine vasokonstriktiven Eigenschaften, verringert jedoch möglicherweise im Fall einer akuten Ischämie die CGRP-vermittelte Vasodilatation. Im indirekten Vergleich mit Triptanen zeigt Rimegepant eine geringere Wirksamkeit, kann aber bei Patient:innen eingesetzt werden, bei denen Analgetika oder Triptane nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.
Neben den klassischen Prophylaktika werden neue Alternativen angeführt. Hierzu gehört etwa Atogepant, ein kompetitiver, selektiver CGRP-Rezeptorantagonist. Der Wirkstoff zeigt eine ähnliche Wirksamkeit wie die mAK gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor, wirkt bei episodischer sowie chronischer Migräne prophylaktisch und ist auch bei medikamenteninduziertem Kopfschmerz (MOH) wirksam. Zu beachten ist jedoch die Interaktion mit CYP3A4-Hemmern und OATP-Inhibitoren. Bei entsprechender Komedikation oder schwerer Niereninsuffizienz ist die Atogepant-Dosis von 60mg auf 10mg täglich zu reduzieren. Ebenfalls neu ist Rimegepant, das in einer Vergleichsstudie die gleiche Wirksamkeit wie Galcanezumab in der Prophylaxe der episodischen Migräne bei guter Verträglichkeit zeigte. Die Wirksamkeit von Gepanten sollte, wie bei anderen Migräneprophylaktika, nach etwa drei Monaten evaluiert werden. Nach einer Behandlungsdauer von neun bis zwölf Monaten wird ein Auslassversuch empfohlen, um zu prüfen, ob sich die Migräne spontan oder unter der Therapie so weit verbessert hat, dass keine weitere Anwendung erforderlich ist. Ausgenommen sind Patient:innen, die zu Beginn der medikamentösen Prophylaxe schwer betroffen waren, sowie Patient:innen mit MOH, Depression, Angsterkrankung oder anderen chronischen Schmerzen.
Die mAK gegen CGRP (Eptinezumab, Fremanezumab, Galcanezumab) oder den CGRP-Rezeptor (Erenumab) sind in der Prophylaxe der episodischen und chronischen Migräne wirksam und zeigen ein sehr gutes Verträglichkeitsprofil. Wichtig ist, die Therapie nicht frühzeitig abzubrechen: 50% der Patient:innen mit ausbleibendem Therapieerfolg in den ersten 12 Wochen erleben einen Wirkungseintritt nach 24 Wochen. Trotz fehlender vasokonstriktiver Eigenschaften spricht sich die Leitlinie basierend auf pathophysiologischen Überlegungen derzeit noch zurückhaltend gegen eine Behandlung von Patient:innen mit erhöhtem Risiko für vaskuläre Erkrankungen aus.