Im heutigen (Pharma-)Marketing ist Online-Sichtbarkeit ein wichtiger Aspekt. Suchmaschinenoptimierung (SEO), also gezielte Maßnahmen, um als organische (= unbezahlte) Ergebnisse in Suchmaschinen wie Google, Bing, Yahoo & Co aufzutauchen, ist daher für Unternehmen mittlerweile ein Standardvorgang. Die Sichtbarkeit der eigenen Webseite ist im SEO gut messbar. „Bisher haben wir Zeit und Geld in SEO investiert und waren damit auch erfolgreich, was sich durch vordere Plätze im Google-Ranking gezeigt hat“, berichtet Dr. Fritz Gamerith, Managing Director von Schwabe Austria. Doch seit einigen Monaten bemerken viele Unternehmen einen Rückgang des Traffics auf ihrer Webseite. SEO allein genügt heute nicht mehr, denn die Online-Suchlandschaft verändert sich durch den Einfluss der künstlichen Intelligenz (KI).
„Die aktuelle Herausforderung für Unternehmen ist, weiterhin in den bekannten Suchmaschinen präsent zu sein, aber auch in den Antworten von Sprachmodellen auf Suchanfragen aufzutauchen, entweder in Form von Quellenangaben inklusive Verlinkungen oder durch Nennung der eigenen Marke und Produkte“, erläutert DI Olaf Kopp, Head of SEO & AI Search (GEO) bei der Agentur Aufgesang in Hannover. Er berichtet ebenfalls, dass derzeit noch mehr Menschen in klassischen Suchmaschinen als bei KI-Bots unterwegs sind, sich die Tendenz jedoch zunehmend Richtung KI-Bots verschiebe: „Generative KI-Modelle bzw. Large Language Models (LLMs) stellen eine disruptive Technologie dar, die unser Rechercheverhalten massiv verändern und das Internet, wie wir es derzeit kennen, auf den Kopf stellen wird. Die Frage ist nur: Innerhalb von 3 Jahren oder von 30 Jahren? Und wie wird das neue Suchverhalten dann ausschauen? Das kann niemand genau beantworten.“ Die bereits jetzt beginnenden Auswirkungen bestehen laut Kopp darin, dass weniger über Links recherchiert wird, sondern vermehrt über die Ergebnisse, die generative KI-Systeme liefern. „In diesen KI-Antworten müssen Unternehmen daher präsent sein. Denn AI-Overviews führen schon jetzt zu einem deutlichen Rückgang des Webseiten-Traffics. Wenn nicht gegengesteuert wird, ,verkommen‘ Webseiten zu reinen Visitenkarten“, erklärt Kopp.
„Es gibt einen eindeutigen Trend hin zu KI-Abfragen, das heißt, immer mehr Menschen nutzen nicht mehr die klassischen Suchmaschinen, sondern Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT, Microsoft Copilot oder Perplexity“, bestätigt auch Julia Hahn, Head of Agency bei der Agentur Dr. Kaske in München. Ähnliches beobachtet auch Reinhard Rosenberger, Managing Director von Healthcare D3: „Auch, wenn derzeit noch der überwiegende Teil der Suchanfragen klassisch über Google stattfindet, sind die Chatbot-Anfragen auf dem Vormarsch. Google selbst ist mit seinem Overview schon sehr aktiv in Sachen KI unterwegs und verstärkt sein Engagement in diese Richtung rapide.“
Der Auftrag an Marketingverantwortliche ist somit klar: „Man muss in diesen generativen KI-Systemen präsent sein. Daher spielt GEO – das steht für Generative Engine Optimization – bereits jetzt eine wichtige Rolle. Und diese wird in Zukunft noch weiter zunehmen“, sagt Hahn. Sie ist überzeugt, dass es die schnellen Antworten sind, welche die User:innen von den herkömmlichen Suchmaschinen zu den generativen KI-Modellen locken: „Bei Suchmaschinen muss man die verschiedenen Links durchschauen, bei ChatGPT & Co bekommt man ausformulierte Antworten.“ Ursula Gastinger, Geschäftsführerin von DiLAB42 und von iab.Austria, der Interessenvertretung der österreichischen Digitalwirtschaft, ergänzt: „Generative KI-Systeme gehen auf die Fragen von Nutzerinnen und Nutzern anders ein, sie stellen Rückfragen etc. Das macht diesen Suchvorgang für viele besonders interessant.“
Auch Rosenberger glaubt, dass dies die Pluspunkte der Large Language Models sind, die dazu führen werden, dass sich diese neue Art der Suchabfragen durchsetzen wird. „Darauf müssen Unternehmen vorbereitet sein, denn die Entwicklung wird rasant voranschreiten“, betont er.
Von Unternehmensseite kann das nicht nur Gamerith bestätigen, sondern auch Julia Kühweidner, BA, Senior Product Manager OTC bei Kwizda Pharma. Sie sieht einen maßgeblichen und kontinuierlichen Wandel der Informationssuche: „Generative Suchsysteme wie ChatGPT, Microsoft Copilot und Google Gemini sichten vorab die möglichen Auswahlmöglichkeiten der Ergebnisse, bewerten diese und spielen erst dann Informationen an die Nutzerinnen und Nutzer aus. Ein gutes Beispiel dafür ist der KI-Modus der Google-Suche: Userinnen und User bekommen primär zuerst KI-Erkenntnisse – dann folgen die bezahlten Anzeigen und die organischen Suchergebnisse.“
Eines sollte man bei der Nutzung generativer KI-Systeme als „Suchmaschinen“ allerdings bedenken: „Die KI wird zwar immer besser, aber ihre Antworten sind trotzdem nicht immer korrekt“, betont Hahn.
Die befragten Expert:innen sind sich einig: GEO wird SEO nicht ersetzen, sondern ergänzen. „Beides bleibt wichtig. Unternehmen sollten aber ihre Strategie so optimieren, dass sie in beiden Suchvarianten präsent sind“, unterstreicht Hahn. Kühweidner stimmt zu: „Würde man als Marketer nur GEO oder nur SEO betreiben, würde das die Sichtbarkeit, das Ausmaß des Traffics und auch die Relevanz im digitalen Raum gefährden.“ Gamerith sieht dies ähnlich, beobachtet aber auch, dass GEO zwar von vielen Berater:innen als neues Ziel – neben SEO – präsentiert werde, es aber aktuell noch kein genaues Konzept für GEO gebe. Kühweidner stellt ebenfalls fest, dass eine federführende Strategie für GEO und KI-Monitoring derzeit noch fehlt: „Die Anbieter der verschiedenen KI-Tools ändern laufend ihre Spielregeln – wir werden in der kommenden Zeit sicher mehr Klarheit haben, wie wir als Marketer die Inhalte auf KI-Plattformen steuern können.“
Kopp kann diese Skepsis auf Unternehmensseite hinsichtlich GEO-Strategie verstehen und sieht die LLMs ebenfalls in permanenter Weiterentwicklung. Er ist aber überzeugt, dass man sich bereits jetzt mit dem Thema GEO auseinandersetzen müsse und vor allem: „Unternehmen müssen bezüglich GEO ihr Ziel klar definieren: Möchte man als Quelle genannt werden oder als Marke auftauchen? Denn dies erfordert unterschiedliche Optimierungsprozesse.“ Was bei diesen Optimierungsvorgängen zu beachten ist, dazu später mehr.
Rosenberger ist ebenfalls überzeugt, dass das Google-Ranking wichtig bleiben wird und damit SEO weiter betrieben werden muss, GEO aber zusätzlich an Bedeutung gewinnen wird. „Das bringt Veränderungen im Marketing mit sich, denn für GEO sind andere Dinge erforderlich als für SEO. LLMs gehen bei ihren Antworten stark nach Relevanz – diesen Faktor muss ich bei meinem Webseiten-Content beachten, um in den KI-Antworten aufzutauchen.“
Gastinger schließt sich dieser Sichtweise an: „Unternehmen müssen neben SEO auch GEO aktiv betreiben und dabei bedenken, dass LMMs anders auf Inhalte zugreifen als klassische Suchmaschinen, denn die KI liest das Internet anders als Menschen.“ Bei GEO sind daher laut Gastinger u.a. Faktoren wie strukturierte Daten, semantischer Aufbau und maschinenlesbare Formate von Bedeutung.Für Kühweidner stehen Pharmaunternehmen derzeit vor folgender Situation: „Generative Systeme greifen bevorzugt auf etablierte Quellen wie Fachgesellschaften oder staatliche Institutionen zurück. Pharmaunternehmen werden daher von der KI eher als fachlich geprüfte Ergänzung wahrgenommen, nicht als primäre Wissensquelle. Für Pharmaunternehmen ist GEO dennoch strategisch relevant, denn wer in diesen Systemen nicht vorkommt, verliert nachhaltig Sichtbarkeit und wichtige Zielgruppen-Touchpoints.“
In den Pharmaunternehmen hat man die Bedeutung von GEO auch durchaus bereits erkannt und ist dabei, entsprechende Maßnahmen zu setzen. „Wir arbeiten beispielsweise daran, unseren Webseiten-Content zu optimieren, um zu erreichen, dass die KI vermehrt auf unsere Seiten zugreift. So wollen wir erreichen, dass wir in die Selektion von ChatGPT & Co hineinkommen“, gibt Gamerith Einblick in die aktuelle Situation. Doch während viele Pharmaunternehmen bei der Google-Suche im Ranking vorne gereiht sind, hat es seines Wissens noch keine Pharmafirma in den Google Overview geschafft. „Das hat natürlich Auswirkungen auf die Zugriffe auf unsere Website“, so Gamerith.
Für Kühweidner bedeutet die Veränderung in der Online-Suchlandschaft auch, dass man im Marketing die Erfolgskriterien anpassen muss: „Klicks, Seitenaufrufe und Zugriffsdauer allein reichen nicht mehr aus. Unternehmen müssen neue Metriken einführen, etwa die Präsenz in KI-Antworten oder die Wahrnehmung als vertrauenswürdige Quelle für spezifische Themen. Da sich das Tracking dahingehend derzeit laufend verändert bzw. Funktionen dazukommen, wird sich das in der nächsten Zeit weiterentwickeln und wir werden künftig mit neuen Key Performace Indicators (KPIs) arbeiten können.“