Geleitwort des Chefredakteurs

Die vorliegende Sonderbeilage zum Thema „90 Jahre Insulin“ in der Diabetestherapie spannt einen wunderschönen Bogen von der Entdeckung und Reinigung dieses Hormons im Jahre 1921 und Erstanwendung als Medikament 1922 (siehe Beitrag von Univ.-Prof. Dr. Waldhäusl) bis zur Ende Juni 2012 publizierten ORIGIN-Studie (siehe Beitrag von Univ.-Prof. Dr. Schernthaner). Die wichtigsten Meilensteine in der Entwicklung verbesserter Insulinpräparate und patientengerechter Therapieformen wurden von führenden Diabetologinnen und Diabetologen unseres Landes in dankenswerter Weise fachlich kompetent und spannend aufbereitet.

Nach 90 Jahren Therapiehistorie bleibt Insulin ein lebensnotwendiges Hormon der Stoffwechselregulation, dessen völliges Fehlen innerhalb weniger Tage bis Wochen unweigerlich zum Tode führt. Die Erstanwendung als lebensrettendes Arzneimittel bei Diabetes mellitus Typ 1 wurde 1923 mit dem Nobelpreis belohnt. Dennoch sind im Jahre 2012 – speziell bei der Insulintherapie bei Diabetes mellitus Typ 2 – noch zahlreiche Fragen offen.

Die angesprochene ORIGIN-Studie hat gezeigt, dass eine frühe Insulinisierung mit dem Langzeitinsulin-Analogon Insulin glargin (Lantus®) bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse und Tod exakt die gleichen Ergebnisse liefert wie eine orale Standardtherapie mit Metformin und Sulfonylharnstoff. Beeindruckend war dabei, welch hervorragende Stoffwechselkontrolle in beiden Therapiearmen über die 7-jährige Beobachtungszeit der Studie aufrechterhalten werden konnte (ca. 6,3 % HbA1c im Mittel unter Lantus® vs. 6,5 % unter OAD-Therapie). Weiters ist erfreulicherweise festzuhalten, dass die frühe Insulintherapie mit keinem erhöhten kardiovaskulären Risiko und mit keiner erhöhten Krebsinzidenz assoziiert war, was doch für die Sicherheit dieser Insulintherapie spricht. Die Ergebnisse der ORIGIN-Studie werden auch durch die bei der Tagung der Amerikanischen Diabetesgesellschaft 2012 prä­sentierte Meta-Analyse von 21 Diabetes­- re­gisterstudien mit insgesamt 1 Mio. Pa­tientInnen und 3 Mio. PatientInnen-Jahren bekräftigt, welche unter Lantus® kein erhöhtes Tumorrisiko im Vergleich zu anderen Langzeitinsulinen fand. Dennoch werden die Diskussionen über den Stellenwert einer ­Insulintherapie bei Diabetes mellitus Typ 2 anhalten, da auch eine endogene Hyperinsulin­ämie (auf Basis von Insulinresistenz) mit vermehrtem Auftreten von manchen Tumorerkrankungen (z. B. Bauchspeicheldrüse, Leber, Gastrointestinaltrakt) in Verbindung gebracht wird. Als Konsequenz sollte daher das (anscheinend) krebsprotektive Metformin bei jeder Insulintherapie in Kombination mitgeführt werden, solange keine Kontraindikation oder Unverträglichkeit bestehen.

Aufgrund der prognostizierten weltweiten Zunahme von PatientInnen mit Diabetes mellitus wird der Bedarf an Insulintherapeutika weiter steigen. Neben der Entwicklung neuer Insulinanaloga, die zum Teil kurz vor Markteinführung stehen (siehe Artikel von Dr. Kahl et al.), wird in den Forschungslabors derzeit an „Hypoglykämie-sicheren“ Insulinpräparaten für die Zukunft gearbeitet.

Abgesehen vom historischen Kontext bietet das vorliegende Sonderheft einen Überblick über das derzeitige Insulinsortiment am österreichischen Markt, die verfügbaren Produkte der Medizintechnik zur Insulinapplikation und die „Pros“ und „Cons“ der unterschiedlichen Insulintherapiestrategien. In diesem Sinne lohnt es sich, dieses Sonderheft zur allfälligen Nachlese aufzuheben.

Sollten Sie das Druckwerk im Bedarfsfall nicht mehr finden, so steht auch eine Online-Version unter www.medmedia.at zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching

Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie, Wilhelminenspital der Stadt Wien