Antibiotika nur in Ausnahmefällen

Die akute Rhinosinusitis (ARS) und akute Otitis media (AOM) gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten in der niedergelassenen klinischen Praxis. Eine symptomorientierte Therapie, Watch-and-wait-Strategie und eine restriktive Antibiotikaverordnung sind im Hinblick auf steigende Antibiotikaresistenzen anzustreben.

Akute Rhinosinusitis

Viral vs. bakteriell

Mehr als 90 % der ARS sind viraler Genese, lediglich 0,5–2 % entwickeln eine bakterielle Superinfektion. Die Unterscheidung zwischen viraler und bakterieller Genese anhand rein klinischer Parameter ist nur bedingt möglich, jedoch gibt es Symptomkonstellationen, die Hinweise geben können. Eine Symptomdauer von < 10 Tagen mit Besserungstendenz sowie das gleichzeitige Vorliegen weiterer respiratorischer Symptome wie Husten und Halsschmerzen („Mehretagenbefall“) deuten eher auf eine virale Genese. Ein zweigipfeliger Krankheitsverlauf, Beschwerdedauer von > 10 Tagen mit Verschlechterungstendenz bzw. hohes Fieber und schweres Krankheitsgefühl sprechen eher für eine bakterielle Genese.Die Diagnosestellung erfolgt anhand klinischer Parameter. Das NNH-Röntgen wird bei der ARS aufgrund seiner schlechten Sensitivität (76 %) und Spezifität (79 %) nicht mehr empfohlen. Die anteriore Rhinoskopie bzw. Endoskopie der NNH kann durchgeführt werden. Auch laborchemische Parameter können herangezogen werden. Abstriche, Punktionen und Antibiogramme sind erst bei therapieresistenten Sinusitiden empfohlen.

Restriktiver Antibiotikaeinsatz

Die ARS weist eine sehr hohe Spontanremissionsrate auf, ca. 85 % der Fälle heilen innerhalb von 7–15 Tagen aus. Symptomatische Therapien mit nasalen Dekongestiva (z. B. Xylometazolin), NSAR (z. B. Ibuprofen), Nasenspülungen und Dampfinhalationen sollten im Vordergrund stehen. Auch ein Phytotherapeutikum mit den Inhaltsstoffen Schlüsselblume, Enzian, Ampfer, Holunder und Eisenkraut kann bei der viralen ARS mit einer Number needed to treat (NNT) von 10–12 zu einer rascheren Symptomreduktion führt. Auch ein pflanzliches Spezialdestillat aus Eukalyptus, Myrte, Süßorangen und Zitronen wird in mehreren Leitlinien zur Therapie der Rhinosinusitis und Bronchitis empfohlen.

Aufgrund der hohen Spontanremissionsrate ist der unkritische Einsatz von Antibiotika bei der ARS zu vermeiden. Bei klinisch diagnostizierter ARS bei Erwachsenen erhöht der Einsatz von Antibiotika zwar den Anteil an symptomfreien Patient:innen mit einer NNT von 18, jedoch bei einer wesentlich höheren Rate an Nebenwirkungen mit einer Number needed to harm (NNH) von 8. Besteht der hochgradige Verdacht auf eine bakterielle Sinusitis, handelt es sich um Risikopopulationen, hat man Hinweise auf einen schwerwiegenden Verlauf mit potenziellen Komplikationen (Gesichtsschwellung, extreme Schmerzen, stark erhöhte Entzündungsparameter), ist der Einsatz von Antibiotika gerechtfertigt

Akute Otitis media

Klinische Diagnostik

Schnupfen, Husten, Fieber, Ohrenschmerzen und eingeschränktes Hörvermögen stellen die häufigsten Symptome bei Kindern mit akuter Otitis media (AOM) dar. Der oft erwähnte Greifzwang zum Ohr („Ohrzwang“) tritt lediglich in 10 % der Fälle auf. Bei Kleinkindern sind die Symptome oft unspezifisch. Die Otoskopie ist für die Diagnostik essenziell, wobei folgende Befunde für eine AOM sprechen: Verstreichen des Hammergriffes, gerötetes und vorgewölbtes Trommelfell, Paukenerguss und Otorrhö bei blandem Gehörgang. Um die sehr seltene, jedoch mitunter schwerwiegende Komplikation der Mastoiditis auszuschließen, müssen Mastoid und N. facialis untersucht werden.

Aktuelle Therapieempfehlungen

Die AOM hat eine sehr hohe Spontanremissionsrate, ca. 66 % in 24 Stunden, 85 % in 2–3 Tagen und > 90 % innerhalb einer Woche. Meist ist eine symptomatische Therapie mittels Dekongestiva und Schmerzmitteln ausreichend, wobei Ibuprofen oder Paracetamol mit einer NNT von 6 bzw. 7 innerhalb von 48 Stunden zu einer ausreichenden Schmerzreduktion führen. Auch Antibiotika führen zu einer erhöhten Rate an schmerzfreien Patient:innen an den Tagen 2–3, allerdings mit einer NNT von 20 bei einer erhöhten Nebenwirkungsrate (NNH = 14).

Die Entscheidung, ob eine antibiotische Therapie durchgeführt werden sollte, hängt unter anderem von der Symptomausprägung und vom Alter der Betroffenen ab (Tab.).

Kinder < 6 Monaten werden unabhängig der Symptomausprägung und Patient:innen mit schwerer Symptomausprägung sowie hohem Fieber werden unabhängig vom Alter antibiotisch therapiert. Bei Kindern < 2 Jahren mit bilateraler AOM oder einer AOM mit Otorrhö ist die Evidenz für eine antibiotische Therapie mit einer NNT von 3–4 deutlich besser. Die Parazentese wird aufgrund mangelnder Evidenz bei der AOM nicht mehr empfohlen.

Praxismemo
  1. Der oft erwähnte Greifzwang zum Ohr tritt bei Otitis media lediglich in 10 % aller Fälle auf.
  2. Bei der akuten Otitis media ist die schwerwiegende Komplikation der Mastoiditis auszuschließen.
  3. Nur bei hohem Risiko und schwerem Verlauf sind Antibiotika in der Sinusitistherapie gerechtfertigt.