Brustkrebs beim Mann

Nachdem männlicher Brustkrebs eine sehr seltene Erkrankung darstellt, sind die Zahlen der American Cancer Society für 2019 in den USA die am repräsentativsten: 2.670 Neudiagnosen von invasivem Brustkrebs bei Männern und 500 Todesfälle mit bzw. durch männlichen Brustkrebs. Insgesamt macht männlicher Brustkrebs ca. 0,5–1 % aller Brustkrebserkrankungen aus.
Obwohl es eine Reihe von möglichen Risikofaktoren für männlichen Brustkrebs gibt, ist die tatsächliche Ursache in den meisten Fällen unbekannt. Mögliche Risikofaktoren sind in der Tabelle dargestellt.
Symptome, auf die Männer besonders achten sollten, sind:

  • schmerzloser Knoten oder Schwellung im Bereich der Brustwarze
  • Hauteinziehung bzw. beginnende Exulzeration
  • Brustwarzeneinziehung
  • Rötung bzw. trockene, sich schälende Brustwarze
  • Sekretion der Mamille
  • geschwollene Lymphknoten axillär ohne erkennbare Ursache
  • bildgebende Diagnostik und Durchuntersuchung (Staging)

Zur Diagnostik bzw. Abklärung eines auffälligen Tastbefundes und zur Entdeckung einer Brustkrebserkrankung bei männlichen Patienten gehören die Mammografie und der Ultraschall, gefolgt von einer invasiven Intervention (Biopsie). Weiters besteht die Möglichkeit einer Zytologie (Ausstrich), da viele dieser Erkrankungen erst durch eine blutige Sekretion klinisch auffallen. Bei klinisch unauffälligen Patienten mit lokal fortgeschrittenem Befund, einem triplenegativen oder HER2-positiven Mammakarzinom, gibt es die Empfehlung eines Stagings vor Planung einer neoadjuvanten Therapie oder einer Operation. Empfohlen werden: Lungenröntgen, Abdomensonografie, Knochenszintigrafie, Computertomografie, falls indiziert, Magnetresonanztomografie, falls indiziert, PET/CT, falls indiziert.
Nachdem in der Vergangenheit aufgrund der geringen Fallzahlen wenige Studien im Bereich des männlichen Brustkrebses durchgeführt werden konnten, erfolgt die aktuelle Stadieneinteilung sowie die histologische Bestimmung analog zum weiblichen Mammakarzinom.

Therapie

Endokrine Therapie: Die antihormonelle Therapie ist bei entsprechender Hormonrezeptor-Konstellation die wichtigste Säule im adjuvanten und metastasierten Setting. Zugelassene Substanzen beim männlichen Brustkrebs sind: Tamoxifen und Toremifen, Aromatasehemmer (Anastrozol, Letrozol, Exemestan), Fulvestrant, GnRH-Analoga (Goserelin, Leuprorelin), Megestrolacetat.

Chemotherapie: Nicht alle Formen des männlichen Brustkrebses benötigen eine Chemotherapie, ergibt sich jedoch aufgrund der Histologie und des Rezeptorstatus, des Lymphknotenbefalles oder der lokalen Ausdehnung die Indikation, so wird sie in folgenden Settings appliziert: adjuvant nach erfolgter Operation, neoadjuvant, metastasiert. Handelt es sich um sogenannte „Grenzsituationen“, in denen die Histologie allein für eine Therapieentscheidung zur adjuvanten Chemotherapie nicht ausreichend ist, so ist es auch hier legitim, Tests wie den Oncotype DX oder Mammaprint anzuwenden.

Zielgerichtete Therapie: Wie beim weiblichen Brustkrebs haben auch beim männlichen Brustkrebs die zielgerichteten Therapien Einzug gehalten. Bei männlichen Patienten mit einer HER2-positiven Erkrankung sind Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1 in der Adjuvans und im metastasierten Setting wie auch Lapatinib die Therapie der Wahl. Bei metastasierten HR-positiven, HER2-negativen Patienten kommen ebenfalls analog die CDK4/6-Inhibitoren mit Ribociclib, Palbociclib und Abemaciclib zum Einsatz, ebenso wie der m-TOR-Inhibitor Everolimus. Mit der Zulassung der PI3K-Inhibitoren können auch männliche Patienten mit entsprechender PIK3CA-Mutation mit Alpelisib in Kombination mit Fulvestrant behandelt werden. Sollte sich in diesem Patientengut eine Mutation am BRCA-Gen zeigen, so stehen mit Olaparib und Talazoparib nun auch PARP-Inhibitoren im metastasierten Setting als Therapieoption zur Verfügung.

Strahlentherapie: Nicht alle Männer mit einer Brustkrebserkrankung benötigen eine Strahlentherapie. Tumorgröße, Operationsmethode, Hautbeteiligung und Lymphknotenbefall sind die entscheidenden Faktoren, die eine Strahlentherapie notwendig machen können.

Nachsorge

Die Nachsorge eines männlichen Brustkrebspatienten ist im Wesentlichen ident zu der weiblicher Betroffener. Die klinische Nachsorge erfolgt 3-monatlich für 3 Jahre, danach für 2 Jahre halbjährlich. Ab dem 5. Jahr einmal jährlich. Routine-Mammografien (soweit technisch möglich) bzw. Ultraschalluntersuchungen gehören zur bildgebenden Diagnostik, die einmal jährlich nach der Erkrankung durchgeführt werden sollte. Die Knochendichtemessung sollte alle 2 Jahre bei Einnahme eines Aromatasehemmers oder eines GnRH-Analogons erfolgen.

Modifikationen im Bereich des Lifestyles im Sinne von Nikotin- und Alkoholkarenz bzw. einer Steigerung der körperlichen Aktivität scheinen in der Nachsorge immer größere Bedeutung zu bekommen. Die Erhaltung eines vernünftigen BMI ist ebenfalls erstrebenswert.

Die psychoonkologische Unterstützung bzw. Begleitung in der Phase der Operation bzw. während der adjuvanten Therapie sollte allen Patienten flächendeckend angeboten werden können.

Überleben männliche Patienten ihre Brustkrebserkrankung, so stehen neben den internistischen Grunderkrankungen auch folgende Sekundärmalignome im Vordergrund: kontralaterales Mammakarzinom, Dünndarmkrebs, Rektumkarzinom, Pankreaskarzinom, Prostatakarzinom, Basaliome, myeloide Leukämie. Für einen Teil dieser Erkrankungen dürfte es einen Zusammenhang in der Mutation des BRCA2-Genes geben (Brust, Prostata und Pankreas). Jeder Fall eines männlichen Brustkrebses erfüllt automatisch die Kriterien für eine genetische Testung.

Überlebensraten

Überlebensdaten sollen unseren Patienten keine Angst oder falsche Hoffnungen machen, dienen jedoch im klinischen Alltag durchaus dazu, die Krankheit zu entmystifizieren und Normalität einkehren zu lassen. 5-Jahres-Überlebensdaten bei männlichen Brustkrebspatienten: lokal begrenzt 96 %, regional begrenzt, inkl. LKN 83 %, metastasiert 23 %; alle Stadien kombiniert 83 %.

Tab.: mögliche Risikofaktoren für Brustkrebs beim Mann
  • steigendes Alter
  • Familienanamnese
  • Klinefelter-Syndrom
  • Alkohol
  • Lebererkrankungen, die zu Veränderungen im hormonellen Haushalt führen
  • Östrogentherapie beim Prostatakarzinom
  • Übergewicht
  • spontane genetische Veränderungen (Mutationen)
  • angeeignete genetische Veränderungen (Strahlenexposition oder chemische Ursachen)
  • vererbte genetische Veränderungen (BRCA1 und BRCA2)

Literatur beim Verfasser

Die Langversion dieses Artikels wurde in SPECTRUM Onkologie 8/2019 erstveröffentlicht.

 

KOMMENTAR | Auch Männer können Brustkrebs entwickeln
Univ.-Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer
Gender Medicine Unit, MedUniWien & VAMED
Genderinstitut la pura, Gars am Kamp
Weniger als 1 % aller Brustkrebsfälle betrifft Männer, die wiederum ca. 0,5 % aller malignen Erkrankungen beim Mann ausmachen. Allerdings scheint die Inzidenz möglicherweise durch Zunahme von Adipositas, Lebererkrankungen und Alkoholkonsum anzusteigen. Beim Mann ist ebenso wie bei der Frau eine möglichst frühe Erkennung und Therapieeinleitung notwendig. Das geschieht beim männlichen Brustkrebs jedoch selten, weswegen die Prognose schlechter ist. Aufgrund der geringen Fallzahlen erfolgt kein generelles Screening, aber auch oft keine körperliche Untersuchung der Brust im Rahmen der Krankenuntersuchung. Männer sollten zur besseren Selbstbeobachtung aufgefordert werden. Risikofaktoren, Symptome und die Erkrankung selbst sind bei Männern wenig bekannt. Diagnose- und Therapieempfehlungen orientieren sich an Studiendaten des weiblichen Brustkrebses. Allerdings zeigen einige wenige Studien, dass sich Brustkrebs sowohl klinisch als auch molekular zwischen Männern und Frauen unterscheidet. Männer fühlen sich auch durch die gesellschaftlich weiblich konnotierte Erkrankung stigmatisiert und entwickeln teilweise ungünstige Coping-Strategien. Am Beispiel Brustkrebs zeigt sich, dass wir bei allen Erkrankungen immer evidenzbasierte Empfehlungen für beide Geschlechter brauchen, um eine gute Prävention und eine optimale Behandlung anbieten zu können. Moderne personalisierte Krebstherapien müssen sowohl das biologische als auch das soziale Geschlecht berücksichtigen.

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