Das Harnblasenkarzinom – ein Tumor mit vielen Gesichtern

Besteht der Verdacht auf ein Harnblasenkarzinom kommen folgende diagnostische Methoden in Frage: Die Weißlichtzystoskopie ist weiterhin Standard in der Detektion von Blasentumoren. Jedoch können sehr kleine Befunde wie auch flache Tumoren – Carcinoma in situ (CIS) – mit dieser Methode leicht übersehen werden. Eine Alternative mit Möglichkeit zur besseren Darstellung bietet die photodynamische Diagnostik (PDD) mit Hexaminolävulinsäure oder das Narrow-Band Imaging (NBI) – eine Methodik, die genutzt wird, um die Erkennung von Tumoren zu verbessern und somit zu einer besseren Behandlung von Patient:innen mit Blasenkarzinomen beitragen kann.
Die Durchführung einer Harnzytologie sowohl im Rahmen der Erstdiagnose als auch zur Verlaufskontrolle stellt ein wichtiges zusätzliches Instrument dar. Die Harnzytologie beweist eine hohe Sensitivität insbesondere bei High-Grade-Tumoren.
Hinsichtlich weiterführender Abklärung mittels Bildgebung ermöglicht die Computertomografie (CT) neben der Abbildung des oberen Harntraktes auch die Umfelddiagnostik (Metastasensuche). Die Magnetresonanztomografie (MRT) findet zunehmend Einzug bei der Beurteilung des lokalen Tumorstadiums und hat Vorteile gegenüber der CT in der Erkennung der Invasionstiefe des Tumors in der Blasenwand.

„Wichtig ist, dass erste Symptome wie die Blutbeimengung im Harn ernst genommen werden und die weitere Abklärung durch Urolog:innen erfolgt.“

Dr. med. Kilian M. Gust, FEBU

Facharzt für Urologie, Universitätsklinik für Urologie, Medizinische Universität Wien

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Nichtmuskelinvasives Harnblasenkarzinom (NMIBC)

Etwa 75 % aller Harnblasenkarzinome werden bei Erstdiagnose in einem nichtmuskelinvasiven Stadium diagnostiziert (Ta, T1 oder CIS). Eine spezielle Gruppe der nichtmuskelinvasiven Tumoren stellen CIS dar. Dabei handelt es sich um flach wachsende High-Grade-Tumoren. Das CIS wird optisch häufig als entzündliche Veränderung missinterpretiert, ist oft multifokal und kann im gesamten Harntrakt vorkommen.

Adjuvante intravesikale Instillationstherapien beim NMIBC

Patient:innen mit NMIBC werden in Risikogruppen eingeteilt und erhalten je nach Risikoprofil eine intravesikale Therapie mit Bacillus Calmette-Guérin (BCG) oder einer lokalen Chemotherapie. Zudem finden unterschiedliche apparative Applikationsweisen (SYNERGO, EMDA, COMBAT) von intravesikaler Chemotherapie Anwendung, um deren Effektivität noch zu steigern.

Muskelinvasives Harnblasenkarzinom (MIBC)

Die Standardtherapie des MIBC ist die Durchführung einer radikalen Zystektomie. Trotz mitunter rascher chirurgischer Intervention zeigt das MIBC eine hohe Rezidivrate mit dem Auftreten von Metastasen.

Neoadjuvante Chemotherapie

Bei Patient:innen mit einem lokalisierten MIBC kann die Durchführung einer neoadjuvanten Cisplatin-basierten Chemotherapie einen Überlebensvorteil bringen und sollte daher jedem:jeder geeigneten Patient:in angeboten werden.

Radikale Zystektomie und trimodale Therapie

Die radikale Zystektomie mit Harnableitung gilt in der Therapie des MIBC weiterhin als Standard. Als organerhaltende Therapiealternative zur radikalen Zystektomie, insbesondere für Patient:innen, welche nicht für eine radikale OP geeignet sind oder diese ablehnen, gilt die sogenannte trimodale Therapie bestehend aus radikaler transurethraler Resektion (TUR-B) des Tumors in Kombination mit einer Chemo- und Strahlentherapie.

  • Checkpoint-Inhibitoren:
    Atezolizumab
    Avelumab
    Nivolumab
    Pembrolizumab
  • Antikörper-Konjugate:
    Enfortumab Vedotin

Adjuvante Therapie

Patient:innen mit hohem Risiko für ein Rezidiv nach radikaler Zystektomie kann eine ergänzende Chemotherapie oder Immuntherapie (Nivolumab) angeboten werden, um das Risiko für ein Wiederkehren des Tumors zu senken.

Metastasiertes Harnblasenkarzinom

Beim metastasierten Blasenkarzinom wurden über die letzten Jahre eine Vielzahl neuer Therapieoptionen etabliert und können nun zur Behandlung von Patient:innen im fortgeschrittenen Tumorstadium angewendet werden. Neben Immun-Checkpoint-Inhibitoren in der Erst- und Zweitlinientherapie konnte zuletzt auch mit der Erhaltungs-therapie nach platinbasierter Chemotherapie ein maßgeblicher Fortschritt für unsere Paient:innen erzielt werden. Zudem werden im Rahmen von klinischen Studien zunehmend zielgerichtete Therapien und Kombinationen untersucht, welche das Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten in naher Zukunft erweitern könnten. Auch die neuartige Administration von Chemotherapeutika in Form von Antikörper-Konjugaten findet zwischenzeitlich Anwendung. Die Neuerungen geben uns als Behandler:innen individuellere Therapiemöglichkeiten und Verbessern das Überleben unserer Patient:innen mit Blasenkarzinom.

Praxismemo

  1. Bei schmerzloser Makrohämaturie sollte immer auch an ein Harnblasenkarzinom gedacht werden.
  2. Diagnostischer Standard in der Detektion von Blasentumoren ist die Untersuchung mittels Weißlichtzystoskopie.
  3. 75 % aller Harnblasenkarzinome werden in einem nichtmuskelinvasiven Stadium diagnostiziert.
  4. Im nichtmuskelinvasiven Stadium wird mit BCG oder lokaler Chemotherapie behandelt.
  5. Die Standardtherapie des muskelinvasiven Harnblasenkarzinom ist die radikale Zystektomie.
  6. Für das metastasierte Blasenkarzinom stehen mehrere neue Wirkstoffe zur Verfügung.