Das Risikoverhalten kennen

Wie entwickelt sich die HIV-Infektionsrate in Österreich und wie die Lebenserwartung der Betroffenen?

Horst Schalk: Trotz unermüdlicher Aufklärungs- und Präventionskampagnen der AIDS-Hilfen und der effizienten Therapie aller diagnostizierten HIV-positiven Personen liegt die Neuinfektionsrate in Österreich schon seit Jahren stabil bei 300 bis 400 Neuinfektionen pro Jahr. Das ist mehr als eine neue Diagnose pro Tag. Und das, obwohl in Österreich für so gut wie alle Patienten der Zugang zur Therapie gegeben ist und optimal therapierte Patienten praktisch nichtinfektiös sind. Die Lebenserwartung von Patienten mit einer ausreichend früh diagnostizierten und entsprechend therapierten HIV-Infektion ist in der westlichen Welt praktisch ident mit jener von nichtinfizierten Personen.

Verändert sich das Risikoverhalten aufgrund der guten Therapiemöglichkeiten?

Die derzeit eingesetzten Therapien sind hochpotent, extrem nebenwirkungsarm und für den Patienten sehr leicht einzunehmen – meist nur eine Tablette täglich. Unserer Erfahrung nach führt dies zumindest bei einem Teil der Menschen zu einem risikoreicheren Sexualverhalten.

Bekanntlich gilt: je früher die Diagnose gestellt wird, umso besser. Was sind konkrete Alarmzeichen in der Praxis, bei denen ein HIV-Test durchgeführt werden sollte?

Der nichtspezialisierte Allgemeinmediziner sollte zum einen bei bestimmten „Indikatorerkrankungen“ wie ungeklärten fieberhaften Infektionen mit Exanthem oder Herpes Zoster vor allem bei jungen Menschen hellhörig werden. Zum anderen ist die Sexualanamnese, bei der besonders das Risikoverhalten des Patienten besprochen wird, von eminenter Bedeutung. Liegen Verdachtsmomente für eine HIV-Infektion vor, sollte man den Einsatz des Tests nicht scheuen.

Ein Patient mit positivem HIV-Selbsttest kommt zu Ihnen in die Ordination – was sind Ihre nächsten Schritte?

Ein positiver Selbsttest muss unbedingt mit einem herkömmlichen HIV-Test verifiziert werden. Ist auch dieser Test positiv, kann das weitere Prozedere, wie es bei frisch HIV-Infizierten üblich ist, eingeleitet werden und die Bestimmung der CD4-Zellen und der Viruslast sowie die Durchführung eines Resistenztests veranlasst werden. Nach heutigen Leitlinien wird dann unverzüglich mit einer antiviralen Therapie begonnen. HIV-positive Patienten erhalten stets die beste und im Regelfall modernste antivirale Therapie – egal, wie lange sie bereits infiziert sind.

Welche ist die richtige Anlaufstelle bei bestätigtem Vorliegen einer HIV-Infektion?

Die Therapie von HIV-positiven Patienten gehört in jedem Fall in die Hand erfahrener Ärzte. Diese sind zum einen in den Immunambulanzen in der Bundeshauptstadt oder den Landeshauptstädten, zum anderen in spezialisierten Praxen zu finden. Eine gute Übersicht findet man zum Beispiel online auf der Website der AIDS-Gesellschaft unter

www.aidsgesellschaft.info/partner/behandlungszentren.htm.