Die Zukunft der Schmerztherapie

Das seit 1986 aktive und regelmäßig adaptierte „WHO-Stufenschema“ hilft Ärzt:innen weltweit bei der Entscheidung zur Auswahl des geeigneten Analgetikums bei tumorbedingten Schmerzen. Zudem findet das Schema beim Management von nichttumorbedingten akuten und chronischen Schmerzzuständen Anwendung, obwohl es von Seiten der WHO dafür keine dezidierte Empfehlung gibt. Laut der ÖSG-Präsidentin OÄ Dr. Waltraud Stromer könnten Ärzt:innen Analgetika zukünftig nach Schmerzursache anstatt nach Schmerzstärke verschreiben, da das Stufenschema von zahlreichen Expert:innen nicht mehr als zeitgemäß angesehen wird. Das neue Modell stellt laut ÖSG-Präsidentin jedoch keine genau Behandlungsanleitung dar, vielmehr ist es eine wichtige Orientierungshilfe zur optimalen Schmerztherapie.

Schmerz kann in folgende Arten eingeteilt werden:

  • nozizeptiver Schmerz, der durch Gewebsverletzung entsteht
  • neuropathischer Schmerz, hervorgerufen durch eine Schädigung oder Dysfunktion des peripheren beziehungsweise zentralen Nervensystems
  • noziplastischer Schmerz, der keiner strukturellen Läsion oder Anomalie zuordenbar ist
  • „Mixed Pain“, bei dem sowohl nozizeptiver als auch neuropathischer Schmerz beziehungsweise eine dysfunktionale Komponente beteiligt ist; beispielsweise Tumorschmerzen oder Rückenschmerzen

Kombination von Schmerzmitteln

Das neue, mechanismenorientierte Modell erlaubt es, mehrere Analgetika in Kombination einzusetzen. „Jede Schmerztherapie muss individuell an die Patient:innen angepasst werden. Dazu ist es unbedingt notwendig, zu beurteilen, ob sie das Therapieziel deutliche Schmerzlinderung mit keinen oder geringen Nebenwirkungen erreichen können“, sagt OA Dr. Wolfgang Jaksch, Vorstandsmitglied der ÖSG von der Abteilung Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin der Klinik Ottakring, Wien. Haben Schmerzen auch eine neuropathische Komponente, erfordert die Therapie meist eine Kombination aus unterschiedlich wirksamen Analgetika. Dr. Jaksch dazu: „Es gibt leider kein Präparat, das nozizeptive und neuropathische Schmerzkomponenten gleichermaßen reduzieren kann. Daher muss auch hier oft mit Medikamentenkombinationen gearbeitet werden.“ Bei Schmerzen mit neuropathischer Komponente kommen beispielsweise bestimmte Antidepressiva, Antiepileptika und lokale Therapien zum Einsatz. Zudem kann durch eine Kombination von geeigneten Präparaten oft eine hohe Analgetika-Einzeldosis vermieden werden, die von Patient:innen häufig schlecht vertragen wird.

Opioide

Im multimodalen Ansatz der Schmerztherapie sind Opioide allein oder in Kombination mit anderen Therapieoptionen unverzichtbar. Dies gilt sowohl für akute als auch für chronische Schmerzzustände. Doch auch auf dem Gebiet der ältesten und wirkungsstärksten Analgetika gibt es Neuerungen: „Da heute eine viel größere Palette an Opioid-Präparaten mit geringen Dosierungen zur Verfügung steht, müssen wir in der klinischen Praxis nicht erst die unzureichende Wirksamkeit der Stufen 1 und 2 abwarten, um Substanzen der Stufe 3 einzusetzen. Speziell für Patient:innen, deren Organe geschwächt sind oder die bereits viele unterschiedliche Medikamente einnehmen müssen, kann es effektiver und sicherer sein, mit stärker wirksamen Opioiden in geringster Dosierung zu beginnen“, so Dr. Jaksch. Bei der Auswahl des geeigneten Opioids müssen dem Experten zufolge auch individuelle Patient:innen-Faktoren berücksichtigt werden, wie Komorbiditäten, Opioid-Nebenwirkungen, allfällige Kontraindikationen und Applikationsform.