„Erschütternder Umgang“

Ärzte Krone: Herr Präsident, wie erleben Sie die Wertschätzung gegenüber Ärzten?

Artur Wechselberger: Die höchste Wertschätzung erfahren Ärzte von ihren Patientinnen und Patienten. Diese positive Resonanz ist es wohl auch, an der sich viele von uns aufrichten. Das motiviert uns, unserer Arbeit mit einem Engagement nachzugehen, das im Vergleich mit anderen Berufen sicher überdurchschnittlich hoch ist. Geteilt wird diese Wertschätzung der Patienten oft von deren Angehörigen.
Auch innerhalb der Kollegenschaft selbst scheint mir ein wertschätzendes, kollegiales Miteinander vorherrschend zu sein.
Erschütternd ist allerdings oft, wie die Krankenkassen mit den Ärzten umgehen, die ihre Versicherten medizinisch betreuen. Als Vertragspartner erfüllen Ärzte den Versorgungsauftrag mit großem Einsatz und müssen dafür oft erhebliche Einschränkungen durch die Kassenverträge oder bürokratische Belastungen auf sich nehmen. Statt Dank und Anerkennung ernten Kassenärzte nicht selten den Vorwurf, Kostenverursacher zu sein sowie Über- und Fehlversorgung zu fördern.
Die generelle Meinung der „großen“ Politik lässt sich wohl am besten am Beispiel des letztjährigen Betrugsbekämpfungsgesetzes mit seinen Regelungen zum „Mystery Shopping“ erkennen. Ich möchte gar nicht näher auf die Details eingehen, die sich in ihrer Niederträchtigkeit selbst disqualifizieren.
Besonders auf lokalpolitischer Ebene gibt es allerdings, nachdem dort die Arbeit der Ärzte viel unmittelbarer wahrgenommen wird, meist hohe Wertschätzung.
Die öffentliche Meinung ist generell überwiegend wertschätzend, wenn auch im Einzelfall vermutetes oder tatsächliches ärztliches Fehlverhalten mit Genuss öffentlich breitgetreten und skandalisiert wird.

Woran kann Wertschätzung für Ärzte gemessen werden?

Artur Wechselberger: Polemische und abwertende Äußerungen sind ein deutliches Signal. Mangelnde Wertschätzung drückt sich aber auch in den Arbeitsbedingungen aus, wenn Ärzte ihr fachliches und menschliches Repertoire in der Patientenbehandlung nicht mehr voll zum Einsatz bringen können, weil überall gespart und nur eines gefördert wird: die Bürokratie. Gesetzliche Regelungen, die Ärzte dazu zwingen, wertvolle Arbeitszeit mit Administration und Kontrollen zu vergeuden, sind ebenfalls Zeichen von Geringschätzung. Besonders abwertend ist es, wenn Ärzte als Angehörige eines freien Berufes von Politik und Sozialversicherungen pauschal zu Gesundheitsdienstleistern degradiert werden.

Hat sich Ihrer Meinung nach die Wertschätzung gegenüber Ihrem Berufsstand in den letzten 20 Jahren geändert?

Artur Wechselberger: Ja, absolut. Früher bestand die Wertschätzung oft nur in einem tradierten Respekt vor den „Göttern in Weiß“. Diese stereotypen Heroisierungen bestimmter Berufsgruppen gibt es, Gott sei Dank, generell nicht mehr. Letztlich waren sie auch eine Belastung für die Mitglieder des Ärztestandes, weil sie Erwartungen schürten, die nicht erfüllt werden konnten. Eine Situation, die manchmal nicht einfach war – besonders zu Zeiten, als Patienten ihren Ärzten gegenüber immer kritischer und selbstbestimmter auftraten. Heute gehören Patientenautonomie und Kritikfreudigkeit zum ärztlichen Alltag und lassen Zeichen der Wertschätzung umso ehrlicher und wertvoller erscheinen.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufsstandes?

Artur Wechselberger: Optimistisch! Schließlich beweisen gerade der Ärztemangel und die Versorgungsschwierigkeiten, die sich daraus ergeben, wie wichtig und geschätzt unser Berufsstand ist. Wenn unsere Kolleginnen und Kollegen diese Wertschätzung im Inland vermissen, suchen – und finden – sie sie allerdings oft in anderen Ländern. Gerade junge Ärztinnen und Ärzte sind flexibel genug, für auch ideell bessere Arbeitsbedingungen, ins Ausland zu gehen.

Wenn Sie sich für die Zukunft etwas wünschen könnten: Welche Änderungen könnten dazu beitragen, dass sich Ärzte mehr wertgeschätzt fühlen?

Artur Wechselberger: Dienstgeber und Sozialversicherer müssen erkennen, dass sie Überdurchschnittliches anbieten müssen, um genügend Ärztinnen und Ärzte in die Versorgung zu bringen. Dann werden die Ärzte ebenso bereit sein werden, weiterhin überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen. Zudem sollte das selbstgefällige Agieren von Gesundheitsbürokraten und Systemtechnokraten zurückgedrängt werden.
Die Erkenntnis, dass medizinisches Wissen und ärztliche Erfahrung sowohl für das System als auch für die Patienten besser wären als Ökonomie- und Managementtheorien, würde diesen Prozess beschleunigen.

Wie können wir als Verlag Sie in diesen Belangen unterstützen?

Artur Wechselberger: Indem Sie der Darstellung und der Verbreitung dieses medizinischen Wissens und dieser ärztlichen Erfahrung, aber auch der Kritik und den Anregungen der ärztlichen Experten breiten Raum bieten.

Vielen Dank für das Gespräch!