Erste zugelassene Therapie für eine seltene Erkrankung

Die Friedreich-Ataxie ist eine seltene autosomal-rezessive neurologische Erkrankung, bei der es zu einer fortschreitenden, vorwiegend spinalen Ataxie in Kombination mit einer peripheren Neuropathie kommt.
Ursächlich hierfür ist eine meist bi-allelische GAA-Repeat-Expansion im Intron 1 des Frataxin-Gens, welche zu einer Verminderung von mitochondrialem Frataxin und zu einer gestörten mitochondrialen Energiebereitstellung führt. Die Länge der kürzeren GAA-Repeat-Expansion beeinflusst indirekt das Alter bei Krankheitsbeginn und die Schwere des Verlaufs. Damit gibt es neben der klassischen Verlaufsform mit Beginn im Kindes- und Jugendalter auch Verlaufsformen, die später beginnen, milder ausgeprägt sind und oft weder eine Kardiomyopathie noch einen Diabetes mellitus zeigen.

Allgemeines Management

Die Behandlung der Friedreich-Ataxie erfordert aufgrund der Multisystembeteiligung und hohen Variabilität der Erkrankung einen patientenspezifischen und multidisziplinären Ansatz unter enger Einbindung von Kardiolog:innen, Endokrinolog:innen, Orthopäd:innen und Therapeut:innen. Eine kontinuierliche neurorehabilitative Therapie (Physio-, Ergo- und Logopädie) sollte mehrmals pro Woche stattfinden. Der Fokus sollte hierbei neben der Verständlichkeit des Sprechens auf Koordination und Kräftigung der unteren Extremitäten liegen, um die Gehfähigkeit der Patient:innen zu erhalten. Bei rollstuhlpflichtigen Patient:innen ist die Therapie der oberen Extremitäten von entscheidender Bedeutung. Kardiologische Verlaufskontrollen sollten einmal jährlich erfolgen (inkl. TTE, EKG und eventuell 24-Stunden-EKG), um Herzrhythmusstörungen oder eine Kardiomyopathie frühzeitig zu erkennen. Auf das frühe Erkennen eines Diabetes mellitus sollte durch ein mindestens einmal jährliches Screening geachtet werden. Die Behandlung dieser nicht-neurologischen Manifestationen erfolgt dann nach allgemein gültigen Behandlungsleitlinien für die jeweiligen Zusatzsymptome. Bei schwerer Skoliose oder Hohlfüßen kann unter Berücksichtigung des Mobilitätsstatus eine operative Versorgung angedacht werden.

Therapeutische Ansätze und Kandidatensubstanzen

Basierend auf der Pathophysiologie der Friedreich-Ataxie sind grundsätzlich 4 verschiedene Therapieansätze möglich:

  • Gentherapie bzw. „gennahe Therapie“ zur Beeinflussung der GAA-Repeat-Expansion (z. B. AAV-Vektortherapie, „small molecules“, Antisense-Oligonukleotide, sog. ASO)
  • Modulation der abnormen DNA-Konfiguration (z. B. Histondeacetylase-Inhibitoren) und dadurch konsekutive Steigerung der mRNA-Expression von Frataxin
  • Erhöhung der Frataxin-Konzentration durch externe Zufuhr des Proteins Frataxin (z. B. mittels Vektoren) bzw. Hemmung des Abbaus von Frataxin
  • Verbesserung der mitochondrialen Funktion durch Antioxidanzien und Vitamin-Supplementation bzw. über die Beeinflussung des Eisenstoffwechsels

Sämtliche Kandidatensubstanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen sind derzeit bei der Friedreich-Ataxie in Entwicklung bzw. bereits in klinischer Testung. Vielversprechende Ansätze wie eine vektorbasierte Gentherapie zur Behandlung der Kardiomyopathie bei der Friedreich-Ataxie sind allerdings ebenso wie Methoden zur Zufuhr von synthetischem Frataxin (TAT-Frataxin) noch in frühen Entwicklungsphasen (Phase-I/II-Studien). Abgeschlossene oder laufende Phase-III-Studien (Zulassungsstudien) setzen vor allem am Ende der pathophysiologischen Kaskade an und bedienen die mitochondriale Funktionsstörung. Derzeit in Testung befindliche Präparate sind Vatiquinon, Leriglitazon oder Elamipretid.

Omaveloxolon als erste zugelassene Therapie

Omaveloxolon ist seit Februar 2023 in den Vereinigten Staaten und nun seit Februar 2024 auch in der Europäischen Union für die Therapie der Friedreich-Ataxie ab 16 Jahren zugelassen. Omaveloxolon steigert NRf2 (Nuclear Factor Erythroid-2 related Factor 2), welches wiederum über sogenannte „anti responsive elements“ die Transkription antioxidativer Gene anregt und so zu vermindertem oxidativem Stress und zu einer Verbesserung der mitochondrialen Funktion führt. Grundlage für die Zulassung war die dreiteilige „MOXIe“-Studie, bei der die Substanz an gehfähigen Friedreich-Ataxie-Patient:innen von 16–40 Jahren getestet wurde. Die erste Phase war eine placebokontrollierte randomisierte (3:1-Randomisierung) Studie an Gruppen zu 8 Personen mit ansteigenden Dosierungen, in welcher ein dosisabhängiger Effekt sowohl auf die Pharmakokinetik als auch auf die neurologische Behinderung (gemessen mit der mFARS-Skala; „modified Friedreich-Ataxia Rating Scale“) detektiert werden konnte. In einer nachfolgenden kontrollierten, randomisierten Studie über 48 Wochen wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit bei einer Einnahme von 150 mg täglich oral gegenüber Placebo getestet. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied im mFARS-Score von knapp 2,5 Punkten im Vergleich zu Placebo. Daten aus der offenen Extensionsphase (noch laufend) unterstützen diese Ergebnisse, vor allem durch Vergleiche (Propensity Matching) mit Registerdaten zum natürlichen Krankheitsverlauf der Friedreich-Ataxie. Omaveloxolon ist generell gut verträglich mit lediglich mild bis mäßig auftretenden Nebenwirkungen, wie vor allem gastrointestinale Probleme (Übelkeit, Durchfall) und Erhöhung der Leberwerte (ALT und AST). Engmaschige laborbiochemische Kontrollen, vor allem zu Therapiebeginn, sind deshalb, ebenso wie die Kontrolle von BNP und Cholesterinstatus, erforderlich.

Zukunftsaussichten und Perspektive

Knapp 30 Jahre nach der Entdeckung des ursächlichen genetischen Defekts besteht mit Omaveloxolon nun erfreulicherweise die erste zugelassene Substanz zur Therapie der Friedreich-Ataxie. Zahlreiche weitere Kandidatensubstanzen mit unterschiedlichen Therapieansätzen sind derzeit in Entwicklung und geben Hoffnung, einen additiven Effekt in der Behandlung zu erzielen. Anstrengungen müssen in weiterer Zukunft vor allem im pädiatrischen Bereich erzielt werden, um diese chronische progrediente Erkrankung möglichst früh behandeln zu können.