Fachärzt:in für Allgemeinmedizin kommt – aber spät

Die Regierung hat einige lang diskutierte Themen im Gesundheitswesen auf Schiene gebracht.
Allerdings könnte es sich eher um Minimalkompromisse denn um große Reformen handeln. Ein Thema ist etwa die Schaffung einer Facharztausbildung für Allgemein- und Familienmedizin. Sie wurde nun offiziell in Gang gesetzt – eine entsprechende Novelle des Ärztegesetzes ging am 6. Oktober in Begutachtung und soll noch heuer im Nationalrat beschlossen werden. „Mit der Facharztausbildung für Allgemein- und Familienmedizin schaffen wir eine Ausbildung auf internationalem Niveau. Ich bin überzeugt, dass sich dann noch mehr junge Mediziner und Medizinerinnen für diesen Beruf entscheiden“, kommentiert Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne).

Weniger Allgemeinmediziner:innen

Und das wäre auch dringend notwendig, denn: Immer mehr junge Mediziner:innen entscheiden sich für ein Fach und nicht für die Allgemeinmedizin, wie neuveröffentlichte Daten der Statistik Austria belegen. Während die Zahl der Allgemeinmediziner:innen pro 100.000 Einwohner:innen in den vergangenen fünf Jahren abgenommen hat, ist sie bei den Fachärzt:innen deutlich gestiegen. 2018 standen in der Allgemeinmedizin noch 169,4 Ärzt:innen pro 100.000 Einwohner:innen zur Verfügung, 2022 waren es nur noch 145,1. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Fachärzt:innen von 262,4 auf 304,7 pro 100.000 Einwohner:innen. In absoluten Zahlen standen damit 2022 laut Statistik Austria 13.214 Allgemeinmediziner:in-nen 27.743 Fachärzt:innen gegenüber. Trotz der vielen Fachärzt:innen gibt es allerdings auch hier Fachrichtungen mit Versorgungsmängeln im öffentlichen System (etwa Kinder- und Jugendpsychiatrie).

Verzögerter Start

Mit der Novelle und der damit verbundenen Einführung des Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin möchte man diese Zahl erhöhen. Bis zur endgültigen Umsetzung dauert es allerdings noch länger: Erst im Juni 2026 können Nachwuchsmediziner:innen mit der neuen Ausbildung starten. Der Gesetzentwurf basiert auf den Empfehlungen der Kommission für Ärztliche Ausbildung, in der Länder, Ärztekammer und Sozialversicherung vertreten sind. Die Gesamtdauer dieser Ausbildung „Allgemeinmedizin und Familienmedizin“ beträgt fünf Jahre, auf neun Monate Grundausbildung folgen 51 Monate fachärztliche Ausbildung. Im Fokus der Ausbildung steht das Kennenlernen des Ordinationsalltages in den Lehrpraxen im niedergelassenen Bereich. Junge Ärzt:innen erhalten laut Gesundheitsministerium während der Ausbildung ebenfalls einen umfassenden Einblick in andere Fächer wie Innere Medizin, Kinder- und Jugendheilkunde, Neurologie oder Gynäkologie.

Positives Zeugnis für Lehrpraxen

Zu den bereits seit 2015 bestehenden sechsmonatigen Lehrpraxen gibt es jetzt den ersten Evaluierungsbericht – mit einer durchaus positiven Bilanz. In seinem Bericht dazu führt das Gesundheitsministerium unter anderem den Praxisgewinn bei Turnusärzt:innen in niedergelassenen Ordinationen im Vergleich zum reinen Krankenhausturnus an, sowohl in medizinisch-fachlicher Hinsicht als auch beim Umgang mit Patient:innen. Verbesserungspotenzial gebe es allerdings bei der Wissensvermittlung über organisatorische und betriebswirtschaftliche Aspekte einer Hausarztpraxis. Trotz der mehrheitlich positiven Bewertungen einer Lehrpraxis durch Turnusärzt:innen zeigte sich allerdings auch hier bei den Erhebungen, dass nur vier von zehn Absolvent:innen eines Medizinstudiums eine berufliche Karriere in der Allgemeinmedizin anstreben wollen. Generell ziehe der Großteil an Jungärzt:innen eine Tätigkeit in Gruppenpraxen, Primärversorgungseinrichtungen oder Jobsharing-Modellen der Etablierung einer Einzelpraxis als Hausärzt:in vor.

Zwei Milliarden mehr

Die Basis dafür soll auch mehr Geld schaffen, das aus dem Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommen soll. Von insgesamt zwei Milliarden Euro mehr für den Gesundheits- und Pflegebereich für 2024 bis 2028, die in den aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen beschlossen wurden, sollen 300 Millionen Euro pro Jahr in den niedergelassenen Bereich fließen. 603 Millionen Euro sind für Spitalsambulanzen sowie für Strukturreformen vorgesehen. Für die Digitalisierung im Gesundheitsbereich gibt der Bund 17 Millionen Euro jährlich mehr aus, für die Gesundheitsförderung 20 Millionen Euro, fürs Impfen 30 Millionen Euro, drei Millionen sind für Medikamente vorgesehen.

Die konkreten Ziele müssen allerdings in den kommenden Wochen gemeinsam mit Ländern und Gemeinden erst noch festgelegt werden. Kritik an der Einigung kommt von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und der Ärztekammer. Um einen einheitlichen Leistungskatalog und einen einheitlichen Gesamtvertrag zu ermöglichen und auch zu finanzieren, hätte die Sozialversicherung rund 800 Millionen Euro an Steuermitteln jährlich benötigt, kritisierte ÖGK-Obmann Andreas Huss, MBA. Ohne die finanziellen Mittel blieben die Ziele im Finanzausgleich „reine Lippenbekenntnisse“, heißt es von der Ärztekammer.