Fast fix: Ärzte stellen Ärzte an

Seit Kurzem laufen zu den anstehenden Honorarverhandlungen die ersten Sondierungsgespräche zwischen der Wiener Ärztekammer und der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK). Bei den ersten Treffen auf Expertenebene wurden die jeweiligen Forderungen deponiert. Sowohl die Ärzte wie auch die Kasse legten zehn Punkte vor (siehe Kästen). Die Kammer fordert unter anderem eine dringende Umsetzung eines Wiener Hausarzt- und Kinderarztmodells, die Aufhebung der Leistungsdeckelungen in den Kassenordinationen, den Ausbau der Sachleistungsversorgung für die Patienten sowie die Anpassung und Modernisierung der Tarife.
Eine Anpassung der Tarife an die modernen Notwendigkeiten einer Patientenversorgung sei längst überfällig, schreibt die Kammer in ihren Forderungen. Die Vergütungen für Kassenärzte seitens der Wiener Gebietskrankenkasse seien hierfür „ein negatives Musterbeispiel“. Der aktuellste Jahresbericht 2015 weise als Durchschnittskosten je Fall 45,16 Euro für Allgemeinmediziner und 70,24 Euro für Fachärzte aus. Für den Vizepräsidenten der Wiener Ärztekammer und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte, MR Dr. Johannes Steinhart sind die geltenden Tarife „den Anforderungen und Leistungen, die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte tagtäglich erbringen, keinesfalls angemessen“. Die Ärztekammer fordert die ihrer Ansicht nach längst fällige Modernisierung des Leistungskatalogs der Krankenkassen. Dazu gehört auch die Aufnahme von neuen Leistungen wie Telemedizin oder Videodolmetsch, um den Anforderungen einer modernen Medizin gerecht zu werden. Steinhart: „Herkömmliche Honorarverhandlungen reichen nicht, wir brauchen einen echten Systemwechsel und fordern daher als ersten Schritt eine bis zu 40-prozentige Tariferhöhung für Hausärzte.“
Die Wiener Gebietskrankenkasse pocht umgekehrt auf eine Ausweitung der Ordinationszeiten der niedergelassenen Ärzte. Das ist für Obfrau Mag. Ingrid Reischl eine der zentralen Forderungen für die anstehenden Tarifverhandlungen mit der Ärztekammer. Reischl pocht auf die Ausdehnung der Ordinationsöffnungszeiten auf 25 Stunden pro Woche. Seit 2004 sehen die Verträge laut ihr mindestens 20 Wochenstunden vor, davor lediglich zehn bis 15 Wochenstunden. „Aktuell gibt es 300 Allgemeinmediziner und 26 Kinderärzte, die aufgrund von Altverträgen weniger als 20 Stunden geöffnet haben“, kritisierte die Kassenchefin. Zudem verlangt die WGKK eine weitere Leistungsharmonisierung. So soll der gynäkologische Ultraschall wie in den anderen Bundesländern (außer Tirol) in den Gesamtvertrag aufgenommen werden. Auch die optische Kohärenztomografie (OCT) soll als Kassenleistung angeboten werden. Zum Wunsch der Ärzte nach einer 40-prozentigen Tariferhöhung sagt Reischl: „Das ist nicht finanzierbar.“ Rechne man alle Forderungen der Ärztekammer zusammen, müsste die WGKK 80 Prozent mehr für die Ärzte ausgeben. „Das wären 375 Millionen Euro. Zum Vergleich: die gesamten Verwaltungskosten liegen bei 73 Millionen pro Jahr. Das geht sich nie aus.“
Doch Reischl zeigt auch, wo Entgegenkommen liegen kann: „Wir wollen jene Ärzte fördern, die direkt mit den Patienten arbeiten – das sind vor allem Haus- und Kinderärzte.“ Sie könne sich dazu auch eine Umschichtung zwischen Fächern vorstellen, sagt Reischl im Interview mit der Ärzte Krone. Auch junge Ärzte will sie fördern. Eine Einigung zeichnet sich bereits im Hinblick auf die Anstellung von Ärzten durch Ärzte ab. Beide Seiten haben den Punkt in ihrem Forderungskatalog. Auch die dafür gesetzliche Änderung dürfte kommen. Die möglichen Koalitionspartner ÖVP und FPÖ hatten den Punkt jeweils im Wahlkampf als Forderung genannt.

Ärzte fordern neuen Gesamtvertrag
  1. Umsetzung eines Wiener Hausarzt- und Kinderarztmodells zur Förderung der Primärversorgung unter Einbindung der Stadt Wien
  2. Gemeinsame PVE-Standortplanung und Einvernehmen über die Tarifgestaltung für Zentren und Netzwerke unter Einbindung der Stadt Wien
  3. Gemeinsame Planung und Definition des Bedarfs der Versorgung und des vertragsärztlichen Angebots – dabei sollen die notwendigen Auslagerungen zur Spitalsentlastung unter Einbindung der Stadt Wien sowie die kommende Pensionierungswelle berücksichtigt werden (RSG Wien ambulant, 300 zusätzliche Kassenarztausschreibungen, unter anderem durch unmittelbare Ausschreibung der offenen Gruppenpraxisansuchen)
  4. Streichung der persönlichen Leistungserbringung im Gesamtvertrag inklusive Ermöglichung der Anstellung von Ärzten bei Ärzten und Liberalisierung der Vertretungsregelungen
  5. Vertragspartnerkontrolle analog aller anderen Versicherungsträger im amikalen Einvernehmen mit der ÄK Wien sowie gemeinsame Vorgangsweise gegen Mystery Shopping
  6. Aufhebung sämtlicher ärztlicher Leistungsdeckelungen in Kassenordinationen, um bereits aufgetretene Engpässe und lange Wartezeiten zu vermeiden
  7. Aussetzen der 70-Jahres-Regel, um den drohenden Ärztemangel zu bekämpfen und Schaffung von qualitativen und quantitativen Anreizen zur Reduktion der immer größer werdenden Deckungslücken im Vertragsärztebereich
  8. Einrichtung von Arbeitsgruppen zu den Themen:a. Entbürokratisierung der Ordinationen; b. fächerübergreifende Gruppenpraxen; c. Endoskopie; d. Schließzeiten bei Gruppenpraxen; e. Definition „Pro-ordinatione-Bedarf“
  9. Ausbau der Sachleistungsversorgung für die Wienerinnen und Wiener durch die Aufnahme neuer Fachgebiete wie Nuklearmedizin, Onkologie, Schmerztherapie und Strahlentherapie als Kassenleistungen in Ordinationen sowie die Aufnahme von Telemedizin und Videodolmetsch in den Leistungskatalog
  10. Anpassung der Tarife aller Ärztegruppen an die modernen Notwendigkeiten einer Patientenversorgung
GKK fordert nachhaltige Gesundheitsversorgung
  1. Ausdehnung der Ordinationsöffnungszeiten auf zumindest 25 Stunden pro Woche (Die Mindestöffnungszeit bei Verträgen, die seit 2004 abgeschlossen werden, muss bei 20 Wochenstunden liegen. Vor 2004 lag die wöchentliche Mindestöffnungszeit bei nur 10 bis 15 Stunden. Aktuell haben knapp 300 Allgemeinmediziner und 26 Kinderärzte in Wien auf Basis von Altverträgen weniger als 20 Stunden geöffnet.)
  2. Stärkung des niedergelassenen Bereichs durch besondere Angebote für Akutfälle. Erforderlich ist dafür unter anderem ein entsprechendes Terminmanagement
  3. Leistungsharmonisierung: Im Zuge der generellen Harmonisierung der Leistungen in der Krankenversicherung werden weitere Schritte gesetzt – zum Beispiel gynäkologischer Ultraschall, Augen OCT
  4. Im Sinne längerer Öffnungszeiten und einer kontinuierlichen Betreuung der Patienten sollen die Nebentätigkeiten der Vertragspartner eingedämmt werden
  5. Wie schon bei den vergangenen Honorarverhandlungen strebt die WGKK eine (finanzielle) Stärkung jener Fächer an, die direkten und intensiven Kontakt mit den Patienten haben, etwa die Allgemeinmediziner und Kinderärzte
  6. weiterer Ausbau der Primärversorgung und damit die Umsetzung des Konzeptes, wonach Ärzte mit anderen Gesundheitsberufen enger zusammenarbeiten
  7. Verwaltungsvereinfachung: Nach dem Vorbild anderer europäischer Länder sollen die bisher schriftlich formulierten Diagnosen künftig codiert werden, um unter anderem die Leistungsabrechnung zu vereinfachen
  8. Förderung von Jungmedizinern: Der Kassenvertrag soll attraktiver werden. Die Konzepte reichen von der umfassenden Information von Medizinstudenten bis hin zur Begleitung bei der Eröffnung einer Kassenordination
  9. Forderung, das Anstellen von Ärzten durch Ärzte per Gesetz zu ermöglichen
  10. Gezielter Einsatz der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel: Die WGKK muss sich bei den Ausgaben – auch die Honorare betreffend – nach den Einnahmen richten