Gesundheitsförderung im Alter

Krankmachend oder gesunderhaltend wirken einerseits eigenes Verhalten, andererseits aber auch in hohem Maß Wohn-, Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Daher sind die wichtigsten Einflussfaktoren Bildungs-, Sozial-, Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Verkehrs- und Umweltpolitik. Demgegenüber hat das klassische Gesundheitswesen bei aller Wichtigkeit seiner Rolle insgesamt wesentlich geringere Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung.
So kann z.B. ein heute 35-jähriger Akademiker in Österreich damit rechnen, ein Alter von 81,4 Jahren zu erreichen, während ein gleichaltriger Pflichtschulabsolvent statistisch wahrscheinlich nur 75,2 Jahre alt wird und somit eine um 6,2 Jahre kürzere Lebenserwartung hat. Die Unterschiede in der Lebenserwartung sind bei Frauen etwas geringer (84,4 bzw. 81,6 Jahre) (FGÖ 2008).
Allerdings sind 52% der Frauen mit Pflichtschulabschluss übergewichtig bzw. adipös, während dies nur bei 28% der Hochschulabsolventinnen der Fall ist. Dies führt zu höherer Krankheitslast und vermehrten funktionellen Einschränkungen (Statistik Austria).

Betriebliche Gesundheitsförderung

Gesundheitsförderung zielt darauf ab, jeden Einzelnen zu befähigen, bessere Kontrolle über seine Gesundheit zu erlangen und dadurch die Gesundheit selbst zu stärken.
Beruhend auf diesen Erkenntnissen ist betriebliche Gesundheitsförderung heute bereits zu einem verbreitet angewandten Managementinstrument geworden und viele größere Firmen bieten für ihre Mitarbeiter Möglichkeiten, berufsbedingten Belastungen entgegenzuwirken. Dies geschieht in einer Mischung aus Vorträgen – z.B. über gesunde Ernährung, gesunde Bewegung, Suchtprävention, Fragebogenerhebungen, Gesundheitszirkeln (ähnlich einem Qualitätszirkel) und Workshops mit dem Ziel, Gesundheitswissen, aber auch das psychische Wohlbefinden der Betroffenen zu steigern und ihnen ein gewisses Maß an Mitgestaltungsmöglichkeit ihrer Arbeitsbedingungen zu geben.
Die meisten älteren Menschen sind nicht mehr in Betrieben tätig und können daher von solchen Angeboten nicht mehr profitieren. Wenn sie im Rahmen ihrer früheren Berufstätigkeit Gelegenheit zur Teilnahme an solchen Programmen hatten, dann lohnt es sich, dieses erworbene Wissen in den neuen Lebensabschnitt mitzunehmen und adäquat weiterzuentwickeln. Gesundheitsförderung für ältere Menschen unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was für jüngere Menschen gilt.

Gesundheitskompetenz entwickeln

Dazu gehört Wissen um allgemeine Lebensstilfaktoren wie

  • qualitativ und quantitativ richtige Ernährung (angemessener Energie-, Eiweiß- und Vitamingehalt)
  • das notwendige Maß an Bewegung (3–5 x pro Woche 40–60 Minuten)
  • Harmlosigkeits-/Schädlichkeitsgrenzen bei Alkoholkonsum und
  • den hohen Stellenwert von Nichtrauchen bzw. für Raucher das Wissen, dass es wirksame Unterstützung beim Rauchstopp gibt und wo man diese erhält
  • aber auch die Fähigkeit, sich über gesundheitsrelevante Themen zu informieren und diese Informationen so gut zu verstehen, dass sie auch richtig angewandt werden können. Das könnten beispielsweise das Thema „Impfungen im fortgeschrittenen Erwachsenenalter“ sein – und die Tatsache, dass die Immunabwehr mit fortschreitendem Alter naturgegeben abnimmt, Impfungen daher wichtiger werden und die Impfabstände eher kürzer werden sollten.
  • Ebenso wichtig sind Informationen über Vorbeugungsmaßnahmen und sichere Verhaltensweisen bei Fernreisen – früher kaum ein Thema für Senioren, aber heute erfreulicherweise hochaktuell.

Alterserscheinungen vorbeugen oder kompensieren

Auch Schwerhörigkeit nicht als lästige, aber harmlose Alterserscheinung einzuschätzen, sondern zu wissen, dass Schwerhörigkeit einerseits zu zunehmender sozialer Isolation und damit zur Gefahr eines geistigen Abbaus führt und andererseits die Sturzgefahr erhöht, gehört zu guter Gesundheitskompetenz im Alter. Über die Behandlung sollte man auch wissen, dass die beidseitige Hörgeräteversorgung wichtig für die Raumwahrnehmung ist und dass Hörgeräte während der gesamten Wachzeit – also ca. 16 Stunden pro Tag getragen werden müssen, um eine komplette Gewöhnung und damit normale Hörleistung zu erreichen. Dazu ist ein spezifisches Hörgerätetraining die beste Maßnahme.
Jeder, der eigene Angehörige alt werden gesehen hat weiß, dass die Muskelkraft im höheren Lebensalter nachlässt und dass es in der Folge häufiger zu Stürzen und teilweise auch Verletzungen kommt. Zu Recht besonders gefürchtet sind Brüche des Oberschenkelknochens, aber auch der Schulter, die meistens zu einer bleibenden Einschränkung der Selbsthilfefähigkeiten führen.
Weniger verbreitet ist das Wissen darum, dass man durch gezieltes Kraft- und Balancetraining dieser Entwicklung sehr wirkungsvoll Einhalt gebieten kann. Damit und mit der Einnahme von Vitamin D während der Wintermonate kann man die eigene Gesundheit ganz wesentlich stärken.
Spezifisches Wissen müssen alle Personen erwerben, die an chronischen Krankheiten leiden oder auch andere Personen mit chronischen Krankheiten betreuen, die nicht mehr vollständig autonom ihr Leben gestalten können:

  • Um welche Krankheit handelt es sich?
  • Wie muss ich/der zu Betreuende mich/sich verhalten, um keine Verschlechterung zu erleiden?
  • Was kann ich/der zu Betreuende tun, um den gesunden Anteil in mir/sich zu stärken (beispielsweise hat körperliches Ausdauertraining niedriger bis mittlerer Intensität heute bereits in zahlreiche Therapieempfehlungen Eingang gefunden, da die mehrfach günstigen Effekte bestens belegt sind)?

Der letztgenannte Aspekt – nämlich, dass jeder chronisch Kranke zu einem großen Teil auch noch gesunder Mensch ist, den es zu bewahren und zu stärken gilt – ist besonders wichtig.
Es hat sich gezeigt, dass das Leben mit einer (oder auch mehreren) chronischen Erkrankung(en) desto besser und angenehmer verläuft, je besser der Betroffene selbst über seine Krankheit Bescheid weiß. Das heißt, nicht nur zu wissen, welche Medikamente man nehmen muss, sondern auch welche Wirkung diese haben, welche NICHT-medikamentösen Maßnahmen für die Behandlung wichtig sind, welche Zeichen man beobachten muss und wann man unbedingt einen Arzt aufsuchen soll.
Die Antworten auf alle diese Fragen müssen als Teil der ärztlichen Behandlung verstanden werden. Es ist einerseits die Aufgabe des behandelnden Arztes, diese Dinge so zu erklären, dass sein Patient alles verstehen kann, und andererseits die Aufgabe des Patienten, so lange nachzufragen, bis er sich wirklich auskennt. Schriftliches Informationsmaterial und eigene Notizen sind dabei natürlich hilfreich.

 

 

 

Wenn sie einen Angehörigen pflegen …

Die Pflege eines Angehörigen gehört in fortgeschrittenen Krankheitsstadien zu den höchsten Belastungen. Da am Beginn sehr oft relativ harmlose Betreuungstätigkeiten stehen und die Anforderungen an die Betreuungsperson sich langsam erhöhen, geraten die Betroffenen oft unbemerkt in eine überfordernde Situation, die ohne Hilfe zur Erschöpfung führt.
Deshalb ist es enorm wichtig, sich sobald als möglich über sämtliche Hilfsmöglichkeiten zu informieren und für sich selbst regelmäßige Erholungspausen und auch Urlaub einzuplanen. Nur so – mithilfe eines Betreuungsnetzes – kann Pflegeleistung über längere Zeit ohne Schaden für die physische, psychische und soziale Gesundheit der Betreuungsperson erbracht werden. Es gehört auch zur Gesundheitskompetenz, die eigenen Kräfte richtig einzuschätzen und überzogene Forderungen als unrealistisch abzuwehren.

… organisieren Sie ein Betreuungsnetz

Erhalten und stärken der Gesundheit ist also eine lohnende Aufgabe, die sowohl Anforderungen an den Einzelnen stellt (bestmögliches eigenes Verhalten) als auch an die Politik (siehe Anfang – Verhältnisse) und nicht zuletzt auch an das Gesundheitssystem, das es den Patienten möglichst leicht machen soll, die erforderliche Gesundheitskompetenz zu entwickeln.

Von der Compliance zur Koproduktion

Wenn Patienten genau verstehen, was ihnen nützt und was ihnen schadet, führt das zu besserer Therapietreue und deutlich besseren Behandlungsergebnissen als ohne dieses Verständnis. Ärzte und andere Gesundheitsberufe – sowohl in Krankenhäusern als auch im niedergelassenen Bereich – sind also aufgerufen, die Fähigkeit zu entwickeln, ihren Patienten die nötigen Informationen in gut verständlicher Alltagssprache und gut strukturiert zu übermitteln. Dazu sollte man möglicherweise didaktische Unterstützung von pädagogischer Seite als auch Feed-back von Patientenseite in Anspruch nehmen. Diese Weiterentwicklung der Leistungen könnte die Effizienz unseres Gesundheitssystems fühlbar steigern.

Zusammenfassung

Gesundheitsförderung ist im fortgeschrittenen Alter besonders wichtig, da es in dieser Lebensphase leichter und schneller zu gesundheitlichen Problemen mit ernsthaften Beeinträchtigungen von Wohlbefinden und Selbstständigkeit kommt als in früheren Jahren. Der Erwerb von aktuellem Gesundheitswissen ist die Basis für die Fähigkeit, sich so zu verhalten, dass einerseits vermeidbarer Schaden ausbleibt und andererseits chronische Krankheiten, an denen die meisten Menschen in höherem Alter erkranken, gut beherrscht werden. Dadurch wird man die Lage versetzt, selbst einen wesentlichen Beitrag zum eigenen Wohlbefunden zu leisten.