„Gesundheitsreform“ durch Vertrag

74 Seiten, relativ wenige konkrete Ziele, ambitioniertes Gesamtprojekt – der „Bundes-Zielsteuerungsvertrag“ soll die Basis für zukünftige Veränderungen im österreichischen Gesundheitswesen sein. Die Geltungsdauer geht bis 2016. Zunächst einmal sollen erst die Grundlagen (Abrechnungssysteme, Dokumentationsvorgaben, Gesetzesanpassungen) geschaffen werden. Ab 2016 geht es dann erst um die Umsetzung von konkreten Zielvorgaben.

Kernpunkt: „Best Point of Service“

Ein Kernpunkt: „Die kurative Versorgung erfolgt am gemeinsam festgelegten ‚Best Point of Service‘“ – richtige Leistung zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort mit der optimalen medizinischen und pflegerischen Qualität, gesamtwirtschaftlich möglichst kostengünstig. Konkret festgelegt werden soll der „Best Point of Care“ auf regionaler (Bundesländer-)Ebene.
Primärversorgung („Primary Health Care“) soll flächendeckend umgesetzt werden.

Versorgungsstrukturen –Primary Health Care

Die Vertragspartner wollen bis Mitte 2015 „abgegrenzte, klare Versorgungsaufträge“ und „Rollenverteilungen“ für alle wesentlichen Leistungsanbieter erstellen und bis Ende 2016 auf Landesebene die Umsetzung starten. Diese Konzepte für die Primärversorgung – mit Einbindung von Allgemeinmedizinern, Fachärzten etc. – soll Ende 2016 bereits für 1% der Bevölkerung jedes Bundeslandes bestehen (80.000 Personen österreichweit).
Der wohl größte zukünftige Streitpunkt: „Versorgungsdichte in allen Versorgungsstufen bedarfsorientiert anpassen, insbesondere durch Reduktion der Krankenhaushäufigkeit sowie der Verweildauer und den Abbau bzw. die Verhinderung von Parallelstrukturen.“
Das ist die Basis für das zu erwartende Gezerre zwischen Spital und niedergelassenem Bereich: „Bestehende ambulante Strukturen bedarfsorientiert anpassen und in neue bzw. strukturell und/oder interdisziplinären Versorgungsformen im ambulanten Bereich partiell überführen.“

Fachärzte auf dem Prüfstand –interdisziplinäre Gruppenpraxen

Fragen: Welche Teile des Ende Juni von der Bundesgesundheitskommission abgesegneten Katalogs der ambulanten Leistungen werden in welcher Region Österreichs in Spitalsambulanzen, bei niedergelassenen Fachärzten oder in Gruppenpraxen (längere Öffnungszeiten; z.B. mit Allgemeinmedizinern und dahinter gelagerten Fachärzten) erbracht? Wo werden allfällige Überkapazitäten abgebaut?
Es soll jedenfalls „pauschale Honorierungsmodelle für interdisziplinäre Gruppenpraxen bis Ende 2013“ geben. Und: Bis Ende 2014 soll es in jedem Bundesland zumindest zwei solcher Gruppenpraxen geben. Bisher ist das ja vor allem an den Honorarverträgen gescheitert.

„Ambulante Leistungsdokumentation“ – „codierte Diagnosedokumentation“

Auf die niedergelassenen Ärzte – wie auf alle ambulanten Dienste – kommt eine bundesweite „ambulante Leistungsdokumentation“ (bis Ende 2015) zu. Dazu soll noch die codierte Diagnosedokumentation kommen. Hier sollen zunächst drei Pilotprojekte in Österreich (ab Ende 2013) organisiert werden.
Wenig Neues gibt es bei Akutspitälern. Hier wurden im Grunde die Entwicklungen der vergangenen Jahre fortgeschrieben. Angepeilt werden:

  • Reduktion der Belagstage pro 1.000 Einwohner um 1,8–2,2% jährlich, der Krankenhaushäufigkeit um 1,1% (optimal: 4%) jährlich, der Verweildauer im Spital um 0,8–1,2% jährlich.
  • Erst mit der Identifikation von allfälligen Überkapazitäten und nicht notwendigen Parallelstrukturen soll dann die Adaptierung des Spitalsbereiches in eine neue Phase treten.
  • Der Anteil der ambulant durchgeführten Eingriffe soll deutlich erhöht werden. z.B. Katarakt-OP von derzeit 53% auf 70–90%, Varizen-OP von 10 auf 30–60%, Knie-Arthroskopie von derzeit 13 auf 30–80%.

Und schließlich: die Arzneimittel. Hier soll es zur Einrichtung einer gemeinsamen Medikamentenkommission für intra- und extramuralen Bereich von Krankenhauserhaltern, Kassen und Ministerium kommen. Nur weil eine Therapie innovativ und hochpreisig ist, soll sie nicht („Husch,husch – zahlen tut’s wer anderer“) zum Beispiel ins Spital verschoben werden.