Gewalt und Drohungen gehören schon zum Alltag

Der Fall einer oberösterreichischen Hausärztin, die von Gewaltdrohungen von Impfgegner:innen in den Tod getrieben wurde, ist wieder aus dem medialen Blickpunkt gerückt. Das Problem bleibt. Und es ist offenbar größer, als bisher angenommen. Eine Umfrage der Ärzte Krone und des Newskanals RELATUS MED zeigt, dass mehr als ein Fünftel der Ärzt:innen (21,4 %) einmal oder öfter von Drohungen oder Beschimpfungen via E-Mail oder Soziale Medien betroffen war. Noch dramatischer ist es bei persönlichen Drohungen, Beschimpfungen oder Gewalt in der Ausübung des Berufes. Hier gaben 72,9 % an, schon einmal oder öfter damit konfrontiert gewesen zu sein. Bei den Frauen sind es sogar 76,9 %. Nur 46, 8 % fühlen sich durch Behörden, Justiz, Standesvertretung oder Arbeitgeber:innen ausreichend beschützt. Die dramatische Folge: 14,9 % überlegen, den Beruf zu wechseln. Unter den Frauen sind es sogar 19,3 %.

Auch eine parlamentarische Anfrage der SPÖ an den Innenminister zeigt, dass Drohungen von Corona-Maßnahmengegner:innen viel mehr Einrichtungen betreffen als bisher gedacht. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) teilte nun mit, dass im Zuge der COVID-19-Krise eine „Vielzahl von Personen“ mittels Briefe, E-Mails oder auch persönlich regelmäßig bedroht würden. Nach individuellen Prüfungen gebe es dann Schutzmaßnahmen. Laut Karner wurden 38 Krankenhäuser, 31 Pharmaproduzenten und Pharmalogistiker, vier Hygieneunternehmen, fünf Sozialkrankenversicherungsanstalten sowie ein Medizintechnikunternehmen von den Behörden nach Drohungen beraten.
Die betroffenen Ärzt:innen fordern vor allem entschiedenere Ermittlungen der Behörden (76,6 %), strengere Gesetze und Strafen (54,9 %) und mehr Unterstützung durch die Standesvertretung (46,8 %). Dort ist man sich des Problems bewusst: „Die physische und psychische Belastung aller im Gesundheitsbereich Tätigen ist an einer kritischen Grenze“, warnt Ärztekammerpräsident MR Dr. Johannes Steinhart. Er führt das wachsende Aggressionspotenzial von Patient:innen in Ordinationen und Spitälern auch auf den Spardruck im System zurück. Man biete deshalb etwa einen dreiteiligen Workshop „Konfliktmanagement in der Ordination“ mit Sicherheitsexpert:innen an sowie eine „Ombudsstelle für Mobbing, Gewalt, Sexismus und Rassismus für Ärztinnen und Ärzte“. In der Rechtsabteilung der Wiener Ärztekammer wurde weiters eine Beratungsstelle eingerichtet, an die sich Ärzt:innen wenden können, wenn sie mit Hass im Netz konfrontiert sind.
Mag. Katharina Bisset, Rechtsanwältin und Mitbegründerin der NetzBeweis GmbH, rät im Ärzte Krone-Gespräch in jedem Fall zur Sicherung von Beweisen. „Man sollte die Dinge nicht einfach ignorieren und sich auch nicht dazu raten lassen, sondern gleich professionelle Hilfe etwa durch eine Beratungseinrichtung holen oder Psycholog:innen aufsuchen, um einem emotionalen Trauma vorbeugen zu können.“ Überdies habe es den guten Effekt, dass man als Opfer dann gleich Bestätigungen für mögliche Schadenersatzansprüche hat. „Zudem sollte man Interessenvertretungen benachrichtigen, damit unter Umständen weitere Schritte gesetzt werden können oder zumindest dann nachgewiesen werden kann, dass man sich selbst entsprechend bemüht hat, die jeweiligen Stellen zu informieren.“ Bisset rät, nicht bei der Polizei anzuzeigen, sondern direkt und am besten über einen Rechtsanwalt oder eine Anwältin eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft zu machen. „Das hat den Vorteil, dass man auch gleich die Beweise aufbereitet mitsenden kann und die Sache nicht von der Polizei rechtlich subsumiert wird.“