Hämostaseologie grenzüberschreitend beleuchtet

Rund 1.500 Besucher, v.a. aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, aber auch internationales Publikum aus vielen anderen Ländern Europas sowie aus den USA und Japan nahmen an dieser Tagung teil. Die mehr als 340 im Vorfeld eingereichten Abstracts von Forschern aus den verschiedensten naturwissenschaftlichen Bereichen aus 34 verschiedenen Ländern legen Zeugnis darüber ab, wie breit gefächert und ganzheitlich die Thematik der Hämostaseologie grenzüberschreitend beleuchtet wurde. Die diversen Aspekte aus der Thrombose- sowie der Hämostaseforschung wurden auf den unterschiedlichsten Ebenen, wie der Grundlagenforschung als auch auf praktischer und klinisch relevanter Ebene diskutiert. Fortbildungsveranstaltungen im Bereich der Kinder- und Frauenheilkunde, der Neurologie, der Kardiologie und der Angiologie, der Anästhesie und Chirurgie sowie der Infektiologie, der Hämatologie und Onkologie zeigten, welch wichtige Stellung die Hämostaseologie in anderen medizinischen Fachrichtungen einnimmt.
Neben den elf Plenary Lectures und 16 State-of-the-Art-Sessions bzw. drei Pro- und Contra-Sessions fanden 18 Satelliten- und drei „How to treat“-Symposien sowie acht Educationals/Workshops, statt. An zwei aufeinanderfolgenden Nachmittagen standen geführte Posterbegehungen auf dem Programm.

DOAK: individuelle Dosierungen gesucht

Eines der vielseitig diskutierten Themen waren die NOAK (neue orale Antikoagulanzien) – oder DOAK (direkte orale Antikoagulanzien), wie sie heute immer mehr genannt werden, wobei v.a. die Nachteile dieser Arzneimittelgruppe, i.e. das Fehlen einer Antagonisierung, bzw. das Nichtvorhandensein einer individuellen Dosierung – nur „eine Dosis für alle“ – ein Kernpunkt waren; ebenso wie die (noch) fehlende Möglichkeit der Dosisüberwachung bzw. des Monitorisierens der Wirkung mittels spezieller Testsysteme. Gerade diese Diskussionspunkte sind Inhalt derzeit (an)laufender Studien.
Hierbei trat im Speziellen auch die Frage nach der Notwendigkeit der Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz in den Fokus. Es konnte gezeigt werden, dass die DOAK bei gleicher oder besserer Wirkung verglichen mit Vitamin-K-Antagonisten die Blutungsgefährdung in der Niereninsuffizienz reduzieren. Nach renaler Dosisanpassung und Ausschluss unerwünschter Arzneimittelwirkungen könnten die DOAK künftig den Vitamin-K-Antagonisten gegenüber bevorzugt werden. Auch eine Therapie bei Hämodialysepatienten erscheint möglich, die Behandlung muss dann aber nach ganz spezifischen Behandlungsregimen erfolgen.
Leider gibt es zu den DOAK derzeit noch immer nur beschränkt Berichte über die Langzeitverabreichung außerhalb von Studien. Hierfür sind auch in Zukunft weitere große Beobachtungsstudien wichtig.

Neuer Thrombozytenfunktionstest

Im Zentrum der Thrombozytenforschung stand v.a. die Entwicklung neuer, universeller Thrombozytenfunktionstests, welche Thrombozyten-Defekte detektieren sollen.

Neue Faktorkonzentrate

Auf dem Gebiet der Hämophilie waren, wie auch in den vergangen Jahren schon, neue Faktorkonzentrate mit verlängerter Halbwertszeit, durch welche sich in Zukunft die Lebensqualität der Patienten durch die niedrigere Substitutionsfrequenz weiter verbessern soll, ein wichtiges Thema.

Thrombosen bei Tumorerkrankungen

In Bezug auf die Thematik von Tumorerkrankungen und ihre Zusammenhänge mit Thromboseneigung und -entstehung stand einmal mehr die Pathophysiologie der dem Trousseau-Syndrom zugrunde liegende Hyperkoagulabilität des Blutes und hier v.a. die Expression vom Tissue-Faktor, im Rampenlicht. Eine Vielzahl an Risikofaktoren, v.a. die Tumorlokalisation, die Anti-Tumor-Therapie sowie die positive Anamnese im Hinblick einer bereits stattgehabten venösen Thromboembolie (VTE) können gemeinsam mit Veränderungen bestimmter Laborparameter zur individuellen Risikoabschätzung eines möglichen Auftretens einer venösen Thromboembolie bei Tumorpatienten herangezogen werden.
Bezüglich einer Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten gibt es für bestimmte Patientengruppen weiter Diskussionen. Eine individuelle, anhand vorliegender Risikofaktoren angepasste und risikoadaptierte Prophylaxe stellt daher noch immer eine Herausforderung, selbst für die Spezialisten, dar. Jedenfalls ist eine Primärprophylaxe nach Operationen notwendig, und auch während eines stationären Krankenhausaufenthaltes sollte eine Thromboseprophylaxe erfolgen. Bis dato nicht gänzlich geklärt bleibt hingegen die Frage, ob und welches Tumorpatientenkollektiv von einer primären Thromboseprophylaxe selbst im ambulanten Setting profitiert. Darüber sollen zukünftige Studien Aufschluss geben.
Im Rahmen der Therapie und Sekundärprophylaxe bei Tumorpatienten kommen vorwiegend die niedermolekularen Heparine für eine Dauer von zumindest drei bis sechs Monaten zum Einsatz, welche den Vitamin-K-Antagonisten hinsichtlich des Risikos einer neuerlichen Thromboembolie-Entstehung überlegen sind. Es gibt aus den großen Zulassungsstudien der DOAK Daten über Anwendungen auch bei Tumorpatienten, allerdings wird angenommen, dass es sich hierbei nicht um die Gruppe mit dem höchsten Risiko eines VTE-Rezidivs oder einer Blutung handelt.
Bezüglich eines möglichen Einsatzes der DOAK wird die HOKUSAI-VTE-Cancer-Studie, die gerade anläuft, in naher Zukunft Daten liefern.

Resümee

Das Anwendungsgebiet der neuen/direkten oralen Antikoagulantien wächst rasant; im Fokus stehen Fragen wie z.B. Dosisadaptierung bei niereninsuffizienten Patienten; weiters stehen Möglichkeiten zur Monitorisierung der Wirkung im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. In Bezug auf den Einsatz der DOAK bei Tumorpatienten soll die eben gestartete HOKUSAI-VTE-Cancer-Studie wichtige Daten liefern.

 

Literatur bei den Verfassern