Hautveränderungen und COVID-19

Zur Häufigkeit von Hauterscheinungen, die im Zusammenhang mit einer Infektion durch SARS-CoV-2 beschrieben wurden, ist nach wie vor wenig bekannt. Zahlen reichen von 0,2 % bis 20,4 % aller Patienten. Zudem bleibt trotz zahlreicher Studien, Fallserien und Einzelberichten die zentrale Frage des Pathomechanismus unbeantwortet. Ob Hautveränderungen eine diagnostische Rolle spielen oder schlicht als unspezifische Assoziation zu werten sind, ist vor allem deshalb schwer zu klären, weil bei vielen Virusinfektionen − nicht nur bei SARS-CoV-2 – häufig unspezifische Exantheme beobachtet werden. Komplizierend kommt hinzu, dass viele Studien COVID-19-Hauterscheinungen bei Patienten berichten, ohne dass eine SARS-CoV-2-Infektion bestätigt werden konnte. In einigen Fällen wurde auf den Erregernachweis verzichtet und nur auf eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Infektion verwiesen. Daher ist es trotz der zahlreichen Berichte und Millionen an COVID-19-Infektionen eine Herausforderung, belastbare Daten zu Hauterscheinungen und COVID-19 abzuleiten.

„COVID-Zehen“

Bereits zu Beginn der Pandemie häuften sich Berichte zu polsterartigen, lividen Erythemen der Zehen und Finger, die heute auch gern als „COVID-Zehen“ (oder auch „COVID-Finger“) beschrieben werden (Abb.). Laut mancher Studie machten diese bis zu 63 % der kutanen Manifestationen aus. In 55 % der Fälle wurden sie als einziges Symptom der COVID-19-Erkrankung gewertet. Betroffen waren vor allem jüngere Erwachsene. Erst kürzlich zeigte jedoch eine umfassende Arbeit aus Kalifornien, USA, dass zwar die Anzahl dieser frostbeulenartigen Läsionen während der Pandemie zunahm, dieser Anstieg jedoch nur schwach mit einer SARS-CoV-2-Infektion korrelierte: Nur 2 % aller Fälle konnten als mögliches sekundäres Phänomen einer COVID19-Infektion erfasst werden. „COVID-Zehen“ sind bei den meisten Patienten selbstlimitierend und bedürfen keiner gesonderten Therapie. Pathomechanistisch werden Gefäßendothelveränderungen wie auch Mikroangiopathien vermutet, die direkt oder indirekt durch SARS-CoV-2 verursacht sein könnten. Eindeutige Beweise hierfür stehen jedoch aus.

Hautauschlag bei COVID-19

Ganz ähnlich verhält es sich mit windpockenartigen Exanthemen, also kleinen Flecken und/oder Bläschen auf gerötetem Grund, die bei bis zu 9 % der COVID-19-Patienten berichtet wurden. Das Exanthem ist vor allem am Stamm lokalisiert. Im Gegensatz zu einer Windpockeninfektion besteht kaum oder kein Juckreiz. Ebenso finden sich die Schleimhäute erscheinungsfrei. Zwar heilen die Hautläsionen narbenlos innerhalb von 2 Wochen ab, allerdings wurden sie vor allem bei Patienten mit schwereren COVID-19-Verläufen berichtet.
Makulopapulöse Exantheme, also rote Flecken und Papeln (jedoch ohne Bläschen), können deutlich häufiger auftreten. Sie finden sich vor allem bei Abklingen der Allgemeinbeschwerden und scheinen nicht mit dem Schweregrad des Krankheitsverlaufes zu korrelieren. Hier muss festgehalten werden, dass Virusexantheme keine Seltenheit sind. Sie sind häufig unspezifisch und können bei verschiedensten Virusinfektionen beobachtet werden. Auch eine Unterscheidung zu Medikamentenreaktionen kann sowohl klinisch also auch histologisch oft nicht eindeutig getroffen werden. Da viele Patienten mit makulopapulösen Exanthemen und SARS-CoV-2-Infektion zusätzlich die typischen respiratorischen und gesamtgesundheitlichen Symptome aufweisen, und diese im Regelfall auch medikamentös behandelt werden, ist das Spektrum der Differenzialdiagnosen breit und der Zusammenhang mit COVID-19 nur selten eindeutig herzustellen.

Veränderte Hautdurchblutung

Vor allem bei älteren Patienten (> 60), die zum Teil auch schwer erkrankt waren, wurden wiederholt netzartige Gefäßzeichnungen an der Haut beschrieben. Diese ringförmigen, rötlich bis lividen Läsionen (Livedo reticularis und Livedo racemosa), die auch einbluten können (Purpura), werden bei unterschiedlichen Erkrankungen als Zeichen der transienten oder permanenten Minderperfusion der Haut beobachtet. Biopsien aus betroffenen Hautarealen bei SARS-CoV-19-infizierten Patienten zeigten kleine thrombotische Gefäßverschlüsse sowie mäßige perivaskuläre Entzündung, jedoch keine Zeichen einer floriden Vaskulitis. Diese livedoiden Läsionen als Zeichen der Vaskulopathie sind selten, wurden jedoch mit erhöhter Mortalität von COVID-19 in Verbindung gebracht.

Conclusio

Auch wenn vielfältige Hauterscheinungen im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion beschrieben wurden und es sich in vielen Fällen um unspezifische Befunde handeln dürfte, zeichnet sich in Zusammenschau mancher Erscheinungsbilder die Gefäßbeteiligung als roter Faden ab. Ob das SARS-CoV-2-Virus direkte Gefäßwandschäden verursacht oder diese indirekt durch proinflammatorische oder prothrombotische Prozesse in suszeptiblen Patienten hervorruft, muss weiter untersucht werden. Gewiss ist jedoch, dass in Zeiten der Pandemie Wachsamkeit gefragt ist – sowohl was die eigene Gesundheit, die Gesundheit unserer Mitarbeiter, Kollegen und Familien als auch die Gesundheit unserer Patienten betrifft. Diese Wachsamkeit ist ebenso bei der Beurteilung medizinischer Berichte gefragt. Der heutige Wissensstand zeigt an, dass Hauterscheinungen bei COVID-19-Infektionen nicht das Hauptproblem darstellen und leider nur bedingt Hinweise auf Diagnostik, Verlauf und Schweregrad der Erkrankung liefern können.

Wissenswertes für die Praxis
  • Virusinfektionen können sehr unterschiedliche Hauterscheinungen zur Folge haben, die meist keine eindeutigen Rückschlüsse auf das Pathogen zulassen.
  • Es mehren sich Hinweise, dass es im Rahmen von SARS-CoV-2-Infektionen zu Veränderungen an Hautblutgefäßen kommt.
  • Hauterscheinungen bei COVID-19-Infektionen können nur bedingt Hinweise zu Diagnostik, Verlauf und Schweregrad der Erkrankung liefern.