Honorare: Tarifplus von 11,5% für Wiener Hausärzte!

Ärzte Krone: Welche Ergebnisse im Detail haben die Honorarverhandlungen gebracht?

Johannes Steinhart: Die Verhandlungen waren wie immer schwierig und zäh. Trotzdem haben wir uns mit unserer Forderung durchgesetzt, für jede Ärztegruppe zumindest die jährliche Inflationsrate als reine Tariferhöhung abzuschließen. Alle Wiener Hausärzte mit WGKK-Vertrag erhalten sogar 6,5% Erhöhung per 1. 10. 2015, 3% Erhöhung per 1. 10. 2016 und noch einmal 2% Erhöhung per 1. 7. 2017.
Kinderärzte und Gynäkologen erhalten mit insgesamt 7,3% für diese drei Jahre auch ein deutliches Plus gegenüber den prognostizierten Inflationsraten. In Summe haben wir uns sehr bemüht, die Tariferhöhungen entsprechend der Einkommenssituation der einzelnen Ärztegruppen fair zu staffeln.

In welcher Weise wurden die Honorarkataloge der Neurologen und Psychiater modernisiert?

Die Modernisierung der Kataloge liegt allein in den Händen der jeweiligen Fachgruppen. Nur sie bringen dafür die medizinische Kompetenz mit. Wir im Verhandlungsteam haben dafür gesorgt, dass beide Gruppen für diese Umsetzung die entsprechenden finanziellen Mittel (15%iges Plus für die Psychiater und 9% für die Neurologen) erhalten. Ich glaube, dass sich 15% bzw. 9% Tariferhöhung bis 31. 12. 2017 durchaus sehen lassen können und als Erfolg zu bezeichnen sind. Damit kann zumindest ein erster wichtiger Schritt zu einer zeitgemäßen Medizin gegangen werden.

Was bedeuten diese Ergebnisse für die ärztliche Versorgung der Wiener Bevölkerung?

Die Wiener Bevölkerung hat dadurch die Sicherheit, dass die professionelle Versorgung im niedergelassenen Bereich bis Ende 2017 sichergestellt ist. Ein Tarifplus von insgesamt 11,5% für die Hausärzte leistet hoffentlich einen kleinen Beitrag, diesen Beruf für junge Kolleginnen und Kollegen wieder etwas attraktiver zu machen. Die Hausärzte wie die Fachärzte leisten tagtäglich aufopferungsvolle Arbeit und sind allein verantwortlich dafür, dass die niedergelassenen Ärzte in Wien bei den Patienten so hoch im Kurs stehen.

Wie haben sich die Verhandlungen dieses Mal gestaltet?

Die Verhandlungen fanden im Grunde in gleicher Zusammensetzung wie in den letzten Jahren statt. Die Inhalte waren jedoch diesmal sehr vielfältig. Wir haben neben den Tariferhöhungen auch wichtige vertragliche Änderungen, wie die erstmalige Möglichkeit der Verrechnung von Honorarpositionen ohne Anwesenheit des Patienten vorgenommen.
In Zukunft ist es daher möglich, dass Angehörige oder Heimhilfen Rezepte abholen kommen und trotzdem eine reguläre Fallpauschale mit Zuschlägen verrechnet werden darf. Wir haben auch versucht, in Zeiten immer stärker werdenden Patientenaufkommens, das Jobsharing-Modell zu adaptieren und attraktiver zu machen. Auch das ist uns, glaube ich, gutgelungen.

Wie konnte man zu diesem erfreulichen Ergebnis kommen?

In erster Linie haben wir in der Kurie niedergelassene Ärzte ein perfekt abgestimmtes und erfahrenes Verhandlungsteam, das 100%igen Einsatz für die Kolleginnen und Kollegen garantiert. Alle ziehen an einem Strang und verhalten sich hochprofessionell, abseits jeglicher Fraktionszugehörigkeit. Das ist mir persönlich ganz wichtig. Auch ist es uns gelungen, den Abschluss im Kontext zu den aktuellen Rahmenbedingungen (Landtagswahl in Wien in drei Monaten, Streit um die Spitalsgehälter) strategisch klug zu timen, um ein maximales Ergebnis zu ermöglichen.

Welche Auswirkung haben die Ergebnisse auf den Ärztefunkdienst?

Der Ärztefunkdienst war eines unserer Hauptthemen. Wir sind nun in der Lage, die bisherigen Stundenhonorare von knapp 40 Euro bis Sommer 2017 auf rund 80 Euro nicht nur zu verdoppeln, sondern auch schon über die Weihnachtsfeiertage 2015 durch eine Einmalzahlung attraktivere Honorare auszuzahlen. Diese Aufwertung war insofern von enormer Wichtigkeit, da wir davon ausgehen, dass der Ärztefunkdienst durch die Reduzierung der Nachtdiensträder in den Gemeindespitälern in den nächsten Jahren deutlich mehr in Anspruch genommen werden wird. Jetzt gilt es auch, die Strukturen im Ärztefunkdienst in Zusammenarbeit mit der Sozialversicherung und der Stadt Wien entsprechend auszubauen.

Wie sind diese Ergebnisse im Kontext der Gesundheitsreform zu sehen?

Aus meiner Sicht hat dieses Ergebnis wenig bis gar nichts mit einer so genannten Gesundheitsreform zu tun. Abgesehen davon, dass ich nach wie vor keine wirkliche Reform erkennen kann (Stichwort Bürokratieentlastung oder substanzielle Hausarztstärkung), sind die aktuellen Reformpläne der Politik eher ein Rückschritt als ein Fortschritt. Ich sehe bekanntlich sowohl das drohende PHC-Gesetz als auch die völlig unnötige Ausweispflicht bzw. das geplante Mysteryshopping mehr als kritisch.
Auch der Spardruck auf die Sozialversicherungen, der am Rücken unserer Patientinnen und Patienten ausgetragen wird, lässt die Zweiklassenmedizin weiter munter voranschreiten.

 

Kommentar Dr. Paul Prem
Ärztlicher Leiter des Ärztefunkdienstes

„Noch nicht das Ende der Fahnenstange“

Derzeit reichen die personellen Ressourcen des Ärztefunkdienstes nicht aus, um die Wiener Bevölkerung in den Nachtstunden, an Feiertagen und an Wochenenden ausreichend hausärztlich zu versorgen. Schon länger fordert die Ärztekammer daher den Ausbau des Wiener Ärztefunkdienstes, um so Engpässe bei den Anfahrten zu den Patienten zu vermeiden.
Mit ein Grund für diese negative Situation sind die schlechten Rahmenbedingungen im Umfeld: Die Spitalsambulanzen haben immer weniger Personal, gleichzeitig gibt es in Wien aber auch immer weniger Arztpraxen mit Kassenvertrag. Gab es vor 15 Jahren in Wien noch 1.670 Kassenstellen, die den Patienten zur Verfügung gestanden sind, sind es aktuell nur mehr 1.540 – und das, obwohl die Wiener Bevölkerung in diesem Zeitraum um eine viertel Million Menschen angewachsen ist. Patienten weichen damit vermehrt auf den Ärztefunkdienst aus.
Als besonderes Problem tut sich dabei die Situation rund um die telefonisch erfolgenden Zuteilungen nach Dringlichkeitsstufen auf. Dabei müssen Telefonärzte in kurzen Gesprächen mit oft aufgeregten und verständlicherweise nervösen Patienten beziehungsweise Angehörigen rasch die richtige Entscheidung treffen, ob mit Blaulicht angefahren werden muss oder ob eine herkömmliche hausärztliche Visite mit entsprechend längeren Anfahrtszeiten ausreicht. Eigentlich sollte dabei die Maxime gelten, dass in jedem noch so kleinen Verdachtsmoment sicherheitshalber eine „rasche Anfahrt“ angeordnet wird. Aber das lässt die derzeitige Personalausstattung oft nicht zu.
Es verwundert daher nicht wirklich, dass der Ärztefunkdienst integraler Bestandteil der soeben abgeschlossenen Honorarverhandlungen mit der Wiener Gebietskrankenkasse war. Ziel war es, unter anderem durch eine höhere Dotierung der Einsätze – diese waren in den letzten Jahren beschämend niedrig – die Attraktivität einer Tätigkeit beim Ärztefunkdienst deutlich zu erhöhen. Und das ist uns gelungen: Wir sind nun in der Lage, die bisherigen Stundenhonorare von knapp 40 Euro bis zum Sommer 2017 auf ca. 80 Euro zu verdoppeln sowie eine Einmalzahlung über die Weihnachtsfeiertage 2015 auszuzahlen.
Diese Aufwertung ist insofern von enormer Wichtigkeit, als wir davon ausgehen, dass der Ärztefunkdienst durch die Reduzierung der Nachtdiensträder in den Gemeindespitälern in den nächsten Jahren noch mehr in Anspruch genommen werden wird, als dies jetzt schon der Fall ist.
Freilich ist das noch nicht das „Ende der Fahnenstange“, gilt es doch jetzt, auch die Strukturen und Rahmenbedingungen im Ärztefunkdienst entsprechend auszubauen. Mit der Gemeinde Wien und den Sozialversicherungen werden wir demnächst entsprechende Gespräche aufnehmen. Ziel wird es dabei sein, eine bessere Vernetzung und Abstimmung des niedergelassenen Bereichs einschließlich des Ärztefunkdienstes mit den Spitälern einschließlich der Rettungsdienste zu erreichen.